Die Prozessbegleiterin Miki Kashtan erklärte Luisa Kleine und André Vollrath, warum das Denken in »Kapazitäten« statt in »Fairness« Auswege aus der patriarchalen Logik bietet.von Luisa Kleine, André Vollrath, erschienen in Ausgabe #68/2022
Luisa Kleine Danke, dass du dir Zeit für ein Gespräch nimmst, Miki! In deiner Arbeit, die mich sehr inspiriert, machst du sichtbar, dass die Art wie wir mit uns selbst und miteinander umgehen mit gesellschaftlichen Mustern und Zwängen verknüpft ist. Auch Projekte, die Wandel in die Welt bringen wollen, sind nicht davor gefeit, ebenjene Logiken, die sie transformieren wollen, selbst zu übernehmen. Wie gehst du mit dieser Gefahr um?
Miki Kashtan Wir verinnerlichen die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Ist diese Welt von gesellschaftlicher Unterdrückung geprägt, dann verinnerlichen wir die Unterdrückung. Ist sie hingegen von lebendig Fließendem geprägt, dann verinnerlichen wir das Fließen. Leider nisten sich diese Muster auch dann in uns ein, wenn wir sie eigentlich ablehnen. Es ist typisch, dass Menschen, die patriarchale, kapitalistische und rassistische Strukturen transformieren wollen, früher oder später selbst Kontrolle, Trennung, binäre Logik, Ausschließlichkeitsdenken und andere patriarchale Mechanismen anwenden.
Kaum eine revolutionäre Gruppe konnte je das, wofür sie angetreten war, umsetzen. Oft wurden zwar die Machtverhältnisse geändert, nicht aber die Regeln der Macht. Je bewusster wir uns dessen sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir diese Strukturen immer weiter wiederholen. Dieses Bewusstsein zeigt sich insbesondere in Vereinbarungen, die in konkreten, expliziten Übereinkünften verankert sind.
Wenn wir nicht bewusst entscheiden, wie wir Entscheidungen treffen, dann wird es immer einzelne starke Persönlichkeiten geben, die letzten Endes Entscheidungen treffen, denen dann alle folgen. Solange wir das, was wir wollen, nicht auf einer handfesten, konkreten Ebene verankern, werden wir beispielsweise die Muster der Vergeltungsjustiz reproduzieren, auch wenn wir noch so sehr beteuern, dass wir an Wiedergutmachungsjustiz -(restorative justice) glauben.
LK In manchen Gemeinschaften beobachte ich die Tendenz, dass bürokratische Vereinbarungen mit rationalistischen Projektvisionen getroffen werden, die mich an »Amtssprache« erinnern.
MK Den deutschen Begriff kenne ich, den habe ich von Marshall Rosenberg gelernt.
LK Mir scheint, dass unser Gefühl von Zugehörigkeit stark durch staatliche Strukturen, Bürokratie, Vertragswesen und andere dominante Prägungen beeinflusst ist. Beobachtest du auch, dass in alternativen Projekten Institutionen wie Polizei, Gerichtsbarkeit oder Militär nachgeahmt werden?
MK Als aus Israel stammende Jüdin berührt mich das an einem sensiblen Punkt: Mein deutliches Gefühl ist, dass etwas von dem, was das Naziregime möglich gemacht hatte, noch nicht auf gebührend tiefer Ebene angeschaut und transformiert worden ist. Was du beschreibst, ist mir in keiner der Gemeinschaften, die ich weltweit erlebt habe, untergekommen. Als du eben gesprochen hast, hat sich in mir eine Welle der Angst ausgebreitet.
Immer wieder erlebe ich, dass Menschen auf das Wort »Vereinbarung« reagieren, als gäbe es nur zwei Möglichkeiten: entweder bürokratisch verregelte Vereinbarungen zu treffen oder ganz auf schriftliche Vereinbarungen zu verzichten und alles auf Vertrauensbasis zu gründen. Wonach ich jedoch wirklich suche, sind Vereinbarungen, die Visionen ausdrücken. Solche Vereinbarungen unterstützen mich, weil sie mich daran erinnern, wie ich eigentlich leben möchte, anstatt mich einzuengen.
Der von mir mitentwickelte Ansatz des »Vision Mobilization Framework« unterstützt Menschen dabei, ihre Vision mit konkreten Handlungsvereinbarungen zu verknüpfen. Dadurch ist die Vision verankert, und Handlungsvereinbarungen sind keine abstrakten, sondern sinnhafte, selbsterklärende Regeln. Martin Luther King sagte einmal: »Macht ohne Liebe ist skrupellos und missbräuchlich, aber Liebe ohne Macht ist sentimental und blutleer.« Eine Vision ohne Vereinbarung ist wie Liebe ohne Macht, und eine Vereinbarung ohne Vision wie Macht ohne Liebe.
André Vollrath Wenn wir uns vom einen Paradigma zum nächsten bewegen wollen, dann leben wir in zwei Welten gleichzeitig und begegnen Ängsten, Selbstverurteilung und allen möglichen herausfordernden Gefühlen. Was empfindest du noch als wichtig für diesen Prozess?
MK Kapazität ist ein Schlüssel. Wir können innerhalb unserer Kapazitätsgrenzen – also innerhalb dessen, was wir gegenwärtig vermögen – bleiben oder aber uns nur ein klein wenig recken und strecken, damit unsere Kapazität im Lauf der Zeit unserer Vision entgegenwachsen kann. Unsere patriarchale Prägung sagt uns, dass wir das Richtige tun müssen, dass wir dieses und jenes nicht tun sollen und keinesfalls faul sein dürfen.
»Patriarchat« bedeutet zu verleugnen, dass wir ein Teil des Lebendigkeitsnetzes sind. In diesem Sinn ist das Patriarchat nicht nur ein Angriff auf Frauen, sondern auch auf die Biologie und das Leben selbst! Sein Grundprinzip heißt: Das Leben funktioniert nicht – wir müssen die Logik des Lebens aushebeln und das Leben kontrollieren. Im Rahmen dieser patriarchalen Logik gibt es freilich keinerlei Raum für Kapazitätsgrenzen; denn würden wir unsere eigenen Kapazitätsgrenzen wahren, dann würden wir auch die Kapazitätsgrenzen der Planetin anerkennen – beides ist im Rahmen der patriarchalen Ordnung ausgeschlossen. Unsere Kapazitäten zu würdigen, ist also ein direkter Ausweg aus der -Logik des Patriarchats!
Innerhalb der patriarchalen Konditionierung orientieren wir uns nicht an unseren Kapazitäten, sondern daran, ob uns etwas »zusteht«, ob wir es »verdienen« oder ob es »fair« ist.
Stellt euch vier Leute vor, die sich einen Haushalt teilen: -Jeden Dienstag bringen sie den Müll raus. Die meisten würden sich wohl reihum organisieren; das mag zwar einfach, gerecht und fair erscheinen, aber es wird den jeweiligen Kapazitäten nicht gerecht. In der ersten, zweiten und dritten Woche läuft alles nach Plan. Doch die Person, die in der vierten Woche an der Reihe ist, vergisst den Mülldienst, und alle sind genervt. Dabei bringt diese Person sogar gern den Müll raus, ist jedoch schlichtweg nicht dazu in der Lage, daran zu denken. Diese Situation könnte nun zu einer Vereinbarung führen, bei der die vierte Person jede Woche den Müll rausbringt, während sie von einer anderen Person, für die dies ein Leichtes ist, allwöchentlich daran erinnert wird. Diese Vereinbarung wird den jeweiligen Kapazitätsgrenzen gerecht, auch wenn sie alles andere als »fair« im landläufigen Sinn ist. Wenn wir uns um Fairness bemühen, dann reproduzieren wir nur den Status quo, denn Fairness gehört zum Paradigma der Trennung.
AV Dieses Denken in Kapazitäten finde ich sehr bereichernd. Ich kenne viele Situationen, in denen mir eine innere Stimme sagt, dass ich scheitere, dass ich nicht radikal genug bin, zu ängstlich, zu langsam, unfähig … Mich selbst oder andere auf diese Weise zu beurteilen, fühlt sich gewalttätig an. Mich inspiriert die Idee, dass ich Kapazität wie einen Muskel trainieren kann.
MK Die tiefste und herausfordernste Transformation ist es, den Ressourcenfluss zu verändern. Dann begegnen wir uns selbst und einander nämlich dort, wo der Mangel in uns haust – ebendort, wo wir zum ersten Mal unser Vertrauen ins Leben verloren haben. So, wie wir gegenwärtig aufwachsen, werden Mangelgefühle von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Der Mangel sitzt uns so tief in den Knochen, dass es vielen Menschen schwerfällt, sich von der Frage, ob sie etwas verdienen oder ob etwas fair sei, zu verabschieden. Ein Schlüssel dazu ist es, den Zwang loszulassen. Wenn wir die eingespurte Richtung, die unsere Wahrnehmung trübt, verlassen, dann kann die tiefe Transformation der Neuausrichtung geschehen.
Es gibt Studien, die belegen wollen, dass Fairness auch Tieren angeboren ist. Ich lese diese Beobachtungen anders: Man muss nicht von »Fairness« sprechen, sondern kann auch »Sorgetragen für die Bedürfnisse anderer« sagen. Fairness ist ein menschliches Konzept. Tiere erleben Not, weil entweder ihre eigenen Bedürfnisse oder die Bedürfnisse anderer Tiere nicht erfüllt werden. Fairness bedeutet, einer bestimmten Regel zu folgen. Es ist ein Surrogat für die tiefere Wirklichkeit, dass wir alle für die Bedürfnisse anderer sorgen wollen. Wir alle wollen das. Aus der Perspektive des Mangels betrachtet, ist es nicht möglich, meine Bedürfnisse und zugleich auch deine Bedürfnisse zu befriedigen – also sorge ich entweder nur für mich und nutze andere aus, oder ich sorge nur für andere und lasse mich ausnutzen.
LK Wie kann ich mit Menschen im Bau- oder Finanzamt interagieren, ohne verrückt zu werden, weil ich permanent zwischen zwei ganz verschiedenen Logiken und Kulturen hin- und her-pendeln muss?
MK Zunächst möchte ich aus einer systemischen Perspektive beleuchten, welche Rolle Gemeinschaft für die Transformation spielt. Wer die Ausbreitung des Kapitalismus in Europa beleuchtet, stößt schnell auf die Einhegung der Allmende. Diese zwang Menschen dazu, das Land zu verlassen, und zersetzte gemeinschaftliche Beziehungen. Letztlich sollte dadurch arbeitendes und konsumierendes Volk geschaffen werden. Wer von Gemeinschaft und Land abgeschnitten war, musste sich in der Lohn-arbeit verdingen, um Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Ebendies erhält den Kapitalismus und die Marktwirtschaft aufrecht. Anfangs arbeiteten die vom Land abgeschnittenen Menschen nur ein paar Tage pro Monat in den städtischen Fabriken, um auszugleichen, was ihnen genommen wurde. Das passte jedoch nicht zum aufkommenden System engmaschiger Produktion. Also kamen Industrielle auf die Idee, bei diesen Menschen Bedürfnisse zu schüren, um Anreize für mehr Lohnarbeit zu schaffen. Die Commons und der Kapitalismus stehen in einem kriegerischen Konflikt, der mit Waffengewalt begann und mitunter auch heute noch mit Waffen ausgetragen wird.
Commons und Kapitalismus lassen sich nicht vereinen, denn die Commons sind eine Absage an den Markt! Commoning bedeutet, so viele Bedürfnisse wie möglich durch regionales Land und durch zwischenmenschliche Beziehungen zu befriedigen, so dass wir weniger abhängig von Märkten sind. Der Knackpunkt dieses Kriegs ist, dass die kapitalistische Logik nach immer mehr verlangt. Eine friedliche Koexistenz dieser beiden Logiken – der expansiven, exponentiellen Wachstumslogik einerseits und der Subsistenzlogik, derzufolge das, was wirklich gebraucht wird, in für alle ausreichender Menge produziert wird, andererseits – ist schlichtweg nicht möglich! Diejenigen, die sich dafür einsetzen, Gemeinschaft und Commons zu stärken, sind derzeit noch klein und schwach. Doch sobald wir stärker und sichtbarer werden, ist mit erheblichen Sanktionen durch staatliche und kapitalistische Akteure zu rechnen. Im Kleinen setzt sich dieser Krieg heute auch in den USA fort, wo es etwa in manchen Bundesstaaten gesetzlich verboten ist, selbstverwaltete Betriebe zu gründen.
Zusammenhänge, die sich als Commons organisieren, und der Markt stehen in einer konfliktgeladenen, widerstreitenden Beziehung zueinander. Das gilt es zu verstehen, um tief denken zu können. Wie können wir also mit diesem Konflikt in einer Weise umgehen, in der wir mit unseren Werten verbunden bleiben? Wenn uns Strukturen begegnen, in denen kapitalistische und bürokratische Muster vorherrschen, dann ist es hilfreich zweierlei im Hinterkopf zu behalten: Erstens ist es höchst unwahrscheinlich, dass wir diese Strukturen transformieren können; und zweitens können wir uns davor schützen, durch diese Strukturen infiltriert zu werden, indem wir uns ihrer bewusst sind, ohne ihnen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Meine Mutter erzählte mir ein Gleichnis von einem Mann, der jeden Tag auf den Dorfplatz ging und Geschichten erzählte, ohne dass ihm jemand zuhörte. Eines Tages fragte ihn ein Mädchen: »Warum tust du das?« Er erwiderte: »Jahrelang habe ich Geschichten in der Hoffnung erzählt, dass ihnen jemand lauscht. Heute erzähle ich Geschichten, damit sich nicht die Geschichten der anderen in mir festsaugen.«
Gerade habe ich erheblichen Ärger mit meinem PayPal-Konto. In einem Schreiben an die Firma PayPal habe ich diejenigen, die den Brief lesen, als meine Mitmenschen angesprochen: »Als Mensch, der einem Menschen diesen Brief schreibt, bedaure ich, dass Sie einer Arbeit nachgehen, bei der sie immerzu mit verärgerten Menschen zu tun haben.« Ich habe keine Ahnung, ob das einer Lösung meines Problems zuträglich sein wird. Wichtiger ist aber, dass wir Dinge nicht auf genau die Weise tun müssen, die uns beigebracht wurde. Ich versuche immer, andere Möglichkeiten sichtbar zu machen, selbst wenn sie sich in den kleinsten Rissen verbergen: Nein, wir sind alle Menschen! Nein, es gibt noch eine andere Logik!
LK Wie würdest du ganz konkret an Menschen, die in Behörden arbeiten, herantreten?
MK Wenn ich als Vertreterin eines alternativen Projekts aufs Bauamt ginge, dann würde ich zuerst einmal einräumen, wie überaus seltsam unser Projekt ist: »Ich kann mir vorstellen, dass wir nicht gerade der einfachste Sachverhalt für Sie sind. Wir gehen die Dinge anders als die meisten Leute an und wissen, dass das mitunter herausfordernd ist. Wie können wir dazu beitragen, dass Sie uns besser verstehen?« Der Schlüssel ist für mich, eine Beziehung zu suchen. Anstatt mein Gegenüber mit dem bürokratischen Apparat gleichzusetzen, möchte ich es soweit wie möglich davon loslösen, um ihm von Mensch zu Mensch zu begegnen.
Ein anderer, übergeordneter Ansatz wäre es, sich zu fragen, was wir überhaupt brauchen. In der von mir begründeten Lerngemeinschaft »Nonviolent Global Liberation« haben wir uns ausgiebig mit der Frage befasst, ob wir den Status der Gemeinnützigkeit, der uns angeboten wurde, annehmen sollen oder nicht. Ersteres hätte zur Folge gehabt, dass wir uns viel mehr mit dem bürokratischen Status quo auseinandersetzen müssen. Wir haben dieses Angebot und die damit einhergehenden finanziellen Vorteile ausgeschlagen, weil es unsere Experimente mit Schenkökonomie und Ressourcenfluss erschwert hätte.
Es geht darum, unser Leben und unsere Beziehungen zu ent-instrumentalisieren. Meist leben wir sehr instrumentell. Aus dieser Perspektive betrachtet, war unsere Entscheidung unklug: Wir haben geldwerte Vorteile ausgeschlagen, indem wir auf die Gemeinnützigkeit verzichteten. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, können wir uns nun stärker von den Mechanismen des Markts befreien und beobachten, wie der freie Ressourcenfluss zunimmt, während unsere Abhängigkeit von der Tauschlogik abnimmt. Es gibt jedoch keine Patentlösung. Stattdessen wenden wir ein als richtig erkanntes Prinzip so konsequent an, wie es uns im Rahmen unserer Kapazitäten möglich ist, und trauern angesichts der Lücken, die wir nicht überbrücken können.
LK Was können wir tun, um besser mit der Lücke zwischen dem, was heute ist, und dem, was unserer Vision zufolge sein könnte, umgehen zu können?
MK Beim Versuch, das gegenwärtige System zu bekämpfen, wird deutlich: Je mehr wir das System bekämpfen, desto mehr sind wir gezwungen, nach seinen Regeln zu spielen. Falls es denn gelingen kann, den Lauf der menschlichen Evolution zum Guten zu wenden, dann indem wir ein Feld der Liebe erzeugen, das größer als das patriarchale Feld ist, so dass es dieses halten kann. Versuchen wir hingegen einfach nur, das Patriarchat loszuwerden, dann bewegen wir uns nach wie vor in der patriarchalen Logik.
Als Jüdin sage ich: Dieses Feld der Liebe muss groß genug sein, um Hitler aufnehmen zu können! Er war voll und ganz Teil der patriarchalen Logik. Obwohl er ein Extrembeispiel ist, sehe ich ihn dennoch als Menschen: zwar sehr extrem, aber nicht grundsätzlich verschieden von uns anderen.
Um dieses Feld der Liebe zu erzeugen, müssen wir weiche Qualitäten aktivieren – all das, was die patriarchale Logik verachtet: verletzlich sein, zärtlich sein, großzügig sein, feiern können, trauern können, demütig sein – das, was als unterlegen, als »weibisch« und »schwächlich« gilt. Das Trauern ist ein wichtiger Teil davon. Wenn wir nicht über die Lücke zwischen Vision und Wirklichkeit trauern können, dann wird es umso wahrscheinlicher, dass wir mit Gewalt darauf reagieren: entweder, indem wir die Welt gewaltsam verändern wollen, oder aber, indem wir uns selbst Gewalt antun, indem wir unsere Vision aufgeben.
Wir leben in sehr dunklen Zeiten. Die Menschheit steht am Rand des Abgrunds. Das zu sehen, ist extrem schmerzvoll! Indem wir trauern, können wir unsere Herzen offen und unsere Vision klar halten. Wir müssen ein kohärentes Feld erzeugen, in dem Raum für genug Vision, Tatkraft und Trauer ist, um weitermachen zu können.
Sowohl Feiern als auch Trauern sind Energiequellen. Trauern bedeutet, unseren Schmerz über das Unerträgliche, das wir tagtäglich bezeugen, kompostieren zu lassen. Trauern setzt Energie frei, die wir dann einsetzen können, um die Arbeit, die wir wirklich tun wollen, tun zu können und um zu feiern, dass wir – entgegen aller Widrigkeiten – konkrete Schritte gehen und dass dadurch Veränderung geschieht.
LK Hab Dank für das inspirierende Gespräch! //
Miki Kashtan (66) beschreibt als Prozessbegleiterin und Autorin Wege in eine Zukunft, in der Menschen individuelle, kollektive und planetare Kapazitäten entfalten, um in Gemeinschaft, Wahlfreiheit und freiem Fluss zu leben. Zuletzt veröffentlichte sie »The Highest Commons Denominator« (siehe Seite 49). mikikashtan.org
André Vollrath (43) gibt körperorientierte Trainings zu Kritischem Weißsein und Kommunikation in Gruppen. Er lebt in Berlin und im Gemeinschaftsprojekt »Haus des Wandels« in Ostbrandenburg.
Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Fersterer.