Permakultur

Hilfe, der Wald brennt!

Zur Gestaltung von Grundstücken in Zeiten der Erdüberhitzung.
von Laura Schöneberg, erschienen in Ausgabe #57/2020
Photo

Im vergangenen Jahr brannte der Wald meiner Kindheit bereits im zweiten aufeinanderfolgenden Sommer. Aufgewachsen bin ich in Beelitz, einer Kleinstadt südlich von Potsdam. Wenn dieser Wald in Brandenburg brennt, können meine Freunde selbst im gut 50 Kilometer entfernten Berlin noch Rauch riechen. Die Brandenburger Sandböden sind kaum imstande, Feuchtigkeit zu halten, und auch die ausgedehnten Kiefernwälder begünstigen Waldbrände.
2018 standen 50 Hektar nahe einem Dorf nordwestlich von Beelitz in Flammen. Kurze Zeit später war ein Waldgebiet südlich meines Wohnorts bei Treuenbrietzen betroffen. Dort brannten 400 Hektar, und einige Dörfer mussten evakuiert werden. Der gleiche Wald brannte im Juni 2019 wieder, obwohl im Mai 25 Millimeter mehr Niederschlag gefallen waren als im Jahr davor. Für die Feuerwehren, Landwirte und andere freiwillige Helfer ist es besonders schwierig, diese Brände zu löschen, da viele Wälder in Brandenburg eine hohe Munitionsbelastung von stillgelegten Truppenübungsplätzen aufweisen. Klimatische Veränderungen machen die Situation noch gefährlicher: Zu den langen Trockenphasen kommen immer mehr starke Winde hinzu, die bestehende Brände anfachen oder Glut über Kilometer mit sich tragen.
Aus diesem aktuellen Anlass mache ich mir ernsthafte Gedanken über brandschutztechnische Gestaltung mit Permakultur. Im Handbuch der Permakultur-Gestaltung des Australiers Bill Mollison (1988) gibt es ein komplettes Kapitel zum Thema Kata­strophenschutz bei Flächen- und Waldbränden. In seiner Heimat sind Flächenbrände normal und treten laut Mollison in der Regel alle 8 bis 30 Jahre auf. Der Förster Peter Wohlleben erklärt in seinem Bestseller »Das geheime Leben der Bäume«, dass sich die Baumarten Europas nicht auf lokale, kleinere Waldbrände, zum Beispiel durch Blitzschlag, eingestellt haben. Für sie war es nicht wichtig genug, da die natürlichen Brandursachen nur selten vorkamen. Größeren Einfluss hatte und hat der Mensch: Früher waren es beispielsweise Feuerstellen, die Waldbrände auslösten.
Bill Mollison gibt sein Wissen und die Erfahrungen aus seiner Kindheit weiter. Ein Großteil der nachfolgenden Informationen ist seinem Buch entnommen.

Brandursachen
Es ist zunächst wichtig, ein grundsätzliches Verständnis von Waldbränden und deren Ausbreitung zu erlangen. Für den Beginn eines Waldbrands gibt es verschiedene Ursachen:
Die häufigste ist Brandstiftung durch Menschen. In Europa sind die Beweggründe dabei meist Gefühle von Wut oder ein individuelles Defizit an Aufmerksamkeit, das durch die Bericht­erstattung in den Medien anschließend gestillt wird, auch wenn die Brandverursachenden anonym bleiben. Im Gegensatz dazu werden in Afrika oder Südamerika bewusst Wälder abgebrannt, um mehr Flächen für Land- und Viehwirtschaft zur Verfügung zu haben.
Blitzeinschlag ist die natürliche Ursache für einen Waldbrand. Mit den zunehmenden klimatischen Veränderungen kommen auch Gewitter mit Blitzen häufiger vor. Fehlzündungen von Fahrzeugen können direkt im Wald, aber auch an angrenzenden Feldern voll trockenem Getreide, die Ursache für ein Feuer sein. Auch heiße Motoren oder ein Funkenschlag durch Steine bei der Bearbeitung der Felder lösen während langer Trockenperio­den leicht einen Brand aus. Kurzschlüsse bei Stromkabeln, die durch ein Waldgebiet verlaufen, entzünden bei Berührung Laub und Zweige. Glasscherben und Flaschen können durch einen bestimmten Winkel der Sonneneinstrahlung als Lupe wirken und trockene Biomasse in Brand versetzen. Unachtsamer Umgang mit Lagerfeuern und Zigaretten führt insbesondere dann zu Feuern, wenn die Waldbrandgefahrenstufen der Forstämter missachtet
werden und trotz Verbot gezündelt wird. Rostende Munition oder Granaten mit Phosphor können sich bei Trockenheit sowie durch den Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft selbst entzünden. Hat es erst einmal gebrannt, kann weiterschwelende Glut bereits kon­trollierte Brände unbemerkt erneut entfachen. Auch unter­irdische Wurzelbrände können eine Ursache für einen Waldbrand sein.
Sobald ein Waldstück zu brennen begonnen hat, breitet sich das Feuer in Windrichtung aus. Über den brennenden Bäumen steigt die aufgeheizte Luft auf. Der Wind bläst diese Luft zusammen mit brennenden Teilchen in höheren Luftschichten weiter. Ist unter diesen Luftschichten ebenfalls Wald, wird hier die Brandluft etwas abgekühlt, was ein Absinken von mitfliegenden Funken und Glut verursacht. Dadurch ist es möglich, dass mehrere Kilometer entfernt ein neuer Brand entsteht. Solche sogenannten Feuerstürme kommen nun immer häufiger vor. Auch die natürlichen Eigenschaften von Bergen oder Hügelkämmen spielen dabei eine Rolle. Dort entwickelt sich das Feuer eher hangauf-
wärts, wird vom Wind über die Spitze getragen – und hangabwärts regnet es dann brennende Funken und Glut.
Die Kiefernwälder in Brandenburg können sich bereits bei einem Wassergehalt von weniger als 30 Prozent im Holz entzünden. Das liegt vor allem am hohen Öl- und Harzgehalt von Nadelbäumen. Mischwälder mit einem hohen Anteil an Laubbäumen entzünden sich erst ab einem Wassergehalt von unter 20 Prozent. Sie tragen nicht nur zu einer höheren Artenvielfalt bei, sondern sind auch gut geeignet, um Waldbränden vorzubeugen.

Landschaften schaffen, die Waldbrände verhindern
Die Herausforderung, Landschaften so umzubauen, dass sie möglichst entzündungshemmend und brandresistent sind, beinhaltet zwei Schwerpunkte: Da ist zum einen die Gestaltung von Flächen, die möglichst lange Feuchtigkeit speichern und dadurch nicht so leicht entzündbar sind. Zum anderen geht es um ein Design von Siedlungen, die für Mensch und Tier bei Waldbränden eine möglichst hohe Überlebenschance garantieren.
Zum ersten Punkt: Eine vorbeugende Maßnahme kann die Pflanzung von Gehölzen und Stauden entlang der Höhenlinien sein. Diese Linien können durch Sickergräben (Englisch »swales«) und Dämme so gestaltet werden, dass sie ein Netz aus Bewässerungsanlagen bilden, die sich bei hoher Trockenheit oder einem Waldbrand fluten lassen. Dafür ist es wichtig, Regenwasser in Teichen, Zisternen und Rückhaltebecken so vorzuhalten, dass es in Notfällen zur Verfügung steht. Auch ein Brunnen kann strategisch sinnvoll auf einem Grundstück platziert werden.
Zusätzlich ist es ratsam, im Vorfeld der heißen Trocken­periode von Mai bis September alle brennbaren Materialien wegzusammeln. In einem Radius von etwa 30 Metern um Wohnhäuser sollte der Boden ast- und nadelfrei gehalten werden; außerdem entfernt man die unteren, toten Äste an den Bäumen. Um den Boden um Gebäude herum frei- und das Gras kurzzuhalten, kann auch die Beweidung durch Vieh hilfreich sein.
Weiterhin kann in diesem 30 Meter oder mehr umfassenden Streifen eine gut durchdachte Gestaltung der Vegetation bei einem Waldbrand schützen. Hierbei muss ein Permakulturdesigner Pflanzengemeinschaften finden, die etwa die leicht brennbaren Kiefern-Monokulturen ersetzen und als Hitzeschilder Strahlungswärme vom Haus abhalten können. Besonders gut eignen sich zum Beispiel stark wasserhaltige, laubabwerfende Bäume, wie Weiden und Pappeln. Diese lebenden Feuerbarrieren sollten vier- bis fünfmal höher wachsen, als das zu schützende Haus groß ist. Davor sollte der Boden möglichst mit sommergrünen Pflanzen bedeckt werden. Als Nutzpflanzen bieten sich hier etwa Beinwell, Lilien, Eisenkrautgewächse, Aronstabgewächse und Frühlingsblumenzwiebeln an; auch eine kurzgemähte Wiese ist hilfreich. Weitere Feuerbarrieren können Straßen, Wege und weitere nicht brennbare, am besten sogar feuchte Bereiche sein.
Eine andere Strategie besteht darin, um das Haus herum gar keine Bäume zu haben, damit diese bei einem Brand nicht auf das Haus stürzen. Hierbei muss das Gebäude selbst bestmöglichen Schutz vor der Hitze eines Wald- oder Feldbrands bieten. In dem baumlosen Bereich kann dann beispielsweise ein regelmäßig ­gewässerter Gemüsegarten angelegt werden, in welchem zudem der Humusaufbau (Wasserhaltefähigkeit!) unterstützt wird.

Gebäude, die einen Waldbrand überstehen
Bei der Gebäudegestaltung hilft grundsätzlich ein möglichst glattes Außenprofil der Wände, denn verwehte heiße Asche oder Glut kann sich an Vorsprüngen, Kanten und Putz mit Struktur sammeln. Das Dach sollte möglichst spitz zulaufen und aus glattem Metall oder Ziegeln bestehen, an denen fliegende Glut abrutscht und zum Beispiel auf einem Steinweg landet. Die Dachrinnen müssen unbedingt freigehalten werden, sonst begünstigt das trockene Laub in den Rinnen einen Dachbrand. Es gibt auch die Möglichkeit, verschließbare Rinnen anzubringen und diese bei Feuergefahr mit Wasser zu füllen. Der Waldbrandexperte ­Johann Goldammer warnt zudem vor Klimaanlagen, die Funken in das Hausinnere ziehen. Bei Holzbauten sind für Wohnhäuser, Stallungen und andere Unterstände möglichst dicke Pfosten im Ständerwerk zu empfehlen. Bei einem Brand würde dickes Holz von außen verkohlen, aber nicht komplett durchbrennen. Die Gebäude haben so eine gewisse Chance, ein Feuer ohne Einsturz zu überstehen.
Auch die Lagerung von brennbaren Materialien muss in eine Geländegestaltung einbezogen werden. Trockenes Holz oder flüssiger Brennstoff sollten am besten im Keller oder anderweitig unter der Erde bzw. in einem Schuppen mit Abstand zum Wohnhaus gelagert werden.
Da bei einem Waldbrand die größte Gefahr für Menschen und Tiere nicht direkte Verbrennungen sind, sondern von der Strahlungshitze ausgeht, ist es wichtig, möglichst gute Hitzeschilder zu bauen. Häuser, Steinmauern und dicke Baumstämme können das Vieh vor dem Tod schützen – Menschen tun gut daran, sich selbst rechtzeitig in Sicherheit zu bringen! Die Gebäude sollten gut gedämmt sein, um das Haus möglichst lange kühl zu halten. Die Isolierung kann dabei durchaus aus ökologischen Materialien wie Mineralwolle, Sägespänen, Federn oder Wolle bestehen. Eine Holzvertäfelung lässt weniger Hitze in das Innere als dünne Wände aus Stein, Ziegel und Lehm. Ein letzter Tipp: Es empfiehlt sich, das Dach und auch die Außenwände der Gebäude weiß zu streichen, denn Sonnenwärme und Hitzestrahlen werden auf diese Weise reflektiert und so lange wie möglich ferngehalten.
Permakultur ist ein Gestaltungsansatz – und die Gestaltung vieler Grundstücke und Landschaften fängt mit Überlegungen zum Bodenaufbau, zur Regenwasserrückhaltung und dem Pflanzen von Bäumen an. Künftig müssen in gefährdeten Gebieten wie den brandenburgischen Wäldern auch die Brandverhütung und  -begrenzung mitbedacht werden. Wie wichtig dieses Thema auch weltweit sein wird, zeigen die Feuer in Australien, die noch aktiv sind, während dieser Artikel fertiggestellt wird – die Brände im Amazonasregenwald haben bekanntlich Ursachen, die politisch abgestellt werden müssen. Hierzulande werden hoffentlich die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu kreativen Lösungen inspirieren, so dass beispielsweise ein Sickergraben so angelegt wird, dass er im Notfall auch eingeleitetes Wasser gut verteilt.
Mich hat die Recherche zu den gestalterischen Möglichkeiten beim Feuerschutz etwas beruhigt: Wir sind den zunehmenden Bränden nicht völlig hilflos ausgesetzt; es gibt angemessene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Nun hoffe ich, dass die im Einzelfall entscheidenden Ämter die Notwendigkeit einer anderen Landschaftsgestaltung, etwa für veränderte Pflanzungen in Waldgebieten, anerkennen werden und auch die Politik in diese Richtung wirken wird.


Laura Schöneberg (31) absolviert derzeit eine Weiterbildung an der Permakultur Akademie. Sie arbeitet für das Permakultur Institut, koordiniert dessen Öffentlichkeitsarbeit und schreibt Artikel.

weitere Artikel aus Ausgabe #57

Photo
von Lara Mallien

Bereit zum Andocken

Als Arielle Kohlschmidt mit 17 Jahren aus ihrem Elternhaus auszog und sich im Berliner Prenzlauer Berg einquartierte, war die große Stadt für sie der Inbegriff von Freiheit. Auch während ­ihres Psychologiestudiums genoss sie die Stadtluft in vollen Zügen. Doch nach sieben

Photo
von Ute Scheub

Kogi (Buchbesprechung)

José Gabriel ist ein Mama, ein Priester-Schamane der indigenen Kogi aus Kolumbien, den ich persönlich kennenlernen durfte. Er saß in Berlin vor einem Gebäude und lächelte ein versonnenes Mona-Lisa-Lächeln. Es hat mich sehr berührt und gefreut, ihn als

von Sofia Michler

Pferdehaltung & Permakultur (Buchbesprechung)

Wie lässt sich Pferdehaltung als nachhaltige Kreislaufwirtschaft gestalten? Dieser Frage geht die Autorin und Pferdehalterin Tanja Romanazzi nach. Sie verrät Praxis-Tipps aus eigener Erfahrung und zeigt mit vielen Fotos beispielhafte Ställe.Anhand der Planung für einen

Ausgabe #57
Weltmittelpunkte

Cover OYA-Ausgabe 57
Neuigkeiten aus der Redaktion