Buchtipps

Die grüne Lüge (Buch- und Filmbesprechung)

von Elisabeth Voß, erschienen in Ausgabe #48/2018
Photo

Mit ihrem neuen Buch »Die grüne Lüge« deckt Kathrin Hartmann auf, wie Unternehmen behaupten, die Welt zu retten, obwohl sie Menschen und Natur schwerste Schäden zufügen und damit Millionengewinne einstreichen. Zum Beispiel, wenn Nestlé überteuerte Nespresso-Kapseln aus angeblich nachhaltigem Aluminium als Entwicklungshilfe für die Kaffeebauern und -bäuerinnen bewirbt, oder wenn die »Mutter des Greenwashing«, der Öl-Multi BP, sich nach der Explosion seiner Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko mit einer millio­nenschweren Werbekampagne als verantwortlicher Retter präsentiert und sich später dafür lobt, keine bleibenden Schäden hinterlassen zu haben. Dabei liegt die regionale Fischerei am Boden, zigtausende Menschen sind arbeitslos und schwer erkrankt, weil der Konzern mit dem Gift Corexin, das er auf das Öl und auf die Menschen in den Reinigungsbooten sprühte, alles nur noch schlimmer machte.
Modeunternehmen wie G-Star, Adidas oder H&M fertigen schicke Kleidung aus recyceltem Plastik, das aus dem Meer gefischt wird, und behaupten damit gleich noch, die umweltzerstörende Herstellung von Baumwolle einzuschränken. Bei so viel Weltrettung gerät der vollkommen überdrehte Konsum mit der dahinterstehenden Massenproduktion von Kleidung aus dem Blick, ebenso wie die Arbeitsbedingungen derjenigen, die diese in Bangladesch und anderswo unter oft lebensgefährlichen Bedingungen herstellen. Kathrin Hartmann entlarvt auch das »Cradle-to-Cradle«-Prinzip, das einen Konsum ohne Reue verspricht – mit essbaren Bezügen für Flugzeugsitze würde jedoch das Fliegen nicht ökologisch verträglich. Kompostierbare Kleidung aus nicht mehr verwendbarer Milch ändere nichts an der quälerischen Massentierhaltung und an der Zerstörung von Regenwäldern für den Anbau von Viehfutter.
Die »Konsumentendemokratie« suggeriert, durch ethischen Konsum individuell etwas Gutes bewirken zu können. »Das Elend wird zur Ware«, wenn etwa im Berliner Start-up »Mimycri« Geflüchtete aus Schlauchbooten Designertaschen fertigen.
Bereits in ihrem letzten Buch »Aus kontrolliertem Raubbau« (siehe Oya 35) hat die Autorin die Palmölindustrie kritisiert. Palmöl ist in jedem zweiten Supermarktprodukt zu finden. Mit seinen freiwilligen Selbstverpflichtungen verhindere der »Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl« (RSPO) weder die Zerstörung von Regenwald noch die ausbeuterische Kinder- und Zwangsarbeit auf den Plantagen. Mitinitiiert wurde RSPO vom WWF, der sein Erfolgskonzept der Runden Tische auf weitere Bereiche wie Forstwirtschaft, Fischerei, Rindfleisch, Soja, Baumwolle etc. ausgedehnt hat – alles auf der Basis eines freiwilligen »Nachhaltigkeits«-Engagements der beteiligten Unternehmen.
Filmemacher Werner Boote (»Plastic Planet«) ist mit Kathrin Hartmann an von Konzernen ökologisch und/oder sozial verwüstete Orte gereist, und so macht der Film sichtbar, was im Buch beschrieben ist. Da bleibt nichts vom Glauben, die Welt sei ganz einfach zu retten, wenn nur alle die richtigen Produkte kaufen würden.
Trotzdem ist das Kaufverhalten nicht egal. Es empfiehlt sich, Überflüssiges oder Schädliches wegzulassen. Vor allem aber gilt es, sich gemeinsam mit anderen politisch und in Projekten solidarischen Wirtschaftens zu engagieren.


Die grüne Lüge 
Weltrettung als profitables Geschäftsmodell.
Kathrin Hartmann
Blessing, 2018, 240 Seiten 

ISBN 978-3896676092
15,00 EUR

W. Boote, K. Hartmann: Die Grüne Lüge (Film)
In deutschen Kinos seit dem 22. März 2018. 

Film-Homepage: www.thegreenlie.at

weitere Artikel aus Ausgabe #48

Photo
von Jochen Schilk

Geht doch! (Buchbesprechung)

Schon seit dem Jahr 1987 ist die im oekom-Verlag erscheinende Zeitschrift »politische ökologie« ein wichtiges Forum für auf dem Feld der Nachhaltigkeit tätige Wissenschaftlerinnen und Aktivisten. Die Ausgaben haben die Form von handlichen DIN-A5-Büchlein und widmen

Photo
von Matthias Fellner

Ein Haufen Arbeit

An einem windigen Novembertag stehe ich mit zwei weiteren Mitgliedern der Klein Jasedower Gemeinschaft auf dem Misthaufen unseres Nachbarn. Einmal im Jahr bringen wir den Dung der Nachbarschafe zu unserem Gemüsegarten. Mit den Mist­gabeln stochern wir in dem Gemisch aus tierischem Kompost

Photo
von Ute Scheub

Der Mußenkuss

Auch wenn sich der Großteil der Menschheit von der Industrie­gesellschaft ein angenehmes Leben verspricht – erfüllt hat sich dieses Wunschdenken nicht. Es ist inzwischen an der Tagesordnung, dass Menschen sich tief in den Feiertag hineinarbeiten; sie müssen im gleichen

Ausgabe #48
Was tun?

Cover OYA-Ausgabe 48
Neuigkeiten aus der Redaktion