Ein Nachruf auf Wolfram Nolte von Katharina Philipp aus der Haslachhof-Gemeinschaft, in deren Kreis der ehemalige Oya-Redakteur zuletzt lebte – und starb.von Katharina Philipp, erschienen in Ausgabe #55/2019
Lieber Wolfram, ich lausche den Klängen des Liedes »Adieu Emile«, interpretiert von Charly Ehrenpreis, während ich versuche, ein paar Worte für – oder über? – dich zu schreiben.
Es scheint viel zu früh, die magische Geschichte, die es dann am Ende wirklich war, vollständig aufzuschreiben, so wie du es dir gewünscht hast. Noch bist du sehr anwesend hier, dein Bauwagen riecht noch nach dir, wir denken viel an dich. Erst kürzlich ist die dreijährige Frieda aufgewacht und meinte: »Mama, der Wolfram hatte uns alle soo lieb.«
Im Moment sind wir nur dankbar, dass du uns vor zweieinhalb Jahren gefragt hast, ob du zu uns kommen kannst mit deiner Krankheit – dass du uns eingeladen hast, mit dir auf deine letzte große Reise zu gehen. Wir sind ein gutes Stück gemeinsam gewachsen. Immer konnten wir dich besuchen kommen, immer warst du da für uns in unserer Gründungsphase der Gemeinschaft Haslachhof, hast uns und unsere Vielfalt geliebt. Deine Visions- und Ältestenkraft hat uns inspiriert und mit den weltweiten Netzwerken und der tiefen Bedeutung von einer Gemeinschaft des Herzens im großen Wandel verbunden.
Es war – aus verschiedenen Perspektiven – ein Geschenk, dich ganz nah in den letzten Tagen begleiten zu dürfen und deiner Einladung zu folgen. Du bist diesen Weg bis zum Ende würdevoll und aufrecht gegangen und hast uns Teil werden lassen von dir.
Es war für uns alle besonders, dich als gewachsene Gemeinschaft, die ein Ja zueinander hat, zu deiner letzten großen Schwelle zu begleiten. So starbst du in den Armen von Thorsten, der dich gepflegt hat und dir ein Anker war, in der Nacht auf seinen Geburtstag am 12. Juli – ein unglaublich intensiver Moment. Alle kamen wir zusammen, hingegeben an diesen innigen, zeitlosen Raum.
Es ist magisch, wenn sich eine solch große Seele wie deine vom Körper löst und losfliegt – in Frieden und Gemeinschaft.
Dein Ende auf der Erde war eine Liebesgeschichte – sehr rund und stimmig für uns, und für dich wohl auch. Ein Lächeln auf deinem Gesicht, selbst noch nach deinem Übergang.
»So wird vielleicht auch noch die Todesstunde / uns neuen Räumen jung entgegen senden / des Lebens Ruf an uns wird niemals enden!« (Hermann Hesse)
Du warst ein ewig Suchender und Fragender, aber auch ein Findender und Liebender. Überhaupt: die Liebe! Sie war dein letztes großes Thema, geradezu die Essenz deiner Suche. Bis zuletzt schriebst du an deinem »Aloha-Manifest für eine liebevolle Welt«. Dein ausgeprägter Möglichkeitssinn hielt uns an, utopisch zu denken und »das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist« (Robert Musil). Deine geistigen Partner waren dabei vor allem die Bücher, deine Freunde, gefüllt mit Möglichkeiten, die die Wirklichkeiten weit übersteigen.
Wir denken auch gerne an die Konfrontationen mit deinen für uns auch zuweilen herausfordernden Gedanken, an das Philosophieren. Wir sind dankbar für deinen Aufruf zu einem politischen und künstlerischen Blick, für deine Visionen von einer liebevolleren, gemeinschaftlicheren Welt, für deine Anbindung an die großen Netzwerke und andere Gemeinschaften, für deine Lebensfreude und dein aufrechtes und ehrliches Sein und Gehen bis zum Ende, immer deiner eigenen Spur folgend. Wir sind auch dankbar für das Närrische, das Augenzwinkern und deine vielen verrückten Hüte, deine Hutsammlung – für jeden Tag einen, so fanden wir dann – und fühlen uns weiterhin behütet und begleitet von dir.
Deinen großen Geist, die vielen Fragen, deinen Humor, das »dolce vita«, deine Leidenschaft fürs Utopische, für eine neue Kultur – wir werden dich vermissen, Wolfram! Mit Grüßen vom Haslachhof: Martina, Katharina, Thorsten, Xenia, Claudia, Julia, Jürgen, Vincent, Leonie, Knut und Anoush, Nojan, Rumil, Milan, Leloba und Frieda.