Oya gemeinsam ermöglichen!von Der Schwarm, erschienen in Ausgabe #42/2017
»Wir werden euch unterstützen! Der Wandlungsprozess von Oya geht uns alle an.« Das schrieben uns Leserinnen und Leser, nachdem die September-Ausgabe Nr. 40 von Oya fragte, wie es mit dem Zeitschriftenprojekt weitergehen solle: Wollen wir wie in den 39 Ausgaben zuvor über ermutigende sozialökologische Projekte berichten, während die Welt immer tiefer in die Krise gerät? Müssten wir als Redaktion das, worüber wir schreiben, nicht auch selbst konsequent verwirklichen? Auf einem Leserinnen- und Lesertreffen im vorigen Herbst fiel immer wieder der Begriff »Community Supported Oya« – abgeleitet von »Community Supported Agriculture« für »solidarische Landwirtschaft«. »Sich die Ernte teilen – gemeinsam den Hof ermöglichen« ist das Motto der Bewegung: Feldfrüchte sind dort keine Waren, sondern gemeinsame Ernte – genau so fühlt sich auch Oya für alle Beteiligten an. Das Treffen im September verdeutlichte, wieviele Menschen an dem Projekt mitdenken und mitgestalten möchten, und verstärkte den Impuls, das bisher sehr kleine Redaktionsteam zu erweitern: Oya als Gemeinschaftsprojekt kann nicht von zwei, drei Personen abhängig sein, sondern benötigt einen tragfähigen, vielfältigen Kreis von Menschen, die den Oya-Geist hüten und zur Entfaltung bringen. Angesichts der – wie bei allen Qualitätsmedien – knappen Finanzlage schien eine Erweiterung unmöglich. Der Zuspruch aus der Leserschaft ermutigte uns jedoch, statt einer Perspektive der Knappheit die der Fülle einzunehmen: Es gibt kreative Menschen, die Oya weiterentwickeln möchten, und Leserinnen und Leser, die wollen, dass Oya weiterbesteht. Also wird sich ein Weg finden!
Wie wollen wir wirklich, wirklich arbeiten und wirtschaften? In vielen Gesprächsrunden haben wir in dem inzwischen organisch gewachsenen Redaktionskreis gefragt, wie ein »gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften« für Oya aussehen könnte. Antwort eins: Wir werden Oya weiterhin drucken und versenden. Die Druckerei, die Post und das Büro kosten Geld – daraus leitet sich ein Preis für das physische Heft ab. In der Welt der zu bezahlenden Dienstleistungen und Güter bleibt das Oya-Magazin aus Papier somit ein Produkt im Sinn einer Ware. Antwort zwei: Diejenigen Menschen, die sich mit Haut und Haaren für Oya verantwortlich fühlen, wollen das, was sie für das Projekt tun, nicht »verkaufen«. Ein Kilogramm Karotten kostet 2 Euro, die Arbeitsstunde einer Hebamme 35 Euro, die einer Anwaltskanzlei 350 Euro – das Paradigma der konventionellen Wirtschaft, in dem die Kreativität von Menschen, Tieren und Pflanzen mit einem Preisschild taxiert wird, halten wir für absurd. Keine und keiner im Team verbindet ihren und seinen Einsatz für Oya mit einem »Geldwert X«. Niemand möchte einen Vertrag, der Abhängigkeit erzeugt. Niemand im Kreis möchte die Chefin sein, die andere bezahlen muss. Alle möchten ohne Zeit- und Geldnot für Oya arbeiten. Für jede und jeden bedeutet das etwas Unterschiedliches. Der eine wohnt auf kleinstem Raum auf dem Land, die andere mit Kindern in einer Stadtwohnung. Alle wollen aus einem Topf wirtschaften, das verfügbare Geld egalitär, bedarfsgerecht und auf eine gemeinschaftlich nachvollziehbare Weise teilen. Der gemeinsame Topf: Ist es nicht so, dass er mehr umfasst als nur Finanzmittel? Füllen wir ihn nicht tatsächlich mit allen Leserinnen und Lesern gemeinsam? Wir als Redaktionsmitglieder legen unsere Arbeitskraft, unsere Lebensenergie hinein, im Büro kümmen sich Menschen um die Verwaltung, während Genossenschaftsmitglieder, Leserinnen und Leser Geld beitragen, ihr Mitdenken schenken, einen Oya-Stand auf einem Kongress organisieren, gute Bücher vermitteln oder Räume für Treffen zur Verfügung stellen – aus Liebe zu diesem Medium und seinem Wirkkreis. Gibt es Leserinnen und Leser, die bereit und in der Lage dazu sind, etwas mehr als bisher in den Topf zu legen – um ein »Grundeinkommen« für die Redaktion zu finanzieren? Gibt es Menschen, denen Oya so wichtig ist, dass sie das tun würden – nicht im Sinn einer Bezahlung, sondern eines Ermöglichens? Es geht um die Sicherung von Grundbedürfnissen derer, die, während sie für Oya arbeiten, anderweitig kein Geld verdienen. Geld ist nur deshalb im Spiel, weil unsere Gesellschaft damit spielt – es ließen sich auch geldlose Wege denken, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dieser Weg wäre etwas ganz anderes, als zu sagen: Unsere Personalkosten steigen, also erhöhen wir den Heftpreis! Ja, wir wünschen uns von unseren Leserinnen und Lesern und allen, denen die Oya-Allmende am Herzen liegt, einen zusätzlichen Beitrag – aber einen freiwilligen, eine Gabe, eine Schenkung. Lässt sich das in eine rechtliche Struktur übersetzen? Etwa so: Menschen, die etwas miteinander tun wollen, bilden rechtlich eine GbR – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese kommt prinzipiell ohne Chef- oder Vorstandsrolle aus. Wäre das die richtige Form?
Wir fallen aus dem Raster Nach intensiven Gesprächen mit verschiedenen Expertinnen und Experten befragten wir unseren Steuerberater. Er sympathisiert mit dem Grundeinkommen, aber er musste uns sagen: »Eure Idee ist in diesem Staat nicht realisierbar. Die Schenkungen, die ihr aus dem Leserkreis erhalten würdet – für das Finanzamt stünden sie mit einer Leistung in Verbindung: Ihr arbeitet nämlich an Oya, einem verkäuflichen Produkt! Wenn eure GbR Geld aus der Leserschaft erhält und ihr das unter den Redaktionsmitgliedern verteilt, stellt das Finanzamt einen Leistungszusammenhang her und macht euch steuerlich tot. Die Einnahmen wären umsatz-, gewerbe- und körperschaftsteuerpflichtig, und da ihr keine Ausgaben in der GbR hättet, wäre ein erheblicher Teil des Geldes verloren. Würdet ihr das, was übrigbleibt, privat entnehmen, müsstet ihr darauf noch Einkommensteuer bezahlen. Das ergibt keinen Sinn!« Nun ging es uns nie um ein Steuersparmodell. Wir wollten nur das Naheliegende tun – und das so einfach wie möglich. »Es gibt einen Ausweg«, erklärte der Steuerberater: »Das Private. Euer Grundeinkommens-Experiment dürfte nichts mit Oya zu tun haben. Jeder Mensch ist völlig frei, anderen Geld zu schenken – vorausgesetzt, damit ist keine Gegenleistung verbunden. Ihr könnt zum Beispiel beliebig viele Menschen bitten, euer Leben auf dem Land mit viel Zeit für Gartenbau und Landwirtschaft zu unterstützen. Wer so etwas gut findet, könnte so einer GbR Geld schicken, ohne dass sich das Finanzamt dafür interessiert.« Nur Geld also, das uns geschenkt werden würde, um »nach Hause zu gehen und uns um die Bienen zu kümmern« (Oya 40), führte aus dem Waren- und Konsumparadigma hinaus. Bekämen wir aber Geld, um im Schatten des Bienenhauses ein Oya-Gespräch zu führen, blieben wir im Alten gefangen! Für diese Erkenntnis waren wir unserem Steuerberater dankbar: Unsere beiden harmlosen Wünsche – erstens Gleichheit im Redaktionskreis herzustellen und zweitens unsere Arbeit nicht mehr verkaufen zu müssen – sind im gegenwärtigen System nicht vorgesehen. Vielen anderen Projekten ergeht es ähnlich: Freiwillige Helfer gelten als »illegale Arbeitskräfte«, Food-Coops, Volxküchen oder Food-Sharing-Initiativen, die anderen als eigenen Mitgliedern Zugang zu Lebensmitteln verschaffen, drohen unfinanzierbare Hygieneauflagen. Wer nutzbare Bauabfälle birgt und vertreibt, muss mit der Anklage rechnen, sie an der Mülldeponie vorbeizuschmuggeln. Hunderte Projekte suchen Schlupflöcher, arbeiten mit Hutkasse oder halten sich im Verborgenen, wollen lieber kein Interview über ihre grandiosen Ideen geben …
Das Experiment beginnt trotz allem! All das haben wir erst einmal sacken lassen. Unsere bisherigen Ideen sind keine Lösung – das Forschen fängt nun erst richtig an! Wir möchten etwas Schönes und Nützliches in die Welt bringen und dabei im neuen Paradigma des freiwilligen Beitragens und nicht im Paradigma des Bezahlens wirtschaften. Müssen wir dazu erst eine rechtliche Grundlage schaffen? Wer kann uns bei dieser Frage weiterhelfen? Dennoch: Wir beginnen das Experiment – und laden Sie und euch, liebe Leserinnen und Leser, dazu ein, Teil davon zu sein! Wir bitten Sie und euch um einen Beitrag für den »Oya-Grundeinkommens-Topf«. Die Genossenschaft wird das Geld entgegennehmen, als Umsatz versteuern und treuhänderisch verwalten. Der Redaktionskreis wird über die Verwendung der Summe entscheiden und darüber berichten. Es ist ein Behelf, aber ein Anfang. Oya soll einen großen Kreis von Menschen, die den Wandel tragen, mit weiterführenden Fragen, mit Wissen, Anregung, Ermutigung und Kontakten versorgen – und Oya soll die Menschen, die das Medium herstellen, mit den nötigen Finanzmitteln für ein einfaches, gutes Leben versorgen. Wie wird das möglich? Wir legen diese Ausgabe von Oya in Ihre und eure Hände – das ist unser Beitrag zum Gemeingut Oya. Und wir legen auch einen großen Teil unseres Lebens in Ihre und eure Hände in der Überzeugung, dass Ihr und euer Beitrag die Finanzierung eines Teils unserer Grundbedürfnisse ermöglichen wird.
Nur im gemeinsamen Zusammenwirken kann Oya weiterbestehen: Ein erweiterter Redaktionskreis ist bereit, das Projekt in die nächste Zukunft zu tragen. Dabei möchten wir nicht den konventionellen Weg gehen und zur Finanzierung der Entwicklung zum Beispiel den Heftpreis erhöhen – die Gründe dafür erläutern wir oben. Stattdessen wollen wir zusammen mit Ihnen und euch, liebe Leserinnen und Leser, eine neue Art des Wirtschaftens wagen.
Unsere redaktionelle Arbeit ist nur einer von vielen Beiträgen, die Oya ermöglichen: Die einen recherchieren, schreiben und gestalten, andere lesen, verbreiten das Heft und machen mit ihrem Geldbeitrag das Entstehen der Zeitschrift möglich. Gemeinsam schenken wir uns gegenseitig und der Welt, dass es Oya gibt. Damit wir Redaktionsmitglieder uns bedingungslos für Oya einsetzen können, wünschen wir uns einen freiwilligen Beitrag zur Deckung unserer Grundbedürfnisse aus einer gemeinsamen Kasse. Deshalb bitten wir diejenigen unter Ihnen und euch, die mit uns dieses gemeinschaftsgetragene Wirtschaften verwirklichen möchten, einen Ermöglichungs-Beitrag zum »Oya‑Grundeinkommen« auf das Konto der Oya Medien eG zu schicken, die das Geld treuhänderisch für den Redaktionskreis entgegennimmt*:
* Jeder Betrag ist willkommen und hilfreich! In der nächsten Ausgabe veröffentlichen wir, wie wir das Geld verwendet haben, und berichten über das Experiment und seine Folgen.