Titelthema

Von Herzen

Wie es zu dem Artikelreigen in diesem Heft kam.von Oya – Redaktion, erschienen in Ausgabe #49/2018
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© Les Jeunes Écologistes Bordeaux-Aquitaine

Wenn es so weitergeht, wird in zehneinhalb Jahren die hundertste Oya-Ausgabe erschienen sein. Wie wird es dann wohl in der Welt aussehen? Das schöne Produkt von siebenmal sieben haben wir in dieser Ausgabe zum Anlass für ein Spiel mit Gegenwart und Zukunft genommen.
Wir haben tief im Archiv gegraben, sogar bis zur Vorgängerin von Oya, der Zeitung »KursKontakte«, sind wir vorgedrungen. Mitglieder im Redaktionskreis machten sich auf die Suche nach ­Texten und Fotos, die für sie persönlich Herzensanliegen verkörpern. Das »Archiv« waren für uns nicht nur die bereits erschienenen Hefte, sondern darin saßen auch noch nicht verwirklichte oder bislang unveröffentlichte Artikelgestalten auf der Wartebank. Aber was sollte aus diesem reichen Textkompost nun wachsen? Wir vereinbarten eine Spielregel: Jede und jeder aus dem Redaktionsteam wählt einen oder mehrere Lieblingsartikel aus der Vergangenheit aus, aktualisiert oder ergänzt sie gegebenenfalls oder setzt etwas um, das immer schon auf der eigenen Wunschliste stand. Wir hofften: Wenn wir Texte auswählten, die uns persönlich ganz nahe sind, vielleicht sogar unser Leben verändert haben, würden zumindest einige davon auch in besonderer Resonanz mit unserer Leserschaft stehen. Anders als bei Jubiläen üblich, suchten wir nicht ausdrücklich nach den Glanzlichtern, nicht »das Beste aus …«, sondern trafen eine intuitive, subjektive, persönliche Auswahl. Oya widmet sich gesellschaftlichen Randthemen – so ist es nur naheliegend, dass wir auch in dieser Ausgabe unser Augenmerk aufs Randständige richten. In kurzen Einführungen erzählen diejenigen, die sich für den Text entschieden haben, warum sie ihn als jubiläumswürdig erachten.
Das Ergebnis dieses Spiels hat uns erstaunt. Zur Regel gehörte, dass ein Veto gegen einen vorgeschlagenen Text sehr gut begründet sein musste, ansonsten trafen alle eigenständig ihre Wahl – was uns zuweilen herausforderte: »Was, das ist dein Lieblingstext? Den hätte ich sicherlich nicht gewählt!«
Welche Fragen stellen sich uns – zehn, zwanzig, dreißig Jahre nachdem ein Text entstanden war? Welche Kontroversen löst er heute aus? Wir beschlossen, diese Auseinandersetzung in Kommentaren sichtbar zu machen. Womöglich entspinnen sich daraus weitere Diskussionen. Wir freuen uns über Ihre und eure Beiträge an: mitdenken@oya-online.de.

Bei aller Vielstimmigkeit entdeckten wir auch Synchronizitäten und so etwas wie einen gemeinsamen roten Faden: Die Themen »Verwandlung« auf biografischer, gesellschaftlicher und individueller Ebene und das »Natur-Sein« des Menschen, aus dem Inspiration für überraschende Wendungen von aussichtslos erscheinenden Situationen geschöpft werden kann, ließen einige von uns an Shakespeares »Sommernachtstraum« denken.
Sehen wir einmal ab von allem anderen, das nicht so ist, dann ist der Sommer vor allem ein Spiel. Wir laden Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein, in diesem Heft zu schmökern und sich in den Sommer hineinzuträumen. Ihnen wird ein Reigen von Mensch-Natur-Verwandlungen und dramatischen Irrungen und Wirrungen begegnen, die sich tänzerisch und mitunter wie von Zauberhand in Wohlgefallen auflösen. Sie werden es mit einer Naturwesen-Forscherin, mit einem Meer aus rot- und goldglänzenden Leibern, mit gewundenen Lebenswegen und Orten, die wieder verschwinden und anderswo neue Gestalt annehmen, zu tun haben. Wir betrachteten die Sprache und ihre gesellschaft­liche Verwandlungskraft ebenso wie transformativen, gewaltfreien Widerstand. Diese Ausgabe ist auch ein wenig verrückt geraten – so verrückt wie die Dinge, die der Sommer hervorbringt: zum ersten Mal in einen unbekannten See springen, im Schatten eines hundertjährigen Walnussbaums sitzen, mit den Kindern Kirschen pflücken, literweise Holunderblütenbrause trinken, den Kopf voller schwüler Gewitterwärme, unfähig, klar zu denken. Derweil übertrifft ein Klimarekord den nächsten – Überschwemmungen dort, ausgedörrte Felder hier.
Was macht für Sie den Zauber dieses Sommers aus? Welche Beobachtungen der Gegenwart erschrecken Sie? Was sind Ihre Wiederentdeckungen? In welche erstaunlichen Verwandlungen wagen Sie sich selbst hinein – so wie die Kinder im Spiel? Das Spiel ist kein schmückendes Beiwerk, sondern Ausdruck von ganzem Menschsein in einer mehr-als-menschlichen Welt. Darin spüren wir, dass wir gemeinsam mit den Steinen, Böden, Pflanzen, Tieren und Landschaften ein Teil des großen planetaren Haushalts sind. Spielen Sie mit – es geht ums Ganze!

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