Buchtipps

Der Geschmack von Laub und Erde (Buchbesprechung)

von Matthias Fersterer, erschienen in Ausgabe #44/2017
Photo

Als ich auf Charles Fosters Buch »Der Geschmack von Laub und Erde« – im Original treffender »Being a Beast« – gestoßen war, fühlte ich mich unweigerlich an das wunderbar poetische, tiefgründige Interview »Manchmal bin ich noch Hirsch« (Oya Ausgabe 15) mit Petrus Akkordeon, Berliner Künstler, Gärtner und Paarhufer auf Zeit, erinnert. Wie dieser nähert sich der britische Veterinär­mediziner, Jurist, Philosoph und Tierfreund der Lebenswirklichkeit mehr-als-menschlicher Mitgeschöpfe an: Mit augenzwinkerndem Humor und einem ordentlichen Schuss Exzentrik schickt er sich an, als Dachs in walisischen Wäldern, als Otter im Exmoor-Nationalpark, als Rothirsch in den schottischen Highlands, als Großstadtfuchs in einem Londoner Szeneviertel und als Mauersegler zwischen Oxford, Frankreich und Westafrika zu leben. Das kann freilich nicht gutgehen, ist jedoch alles andere als vergebens. Dass Foster bei seinen Selbstversuchen permanent an physische und mentale Grenzen stößt, scheint dabei von Anfang an mitgedacht. Dennoch ist es äußerst anregend und hoch­komisch, ihn auf seine Reisen zu den äußersten Rändern des Menschseins zu begleiten. So skurril und absurd diese Versuchsanordnungen zeitweise auch sein mögen – es verbergen sich dahinter dekolonisierende Impulse, die unser anthropozentrisch (den Menschen zum Maß aller Dinge erklärend) und anthropo­morphistisch (die Natur vermenschlichend) geprägtes Denken sichtbar machen: »Im Allgemeinen hieß Schreiben über die Natur, dass Menschen, die wie Kolonialherren durch die Welt stolzierten, schilderten, was sie aus 1,80 Meter Höhe sahen, oder dass Menschen so taten, als würden Tiere Kleider tragen«, schreibt Foster in der Einführung.
Seine Experimente enthalten somit auch tiefe Lektionen in Demut und artübergreifender Gleichwürdigkeit sowie die Einsicht, dass gerade das, was nicht menschengemacht ist, den Kern unserer Humanität birgt. In dieser Erkenntnis liegt ein Schlüssel für die Entwicklung von Zukunftsfähigkeit.
 

Der Geschmack von Laub und Erde
Wie ich versuchte, als Tier zu leben.

Charles Foster
Malik, 2016
288 Seiten
20 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #44

Photo
von Peter Krause-Keusemann

Politik der Zukunftsfähigkeit (Buchbesprechung)

Vor dem Hintergrund eines reichen Erfahrungswissens stellt Reinhard Loske in seinem sehr lesenswerten Buch »Politik der Zukunftsfähigkeit« die »Konturen einer Nachhaltigkeitswende« dar.Demografische Entwicklung und Umverteilung sind zwei der unübersehbaren

Photo
von Lara Mallien

Autorität und Macht

Es ist Bauwoche im Ökodorf Sieben Linden. Morgens trifft sich der Kreis der Freiwilligen, Aufgaben werden verteilt. Noch vor dem ersten Handgriff werden alle in der Runde ermutigt, im Lauf des Tags für sich selbst einzustehen, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder wenn sie –

Photo
von Fabian Müller

Tribe (Buchbesprechung)

Über die negativen Folgen individualisierter Gesellschaften ist bereits viel geschrieben worden. Auch der US-amerikanische Bestsellerautor und Journalist Sebastian Junger geht in seinem neuen Buch »Tribe« auf diese Thematik ein. Er stellt der modernen Gesellschaft das Konzept des

Ausgabe #44
Wachsen auf Sediment

Cover OYA-Ausgabe 44
Neuigkeiten aus der Redaktion