Im Jahr 2005 – die Permakultur Akademie in Deutschland war noch jung – hatten wir die große Freude, eine Tournee mit David Holmgren durch Deutschland und die Schweiz organisieren zu können. Im Gepäck hatte David, der in den 1970er Jahren zusammen mit Bill Mollison den Anstoß für die Permakulturbewegung gegeben hatte, sein gerade neu erschienenes Buch: »Permaculture. Principles and Pathways Beyond Sustainability«. Nun liegt es endlich auf Deutsch als »Permakultur. Gestaltungsprinzipien für zukünftige Lebensweisen« vor. Der Verdienst kommt vor allem dem unermüdlichen Übersetzer und Oya-Redakteur Matthias Fersterer zu, der das über 400 Seiten umfassende Werk, nachdem eine gemeinschaftliche ehrenamtliche Übersetzung gescheitert war, ins Deutsche übertragen hat. David Holmgren sprach vor über zehn Jahren in Ökodörfern, bei Permakulturprojekten und an der Humboldt-Universität in Berlin. Die großen Themen waren Peak Oil und die dritte Welle der Umweltbewegung. Es gab Anlass zur Hoffnung, dass der Ölpreis schon bald auf 80 oder gar 100 Dollar pro Barrel steigen würde – ungeheure Preise, die die Weltwirtschaft zusammenbrechen lassen, den Industrienationen kubanische Zustände bescheren und eine Adaption permakultureller Wirtschaftsweisen zwingend machen würden, für manche die Vorstellung eines Postwachstumsparadieses. Niemand rechnete damit, dass der Ölpreis wieder sinken würde, dass rechtspopulistische Bewegungen Gehör finden könnten und alles mehr oder weniger so weitergehen würde wie bisher. Was kann uns ein Buch aus jener Zeit heute sagen? Lohnen sich Übersetzung und Lektüre überhaupt noch? Davids Holmgrens Hauptwerk war schon damals nicht leicht zugänglich gewesen, und das ist es auch heute nicht. Das liegt vor allem daran, dass der Autor abstrakt bleibt, dass er keine einfachen Lösungen verspricht oder Hands-on-Tipps anbietet, wie viele andere Permakulturbücher es tun. Doch gerade dafür bin ich ihm dankbar, denn genau diese Abstraktion macht das Buch zeitlos. Es ist ein Studienbuch und ein Buch für Menschen, die Permakultur als Gestaltungswissenschaft verstehen. Als solches versetzt es Permakulturistinnen und Permakulturisten in die Lage, zu jeder Zeit und in jedem Kontext eigene nachhaltige Lösungen entwickeln und Antworten finden zu können. David Holmgrens Idee, diesen Anspruch mit Hilfe der Formulierung von zwölf leichtverständlichen Gestaltungsprinzipien zu lösen, ist immer noch überzeugend. Prinzipien nehmen Lösungen nicht vorweg, sondern regen das Denken und die Kreativität an. Sie bieten Narrative, Interpretationen und Haltungen an, mit denen Gestaltende arbeiten können, ohne von simplen Rezepten eingeschränkt zu werden. David Holmgren verdeutlicht seine Prinzipien anhand zahlreicher Beispiele, die das Buch ungeheuer wertvoll machen. Er zeigt aber noch mehr: In seinem Buch hat sich ökologisches, transdisziplinäres und vernetzendes Denken verkörpert. David Holmgren lässt Ökologie, Technik, Soziales, Spiritualität und Naturwissenschaften immer wieder aufeinander Bezug nehmen und vergleicht dieses Wissen mit der eigenen konkreten Erfahrung. Das ist eine Arbeitsweise, die manchen unwissenschaftlich erscheinen mag. Für mich zeigt sich darin ein neugieriger, vernetzender Geist, der sich auf einen eigenen Lern- und Gestaltungsprozess einlässt. Ich bin davon überzeugt, dass nur diese Art von Prozessen tiefgreifende Veränderung bewirken kann. Insofern ist dieses Buch kein Werk über Permakultur – es ist Permakultur. Peak Oil, Postwachstum, Postmoderne, das Anthropozän oder Populismus in Zeiten von Brexit und Trump – die Themen und Anlässe ändern sich immer wieder. Die Notwendigkeit, unsere Lebensgrundlagen positiv zu gestalten, bleibt bestehen. Permakultur, gerade auch wie David Holmgren sie praktisch und theoretisch vorlebt, hilft dabei, uns immer wieder an Prinzipien und Haltungen auszurichten, Standpunkte zu finden und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Permakultur Gestaltungsprinzipien für zukunftsfähige Lebensweisen. David Holmgren Drachen Verlag, 2016 416 Seiten 39,80 Euro