In Zeiten von zunehmendem Vertrauensverlust und dem Mangel an überzeugenden Persönlichkeiten im Feld der Politik ist das Vademekum des Chalice Verlags zur Kunst der ethischen Führung ein wahres Kleinod. Roger Lipsey versucht hier, im Leben und Wirken des Friedensnobelpreisträgers Dag Hammarskjöld dessen Verständnis von Politik auf die Spur zu kommen.
Als der Schwede im Jahr 1953 sein Amt als Generalsekretär der Vereinten Nationen in New York antrat, waren die Erinnerungen an die Gräuel des zweiten Weltkriegs noch lebendig. Die Bomben von Nagasaki und Hiroshima fielen im Gründungsjahr 1945 nach Unterzeichnung der UN-Charta, die doch verspricht, »künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren«. So traten gleich zu Beginn die Brüche zwischen Ideal und Wirklichkeit zutage.
Dag Hammarskjöld bewegte sich mit diplomatischer Bravour in diesen Widersprüchen, bis er 1961 auf einer Mission im Kongo bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben kam. In den acht Jahren seiner Amtszeit notierte er in einem Tagebuch die ethischen Aphorismen, die ihn bei seiner Aufgabe im Dienst der Menschheit inspirierten. Er glaubte an den Dialog im Sinn des Religionsphilosophen Martin Buber und fügte erklärend hinzu: »Doch setzt er ein paar Dinge voraus: Objektivität, die Bereitschaft zuzuhören und erhebliche Zurückhaltung.« In den Zeiten des kalten Kriegs, der Nahostprobleme durch die Teilung Palästinas und der Verwerfungen des Kolonialismus setzte er auf Verhandlungen und reiste unermüdlich durch die Konfliktgebiete dieser Welt, um »die Kausalketten aus Angst, Schwerfälligkeit und purer notorischer Dummheit zu durchbrechen«.
Auf die Frage eines Journalisten nach den »Hauptanforderungen an jemanden, der zur Förderung von Frieden und Vernunft beitragen möchte«, betonte er neben der »Wachheit« und der »inneren Ruhe« auch die Fähigkeit, »mit den Augen der anderen« zu sehen. Diese Methode der Achtsamkeit und Empathie lernte er durch die mystischen Schriften Meister Eckharts und die Klassiker der chinesischen Philosophie zur Staatsführung sowie nicht zuletzt durch seine Erfahrungen der Stille in den Bergen, die ihm halfen, bösartigen Anfeindungen zu trotzen und der Stimme seines Gewissens zu lauschen. »Verstehen – durch die Stille, handeln – aus der Stille, obsiegen – in der Stille«, notierte Hammarskjöld in seinem Tagebuch.
Mit seiner Arbeit für die Mission der UN wollte er vor allem ein neues Bewusstsein schaffen für die globale gegenseitige Abhängigkeit, die nur eine Antwort kennt: gemeinschaftlich zu handeln.
Politik und Gewissen Über Leadership und die Kunst der ethischen Führung. Roger Lipsey, Dag Hammarskjöld Chalice, 2021, 152 Seiten ISBN 978-3942914475 25,00 Euro