Unlängst hörte ich auf einer TTIP-kritischen Veranstaltung jemanden sagen: »Wie harmonisch und konstruktiv könnte diese Debatte verlaufen, wenn sich USA und EU mit dem neuen Vertrag verpflichtet hätten, die Menschenrechte, Demokratie und Arbeitnehmerrechte zu stärken, Beiträge zur Armutsbekämpfung und gegen den Klimawandel zu leisten, den Umweltschutz und die Artenvielfalt zu fördern. Die Zustimmung der Bevölkerungen wäre den Verhandelnden gewiss!« Mit dieser vermutlich zutreffenden Einschätzung sind wir beim Thema von Christian Felbers neuem Buch »Ethischer Welthandel«. Dieses befasst sich mit der Frage, wie mit einer verantwortungsbewussten, intelligenten Handelspolitik die angesprochenen Herausforderungen effektiv angegangen werden können. Der »Zwangsjacke« des Freihandels, der die Staaten letztlich wehrlos und handlungsunfähig macht und sie nach der Pfeife transnationaler Konzerne tanzen lässt, stellt er das »Ballettkleid« eines ethischen Welthandels entgegen, der auf regionaler Ernährungssouveränität sowie regionalem Wirtschaften aufbaut und durch ein System kluger Zölle geschützt wird. »Ein intelligentes und ethisches Handelssystem«, so schreibt er, »schützt kleinbäuerliche vor agroindustriellen Strukturen, lokale Märkte vor fernen Konzernen, ethische Unternehmen vor Profitmaschinen, öffentliche Güter und Commons vor Wettbewerbsmärkten«. Zölle hätten hierbei unter anderem die Aufgabe, Wettbewerbsvorteile durch jegliche Form von Sozialdumping abzuschöpfen, um innerhalb der eigenen Grenzen faire Bedingungen zu schaffen. Als weitere Steuerkriterien nennt Felber die Verletzung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten, die Nichtzeichnung von Umweltabkommen, Steuerdumping und mehr. Eines liegt auf der Hand: Wenn ein Wirtschaftsriese wie die EU seine Handelspolitik an derartigen Kriterien ausrichtete, würde dies wohl einen Stein ins Rollen bringen und weltweit einen interessanten, neuen ethischen Standard setzen – ohne dass dies die unmittelbare Mitwirkung anderer voraussetzte. Weitere Forderungen Felbers sind die Verlagerung der Welthandelskompetenz von der World Trade Organisation (WTO) in die UNO, ein System für den weltweiten Ausgleich von Handelsbilanzen – und vieles, vieles mehr. All das weist facettenreiche Ideen auf und ist kenntnisreich und spannend dargelegt. Das Schlusskapitel befasst sich mit der Demokratiefrage: Wie sollen die Ideen zivilgesellschaftlich weiterentwickelt, wie in die Gesellschaft und schließlich zur Umsetzung gebracht werden? Für mich ist »Ethischer Welthandel« auch ein Lehrbuch zur Weltwirtschaftspolitik, in dem ich immer wieder nachblättern werde. Dem Buch sind Übersetzungen in viele Sprachen zu wünschen.
Ethischer Welthandel Alternativen zu TTIP, WTO & Co. Christian Felber Deuticke, 2017, 224 Seiten 18,00 Euro