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Finanzcoop oder Revolution in Zeitlupe (Buchbesprechung)

von Julia Fuchte, erschienen in Ausgabe #56/2019
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»Die Idee ist gut, aber ich könnte das nicht.« So reagieren den Herausgeberinnen zufolge die meisten Menschen auf das Experiment, um das es im Buch »Finanzcoop oder Revolution in Zeitlupe« geht. Ebenso erging es mir – zumindest auf den zweiten Blick: Das Einkommen in einen gemeinsamen Topf einzuzahlen und dann nach den eigenen Bedürfnissen Geld zu entnehmen – schön und gut. Aber dann zwangsläufig regelmäßig eigene Lebensentwürfe und Bedürfnisse mit anderen verhandeln zu müssen – Wo und wie lange mache ich demnächst Urlaub? Muss ein Auto sein? Wie viel Technik »muss« ich haben? – das ging mir dann doch zu weit.
Das auf Anregung des Büchner-Verlags Marburg zum Jubiläum der »Finanzcooperative« (FC) – erschienene Buch lässt die Mitglieder des FC-Kollektivs zu Wort kommen, die eben das tun: Schon seit 20 Jahren teilen sie ihr Einkommen miteinander.
Die heutigen Mittvierziger haben erfahren, dass die romantischen Zweierbeziehungen, denen die meisten Menschen ihr Kapital anvertrauen, kommen und gehen. Die Finanzcoop bleibt. Sieben Frauen und Männer – darunter Ärztinnen, ein Vinyl-Techno-DJ, ein Musikpädagoge, Biomitgliederladen-Betreiber; Kinderlose und Menschen mit Kindern, betucht und von wenig privilegierter Herkunft, aus Ost- und Westdeutschland – haben ein gemeinsames Girokonto und alle Zugriff auf dieses Geld. Alle sechs Wochen treffen sie sich und planen Ausgaben sowie gemeinsame Abwicklungen; außerdem verbringen sie regelmäßig zusammen einen Sommerurlaub. Entstanden ist die Coop aus einem WG-Experiment in den Neunzigern, das sich verstetigt hat, obwohl die ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner alle längst in verschiedenen Städten leben, einige abgesprungen und andere dazugekommen sind. Ein harter Kern blieb. Sie nennen ihre FC auch liebevoll »Gang«, »Wahlfamilie«, »Ex- und Möchte-gern-wieder-WG«, »alternativlos«, »reflektiertes anything goes« oder auch »eine warme ­Jacke«. Vor allem ermöglicht die FC den Luxus, ein entspanntes Leben mit weniger Leistungsdruck und Existenzangst zu führen.
Im Buch porträtiert das Kollektiv sich selbst mit kurzen Infos zu den Mitgliedern, anhand von Erfahrungsberichten mit Themen wie »Herkunft« oder »Rente« sowie mit Protokollen von Tischgesprächen, einem klugen Nachwort der Künstlerin Bini Adamczak sowie mit Anschauungsmaterial, wie der »Kohlerundetabelle«, die monatliche Fixkosten und Einnahmen auflistet.
Das gibt einen guten Eindruck vom Charakter dieses erstaunlichen, aber irgendwie entspannten und bodenständigen Experiments, das selbstreflektiert und undogmatisch daherkommt. Die schlichten Bilder der Illustratorin Paula Bulling setzen im Buch zusätzlich Akzente.
Leider sind die vorderen Teile mit ihren etwas kryptischen Kapiteltiteln zeitweilig etwas lang; einige Erfahrungen, im Plauderton geteilt, wiederholen sich. Weitere Details zum Ablauf der FC-Wochenenden und Methoden zum Umgang mit Konflikten oder ähnliches wären spannend gewesen.
Natürlich kann das Buch die sich aufdrängende Frage »Könnte ich es vielleicht doch?« nicht abschließend beantworten  – das geht nur durch eigenes Ausprobieren. Wäre so etwas nicht einmal erfrischend anders? Statt Energie in die nächste Projektfinanzierung zu stecken, sich mit einer Handvoll Menschen Einkommen zu teilen und einen Ort zu schaffen, an dem man sich konstant über Bedürfnisse und die Bedingungen eines guten Lebens austauscht – ohne politische Agenda, sondern einfach, weil es wohltut und Zeit schenkt? Eine ganz allmählich ablaufende Revolution, die Menschen ihren eigenen Lebensrhythmus im System finden lässt.


Finanzcoop oder Revolution in Zeitlupe
Von Menschen, die ihr Geld ­miteinander teilen.
FC-Kollektiv, Paula Bulling (Ill.), Bini Adamczak
Büchner-Verlag, 2019, 190 Seiten
ISBN 978-3963171499
18,00 Euro (Print)

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