Sehen wir vom Menschen und seinen Bedürfnissen ab, so scheinen Orte des guten Lebens in unserer Heimatplanetin allgegenwärtig zu sein. Schon die Pflanzen im Garten vermitteln mit ihren leuchtenden Geschlechtsorganen Wohlsein, obwohl ihre Verdauungsorgane im Boden dieselbe Dürre erleben wie ich, sie dieselben Ackergifte in ihren grünen Kraftwerken atmen wie ich und so manche Art vom Aussterben bedroht ist wie die meinige. Oft versuche ich, mich in diese so kategorisch andere Wirklichkeit der Pflanzenwesen oder gar in Orte des guten Lebens mit gänzlich anderen physikalischen Bedingungen – anthropozentrisch anmaßend meist als »lebensfeindlich« klassifiziert – hineinzufühlen und scheitere jedesmal, wenn ich dafür eine Sprache suche, obwohl ich mir einbilde, mit Hilfe der Empathie mit jenen extrajohannesheimrathischen Lebensformen durchaus in Resonanz geraten zu können. Zu den eigenartigsten solcher Orte gehören die seltsamen Schlote am Tausende Meter tiefen Grund der Ozeane, aus denen unter gewaltigem Druck bis zu mehr als 400 °C heißes Wasser in die eiskalte Tiefe strömt. Die in dem Thermalwasser gelösten und nun ausfallenden Erdteilchen erscheinen dem die Videobilder seines Tiefseeroboters betrachtenden Menschen als Rauchfahne. Den Lebewesen jedoch, die im Umkreis jener Schlote entdeckt wurden – überwältigend viele Viren, dann Bakterien und Archaeen, übereinander wimmelnde, augenlose Krabben (Oya 42, Seite 20), meterlange Bartwürmer, Muscheln und spindeldürre Seesterne –, muss dieser »Rauch« wie Manna erscheinen, das eine gütige Gottheit auf sie, die auserwählten Einzigen, ohne Unterlass herniederregnen lässt. Erzgesunde Mineralien wie Schwefelwasserstoff, Eisensalze, Gips, und diverse nahrhafte Säuren machen die siedende Umgebung des »Schwarzen Rauchers« zu einem wahren Schlaraffenland in der eiskalten Umgebung, das die Entwicklung einzigartiger Hightech-Biofähigkeiten fördert: Die Chromosomen des Grünen Schwefelbakteriums etwa sind derart »licht-«empfindlich, dass sie die Infrarotstrahlung der heißen Quelle zum heiteren Betreiben von Photosynthese nutzen können (»Sonnenlicht? Was ist das?«). Nach menschlichem Maß existieren diese Paradiese nur für kurze Zeit. Die aus den vulkanischen Ablagerungen rasch in schwindelnde Höhen wachsenden Schlottürme brechen meist nach zwanzig Jahren zusammen, und das Weltende ist gekommen. Wie es den Nachfahren jener untergehenden Gemeinschaften gelingt, zu sich anderswo neu auftuenden Orten des guten Tiefseelebens zu gelangen, weiß niemand. Johannes Heimrath