Mit ihrem neuen Buch »Die grüne Lüge« deckt Kathrin Hartmann auf, wie Unternehmen behaupten, die Welt zu retten, obwohl sie Menschen und Natur schwerste Schäden zufügen und damit Millionengewinne einstreichen. Zum Beispiel, wenn Nestlé überteuerte Nespresso-Kapseln aus angeblich nachhaltigem Aluminium als Entwicklungshilfe für die Kaffeebauern und -bäuerinnen bewirbt, oder wenn die »Mutter des Greenwashing«, der Öl-Multi BP, sich nach der Explosion seiner Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko mit einer millionenschweren Werbekampagne als verantwortlicher Retter präsentiert und sich später dafür lobt, keine bleibenden Schäden hinterlassen zu haben. Dabei liegt die regionale Fischerei am Boden, zigtausende Menschen sind arbeitslos und schwer erkrankt, weil der Konzern mit dem Gift Corexin, das er auf das Öl und auf die Menschen in den Reinigungsbooten sprühte, alles nur noch schlimmer machte. Modeunternehmen wie G-Star, Adidas oder H&M fertigen schicke Kleidung aus recyceltem Plastik, das aus dem Meer gefischt wird, und behaupten damit gleich noch, die umweltzerstörende Herstellung von Baumwolle einzuschränken. Bei so viel Weltrettung gerät der vollkommen überdrehte Konsum mit der dahinterstehenden Massenproduktion von Kleidung aus dem Blick, ebenso wie die Arbeitsbedingungen derjenigen, die diese in Bangladesch und anderswo unter oft lebensgefährlichen Bedingungen herstellen. Kathrin Hartmann entlarvt auch das »Cradle-to-Cradle«-Prinzip, das einen Konsum ohne Reue verspricht – mit essbaren Bezügen für Flugzeugsitze würde jedoch das Fliegen nicht ökologisch verträglich. Kompostierbare Kleidung aus nicht mehr verwendbarer Milch ändere nichts an der quälerischen Massentierhaltung und an der Zerstörung von Regenwäldern für den Anbau von Viehfutter. Die »Konsumentendemokratie« suggeriert, durch ethischen Konsum individuell etwas Gutes bewirken zu können. »Das Elend wird zur Ware«, wenn etwa im Berliner Start-up »Mimycri« Geflüchtete aus Schlauchbooten Designertaschen fertigen. Bereits in ihrem letzten Buch »Aus kontrolliertem Raubbau« (siehe Oya 35) hat die Autorin die Palmölindustrie kritisiert. Palmöl ist in jedem zweiten Supermarktprodukt zu finden. Mit seinen freiwilligen Selbstverpflichtungen verhindere der »Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl« (RSPO) weder die Zerstörung von Regenwald noch die ausbeuterische Kinder- und Zwangsarbeit auf den Plantagen. Mitinitiiert wurde RSPO vom WWF, der sein Erfolgskonzept der Runden Tische auf weitere Bereiche wie Forstwirtschaft, Fischerei, Rindfleisch, Soja, Baumwolle etc. ausgedehnt hat – alles auf der Basis eines freiwilligen »Nachhaltigkeits«-Engagements der beteiligten Unternehmen. Filmemacher Werner Boote (»Plastic Planet«) ist mit Kathrin Hartmann an von Konzernen ökologisch und/oder sozial verwüstete Orte gereist, und so macht der Film sichtbar, was im Buch beschrieben ist. Da bleibt nichts vom Glauben, die Welt sei ganz einfach zu retten, wenn nur alle die richtigen Produkte kaufen würden. Trotzdem ist das Kaufverhalten nicht egal. Es empfiehlt sich, Überflüssiges oder Schädliches wegzulassen. Vor allem aber gilt es, sich gemeinsam mit anderen politisch und in Projekten solidarischen Wirtschaftens zu engagieren.
Die grüne Lüge Weltrettung als profitables Geschäftsmodell. Kathrin Hartmann Blessing, 2018, 240 Seiten ISBN 978-3896676092 15,00 EUR
W. Boote, K. Hartmann: Die Grüne Lüge (Film) In deutschen Kinos seit dem 22. März 2018. Film-Homepage: www.thegreenlie.at