Die großformatigen Porträts dieser Ausgabe entstanden bei einem besonderen Ereignis und sollen nun auf Wanderschaft gehen.von Lara Mallien, Helen Britt, Charlotte Selker, erschienen in Ausgabe #54/2019
In der Gemeinschaft Sulzbrunn im Allgäu trafen sich vom 15. bis zum 19. Mai rund 200 Menschen anlässlich des Symposiums »Rebell*innen des Friedens«, das Geseko von Lüpke initiiert hatte. Im Fokus stand die Verbindung von innerem und äußerem Wandel hin zu einer nicht-ausbeuterischen, enkeltauglichen Lebensweise, für die vor ein paar Jahren der Ausdruck »Sacred Activism« geprägt wurde. Der »heilige« Aktivismus lädt Menschen ein, aus einem Gefühl der Verbundenheit heraus in der Welt zu wirken. Die vier Tage des Symposiums folgten der Struktur der tiefenökologischen Schritte »Dankbarkeit«, »Anerkennen des Schmerzes«, »Die neue (alte) Geschichte« und »Dem Neuen entgegengehen«. Aus Vorträgen zur Philosophie des Wandels, Workshops zu Naturerfahrung und Räumen fürs Geschichtenerzählen webten sich im Lauf der vier Tage scheinbar sehr verschiedenartige Fäden zunehmend zusammen. Beispielsweise fanden am letzten Tag zum Abschluss sowohl ein Kreistanz als auch ein Aktionsplenum zu konkreten Schritten statt. Alle Anwesenden waren immer wieder eingeladen, ihre Gedanken und Gefühle zu teilen. Dadurch erhielten auch Themen Raum, die in der Planung nicht so sehr im Vordergrund standen, wie »eine konkrete, alternative Ökonomie«, »strukurelle Gewalt«, »Kämpfe junger Menschen«, aber auch »der Dialog zwischen verschiedenen Generationen von Aktivistinnen und Aktivisten«. Nach dem Motto »Es gibt keine Revolution ohne die Unterdrückten« erreichte das Symposium eine tiefe, globale Dimension, als Maya Sasson und Mai Shaheen aus Israel/Palästina sprachen oder der Lakota Tiokasin Ghosthorse eindringlich und beruhigend betonte: »Mutter Erde hat auf jeden Fall eine Aufgabe für dich.«
Eine Ausstellung entsteht Eine Reihe junger Leute hatte die Vorbereitungen und den Ablauf des Symposiums tatkräftig unterstützt. Mit dabei war auch eine Gruppe von Alumni der »Wanderuni«, die in der Gemeinschaft Sulzbrunn ihre Winterzeit verbracht hatte. Zu ihr gehörte der Fotograf Manoel Eisenbacher, hier mit einem Selbstporträt abgebildet. Er hatte den Wunsch, etwas von der Veranstaltung im Bild festzuhalten, aber nicht auf die übliche, dokumentatorische, sondern auf eine persönlichere Weise: durch Porträtfotos der Menschen, die das Symposium maßgeblich prägten. Ihn bewegte es, wie viele Pionierinnen und Pioniere, in deren Gesichtern jahrzehntelange Erfahrung bei ihrem Einsatz für eine »gute« Welt zu lesen ist, und engagierte Menschen jeden Alters – auch ganz junge Leute – anwesend waren. Er beschloss, die Schönheit dieser Gesichter einzufangen. Die Idee einer Ausstellung mit »Gesichtern des Wandels« begann sich zu formieren (siehe Seite 67), nicht zuletzt angeregt durch eine Ausstellung mit mehreren Gedichtinstallationen von seinem Freund Pierre Lischke, die während des Symposiums gezeigt wurde. In den Pausen bat Manoel insgesamt 32 Menschen in sein improvisiertes Fotostudio im Dachgeschoß des Veranstaltungsgebäudes. Manchmal waren es nur wenige Minuten, in denen eine Aufnahme entstand, manchmal tauschte er sich mit seinem Gegenüber eine Weile lang über alle Fragen, die das Symposium in ihnen aufwarf, aus: Können wir die Dringlichkeit der ökologischen Krise anerkennen, ohne auszubrennen oder den Mut zu verlieren? Wie können Praktiken zur Rückverbindung mit einem Gefühl für das Heilige dieser Welt und praktische Widerstandsaktionen einander ergänzen und zusammenstehen? Manoel dachte immer wieder darüber nach, ob und wie Fotografie ein fruchtbarer oder in irgendeiner Weise verhältnismäßiger Beitrag sein könnte angesichts der Abgründe, die sich weltweit in ökologischen und sozialen Katastrophen auftun. Nie zuvor hatte er diese Abgründe derart körperlich gespürt wie in den Begegnungen auf dem Sympsium. Eine Resonanz dieses Gefühls sollte sich in seinen Fotos wiederfinden. Keinesfalls sollten sie Personenkult fördern, es ging ihm um eine Würdigung. Nun wird eine Ausstellung mit den insgesamt 32 Porträts zusammen mit Pierre Lischkes Gedichten entstehen und auf Reisen zu Orten des Wandels gehen. Manoel freut sich, wenn es in der Oya-Leserschaft Menschen und Projekte gibt, die sie in ihren Räumlichkeiten zeigen wollen und die Patenschaften übernehmen, um die Anfertigung großformatiger Abzüge zu ermöglichen.