Blumenfrau
Im Marktviertel Chala der südindischen Stadt Thiruvananthapuram bieten Händlerinnen und Händler ihre Waren in kleinen Läden und Ständen an. Eine der Gassen heißt übersetzt »Blumenstraße«, weil hier die Blumenhändlerinnen leben und
Im Frühjahr 2004 gingen mein Kumpel Ed Stevens und ich auf die Walz. Unser Plan: nicht per Anhalter fahren, viel draußen übernachten und nach Möglichkeit von den Gaben der Natur leben – ganz schön ambitioniert für zwei unerfahrene Wanderanfänger um die zwanzig!
Mit dem Singen fingen wir an, als unsere Reisekasse leer war. Fünfzehn Jahre zuvor war mir das Singen im Chor ausgetrieben worden. Doch vor die Wahl gestellt, zu singen oder zurück nach Hause zu gehen, überwand ich meine Scheu. Wir sangen a cappella die einzigen drei Folksongs, die wir kannten – und siehe da, wir wurden reich belohnt: mit Münzen, Komplimenten, Übernachtungsangeboten – und neuen Songs. Und schon hatte sich unser Repertoire verdoppelt.
Seitdem gingen wir regelmäßig auf Wanderschaft. Oft waren wir Monate unterwegs, manchmal von Eds Bruder Ginger, meist von meiner Hündin Holly begleitet. Wir sangen alte regionale Songs über Sex, Tod und Landwirtschaft – und zwar immer die Lieder, die sich am jeweiligen Ort intuitiv am stimmigsten anfühlten. Oft haben wir uns vergriffen. Wenn wir dann aber den richtigen Song am richtigen Ort anstimmten, spürten wir große Harmonie und Einklang.
Straßenmusik ist ideal, um mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen und alte Songs an ihren Ursprungsorten auszuwildern. Traditionelles Liedgut ist – ähnlich wie indigene Mantras – Gebet, Andacht, Zauberspruch in einem. Einmal wurde uns ein Plattenvertrag von einem großen Musikverlag angeboten. Wir lehnten ab, weil wir »Greensleeves« und andere Lieder, die nichts mit uns zu tun haben, hätten aufnehmen sollen. Unsere Songauswahl ist mir manchmal selbst ein Rätsel, aber sie ist nicht beliebig. Spenden sind willkommen, aber wir sind nicht käuflich!
Dann gründeten Ed und Ginger Familien und wurden sesshaft. Ich hingegen begann, mit Guy Hayward zu wandern, der sich fürs Pilgern interessierte. Unsere erste Reise führte uns zur Quelle eines Songs. Wir übten das Lied auf dem sechstägigen Fußmarsch ein. Es handelt von einem Unglück an der Hartlake-Brücke über den Medway in der Grafschaft Kent. 1852 waren dort 37 Hopfenpflücker beim Einsturz einer maroden Brücke ertrunken. Es ist ein heimlicher Protestsong gegen die unbehelligt gebliebenen Brückeneigner.
Als wir das Mahnmal erreichten, fanden wir zwei Besucher vor, die sich als direkte Nachfahren zweier Opfer erwiesen. Sie waren zum ersten Mal am Unglücksort und kannten den Song nicht. Wir brachten ihn also nicht nur zu seinem Ursprungsort, sondern auch zu seiner Ahnenreihe zurück – was für eine Synchronizität! Mir wurde bewusst, wie beim Pilgern durch Fokussierung von Bewusstsein und Route ein viel dichteres Feld als beim bloßen Umherschweifen entsteht.
2014 gründeten Guy und ich den »British Pilgrimage Trust«. Pilgern heißt für uns, sich auf je individuelle Weise mit alter Tradition zu verbinden. Es ist nicht an bestimmte religiöse Systeme oder an große, bekannte Routen wie den Jakobsweg gebunden. Jeder Weg mit einem Ziel, das Gefühle von Ganzheit und Heilung vermittelt (die Wortwurzel von »heilig«), ist dazu geeignet. Bei unseren Reisen suchen wir heilige Orte in der Landschaft auf, wie Quell- und Mündungsgebiete, Baumriesen, Megalithstätten und jüngere kulturelle Sedimentschichten wie Kirchen, Kapellen, Kathedralen.
Unser Hauptprojekt ist derzeit die Restaurierung eines langen Fußpfads, den wir unlängst auf der ältesten britischen Landkarte entdeckt haben. Es ist eindeutig ein Pilgerweg, weil es der einzige darauf verzeichnete Weg nach Canterbury ist. Die Wiederentdeckung dieses »Old Way« samt seiner Landschaften und des Aufbaus von Pilgerherbergen in alten Kirchen, ist eine wunderbare Aufgabe.
Ed lebt heute in Frankreich. Immer wenn er zu Besuch kommt, singen wir gemeinsam. Ginger wohnt gleich um die Ecke und passt gerade auf Holly auf. Obwohl jeder auf seiner eigenen Lebensreise unterwegs ist, fühlen wir uns als Teil eines nicht enden wollenden Songs!
Will Parsons ist Wandersmann, Barde, Musik- und Landschaftsethnologe sowie Direktor des British Pilgrim Trust. www.britishpilgrimage.org
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Ich bin in Lüchow mitten im Wendland geboren. Meine Vorfahren stammen von hier. Als Kind – ich hatte gerade erst Schreiben gelernt – habe ich mir Notizen gemacht, wenn mir die alten Leute von den Sagen und Bräuchen erzählten. Diese Geschichten, die es nur aus den
Am Vorabend hatten wir uns die Köpfe heiß geredet. »Bäume sind Lebewesen, sie können mehrere hundert Jahre alt werden – wir dürfen nicht riskieren, dass sie wieder herausgerissen werden!«, meinten die einen. »Das wird schon nicht passieren, wir