Margaret Mead sagte einst: »Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe von nachdenklichen, engagierten Bürgern die Welt verändern kann. Es ist sogar das einzige, was sie je verändert hat.« Der Naturpark Weserbergland erstreckt sich über die Landkreise Hameln-Pyrmont und Schaumburg. Der Weserstrom, die weit ausgreifenden Mittelgebirge mit ausgedehnten Wäldern auf ihren Rücken bilden an den Abbruchkanten des Kalkgesteins oft bizarre Formen und sind der Schatz unserer Region. In vorchristlicher Zeit kamen die norddeutschen Stämme am Hohenstein im Süntel einmal jährlich zusammen, um ihre Angelegenheiten zu beraten und ihre Gottheiten zu ehren. Kurz vor dem Jahr 800 erlitten die Truppen Karls des Großen auf dem Dachtelfeld im Süntel eine vernichtende Niederlage durch die Sachsen. »Blutbach« lautet bis heute der Name des hier mäandernden Gewässers. Genau dort, mitten in den geschützten Bergen des Süntels, befindet sich ein alter Steinbruch, in dem seit hundert Jahren Kalkgestein abgebaut wird; er frisst sich weiter durchs Gelände mit riesigen Kratern. Doppelt so groß soll das Loch durch weiteren, gerade genehmigten Abbau werden – die Existenz von einmaligen Vorkommen von Moosen und Flechten wie auch anderer wunderbarer Natur gefährdend. Schon zweimal hat die Abbaufirma in der Nachbarschaft viel tiefer und steiler abgebaut als erlaubt – mit der Folge eines riesigen Bergsturzes. Passiert so etwas hier, mitten im ehemals heiligen Gebiet, haben die Flechten nicht mehr das Kleinklima, das sie benötigen – diese Möglichkeit wird vom Gewerbeaufsichtsamt Hannover eingeräumt, und trotzdem erteilt es die Genehmigung. »Weil wir ja schon viel investiert haben, müssen sich diese Investitionen auch lohnen«, sagt der Steinbruchbetreiber. »Wo kämen wir hin, wenn wir die Pufferzonen zu den Naturschutzgebieten berücksichtigen würden, dann könnten wir ja gar nicht mehr wirtschaftlich arbeiten«, höhnte der Professor, der die Abbruch AG vertritt. Täglich wird gesprengt, im nahen Dörfchen Langenfeld klirren die Gläser im Schrank. Einige Felder in Richtung Dorf sind auch schon aufgekauft – geht es so weiter, könnte es in absehbarer Zeit kein Langenfeld mehr geben. Eine streitbare ehemalige Montessori-Lehrerin zog mit ihrer nicht minder streitbaren Tochter nach Langenfeld – und gründete mit den Dörflern eine Bürgerinitiative. Dieser traten auch Schäfer Christian und ich bei. Ein Verein wurde gegründet. Der erste Protestmarsch mit über 70 Menschen umrundete an einem Sonntagnachmittag das Gelände; so ein Spaziergang soll nun zur Tradition werden. Die Lokalpresse berichtete, das Radio auch. Wir starteten eine Internetplattform, sammelten über 11 000 Unterschriften über Campact und werden diese bald dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies übergeben. Wir schrieben dem Landrat, reichten unseren Widerspruch gegen die Genehmigung ein. Die örtliche NABU-Gruppe unterstützt uns nicht. Sie unterhält mit dem Betreiberunternehmen ein Gelbbauchunken-Projekt am Grund des Steinbruchs und will so verhindern, dass die großen Krater später mit Bauschutt verfüllt werden. Demnächst ist unsere erste Vereinssitzung nach der Gründung. Wahrscheinlich werden wir klagen müssen. Viele Mitglieder sind ängstlich – werden wir sie überzeugen können? Der zweite Brennpunkt: eine 65 Hektar große Hangfläche in Hameln, unterhalb des Walds, gesäumt von mit Eichen bestandenen Kerbtälern, zum Wald hin eine alte große Streuobstwiese, seit über 100 Jahren militärisches Übungsgelände, nie gedüngt. Mit seltenem und streng geschütztem Magerrasen, bewohnt von Schwarzspecht, Grünspecht, Lerche und Rotmilan, von Kreuzkröte und Kreuzotter, Blindschleiche und Zauneidechse. Fünf verschiedene Fledermausarten ziehen an Sommerabenden hier ihre zackigen Bahnen, Zwergfledermäuse jagen sich hier zur Balzzeit. Eine wunderbare Sicht auf die Stadt belohnt den Besucher – und weckt Begierden: Ausgerechnet ein grüner Stadtbaurat will hier 50 Villen für Wohlhabende errichten – mittendrin, da wo die Aussicht gut ist! Christian, der Schäfer, betreut hier 150 Schafe und 30 Ziegen. Seine Tiere halten das Gelände frei von Verbuschung; nur so kann die einzigartige Flora und Fauna erhalten werden. Der Wald darüber gehörte früher auch dem Militär; inzwischen ist es ein Naturerbewald, der auf unser Betreiben hin von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt fachmännisch verwaltet wird. Auch das mit alten Hute-Eichen bestandene Kerbtal und die Streuobstwiese gehören dazu. Nun kämpfen wir um die großen freien Flächen: Wir scheiterten vor den Verwaltungsgerichten und wenden uns nun an den Europäischen Gerichtshof, wollen »Die Grünen« für eine kleine Anfrage im Bundestag gewinnen und wandten uns, ermutigt durch die grandiose Umweltenzyklika »Laudato si« an Papst Franziskus. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kündigte Christian den Pachtvertrag, der Ortsverband und die Ratsfraktion der Grünen stellen sich hinter uns. Drückt uns die Daumen!
Rainer Sagawe steuerte seine Erfahrungen im Humusaufbau in »Futter für die Herde unter der Erde« in Ausgabe 26, »Landwende«, bei.