Der Sammelband »Gewalt im beruflichen Alltag«, herausgegeben von Utta Isop, enthält rund 20 Beiträge zu Hierarchie, Ab- und Aufwertungen in Organisationen und Institutionen. Auf 246 Seiten demonstrieren Wissenschaftlerinnen, Lehrer, Arbeiterinnen, Geflüchtete und Journalistinnen teils eigene und sehr persönliche Geschichten von Gewalt und Diskriminierung, aber auch literarisch-fiktive Auseinandersetzungen mit Hierarchien sowie Arbeiten zu politischen, soziologischen und psychologischen Theorien. So wird zum Beispiel institutionelle Gewalt gegen Frauen in der Demokratischen Republik Kongo thematisiert, die Kündigung einer Transgender-Person, individuelle sado-masochistische Lust anhand des Romans »Fifty Shades of Grey«, Sigmund Freuds Prinzip der Mordlust oder auch das Mobbing gegen eine Sozialpädagogin in einem Krisenzentrum. Hierarchien werden im Buch durch Herrschaftsverhältnisse erklärt, wobei davor gewarnt wird, nur eine Herrschaftsstruktur – etwa die selten alleine wirkende Kapitalmaximierung – zu berücksichtigen. Der Herausgeberin zufolge sollten der jeweilige Kontext und wechselseitige Abhängigkeiten ebenso ausschlaggebend für jede Untersuchung von Gewalt sein. Jeder Beitrag im Buch wird durch eine Zusammenfassung von Utta Isop eingeleitet. Die Philosophin, Aktivistin und Geschlechterforscherin vertritt die Ansicht, dass Gesellschaften durch Gewalt, Hierarchien, Auf- und Abwertungen sowie Ein- und Ausschlüsse in ihrem Zusammenhalt bedroht werden und auch insgesamt kränker sind als egalitäre Gesellschaften. Untersetzt wird diese Aussage mit Forschungen von Epidemiologen, die subjektive Kränkungen und Stress vor allem auf Konkurrenz und Vergleich zurückführen. Begünstigt wird dies auf gesamtgesellschaftlicher Ebene durch Einkommenshierarchie- oder Status-Stufen. Der im Buch verwendete Gewaltbegriff wird recht weit und abstrakt definiert: Gewalt beginnt demnach bereits dort, wo Menschen oder Menschengruppen sich gegenseitig auf- oder abwerten bzw. im Verhältnis zueinander auf- oder abgewertet werden. Doch wie soll so etwas verhindert werden, wo Normen existieren? Normen entstehen schließlich in allen Sozialgruppen. An dieser Stelle meint Isop, dass Differenzen – also Normdifferenzen – von formaler Hierarchie zu unterscheiden seien und auch hierarchiefrei sein können. Das jedoch erfordert ein gewaltiges gesellschaftliches Umdenken, wenn es etwa um Migration, Integration, Inklusion oder Frauen in Führungspositionen geht. Außerdem kann hinterfragt werden, ob an hierarchiefreien Arbeitsplätzen tatsächlich keinerlei Auf- und Abwertung und Statusfragen auftreten. Interessant wäre ein Beitrag im Buch, der diese »Gegenseite«, also einen hierarchiefreien Betrieb, untersucht hätte. Insgesamt bietet der Sammelband einen breiten Einblick in vor allem alltägliche Arbeitswelten; er macht seine Leserinnen und Leser darauf aufmerksam, wie omnipräsent Gewaltstrukturen am Arbeitsplatz in demokratisch-liberalen Staaten sind.
Gewalt im beruflichen Alltag Wie Hierarchien, Einschlüsse und Ausschlüsse wirken. Isop, Utta (Hg.) Verein zur Förderung der sozialpolitischen Arbeit, 2017, 246 Seiten ISBN 978-3945959091 18,00 Euro