Ein simples Buchstabenschütteln kann die egozentrische Welt in eine geozentrische verwandeln. Ute Scheub und Christian Küttner haben sich mehr vorgenommen als Wortspielerei. Sie wollen wirklich weg vom Ego, weg vom Diktat des ewigen Wirtschaftswachstums, das nicht nur die Trennung zwischen Mensch und Natur zementiert, sondern auch die zwischen Mensch und Mensch. Ihr Weg führt zurück zu einer Sicht, mit der wir uns wieder gemeinsam als Teil des lebendigen Ökosystems dieses Planeten begreifen. Ansporn bieten Initiativen, die schon realisieren, wovon andere kaum zu träumen wagen.
Die Stadt Kopenhagen zum Beispiel macht vor, wie die ökologische Ernährungswende klappen kann. Rund 80 000 Mahlzeiten für 1 100 Einrichtungen, von Kindergärten über Kantinen und Bürgerzentren bis zu Altenheimen, bereiten die Mitarbeitenden der städtischen Stiftung »House of Food« täglich zu. Biozutaten: 75 bis 90 Prozent. Mehrkosten für die öffentlichen Kassen: keine. Dafür sorgen sorgfältige Planung, regionale Zutaten, kleinere Fleischportionen, wenig Verschwendung – und kaum jemand anderswo weiß davon.
So unauffällig kann er funktionieren, der »Abschied vom Größenwahn«, den das Buch beschwört. Die Grundthese lautet: Das Konzept »der Geld-, Macht- und Wirtschaftsglobalisierung siegt sich gerade zu Tode«. Mehr vom Gleichen werde uns nicht retten, »mehr Geld, mehr Großtechnik, mehr Digitalisierung«. Inspiriert von Aristoteles und Leonardo da Vinci, Konfuzius, Kant und Kästner denkt das Autorenduo deshalb den berühmten Slogan »Small is beautiful« von Ernst Friedrich Schumacher (1911–1977) weiter und analysiert: Die Welt brauche »neue resiliente Strukturen: kleinteilig, selbstorganisiert, lokal angepasst, menschen- und planetenfreundlich«. Und »Genüssamkeit«, eine fröhliche Mischung aus Genügsamkeit und Genuss.
An einer Fülle von Modellen zum Mit- und Mutmachen zeigt das Buch, wo und wie oft es schon gelingt, Utopien in Alltag zu verwandeln: Initiativen für solidarische Landwirtschaft stärken die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land. Firmen definieren durch Gemeinwohlbilanzen die Ziele ihres Wirtschaftens neu. Per Los zusammengesetzte Bürgerräte bringen frischen Wind in die Politik. Architektinnen von Helsinki bis Melbourne geben Städten durch mehr Grün »urbane Akupunktur« und entschleunigten Verkehr Charme und Charakter zurück.
Wie kann all das zusammengenommen und weitergedacht den Weg in eine sanftere Zukunft ebnen? Ute Scheub und Christian Küttner unterfüttern ihre Beispiele mit Studien, die lokale Pioniertätigkeit hochrechnen auf die Welt der 7,8 Milliarden. Und sie wagen kühne Blicke in die Jahre 2035plus: Schaut her, so anders könnte die Erde aussehen! Lasst euch nicht einreden, dass das egozentrische Dasein alternativlos ist! Diese Grundhaltung des ideensprühenden Buchs ist ansteckend und macht Lust, bei der »liebevollen Sterbebegleitung des alten Systems« aktiv mitzumischen. Ganz genüssam!
Abschied vom Größenwahn Wie wir zu einem menschlichen Maß finden. Ute Scheub, Christian Küttner oekom, 2020 288 Seiten ISBN: 978-3962382056 22,00 Euro