Beim zweiten Oya-Hoffest wirkten im Haus des Wandels vier Generationen zusammen.von Anja Marwege, erschienen in Ausgabe #70/2022
Fast fünf Jahre nach meinem ersten Besuch anlässlich eines Oya-Redaktionstreffens kehrte ich im Juli 2022 wieder ins »Haus des Wandels« (HdW) ein – diesmal, um mit zwei Dutzend Hütenden und acht Redaktionsmitgliedern das zweite Oya-Hoffest zu feiern. Das Haus strahlt das aus, was eine der Ortshütenden kurz darauf zu mir sagte: »Fühle dich wie zu Hause und verhalte dich auch so.« Oya-Redakteurin Andrea Vetter hat das Gelände der ehemaligen landwirtschaftlichen Ausbildungsstätte zusammen mit anderen Menschen als Verein im Sommer 2018 gekauft. Es liegt gut 60 Kilometer östlich von Berlin im Ortskern des Dorfs Heinersdorf bei Fürstenwalde. Kurz nach dem Kauf hatten sich bei meinem ersten Besuch die Mitglieder des Redaktionskreises im Herbst zwischen Gingko und immergrüner Steineiche im Garten auf dem Gelände versammelt. Intensiv haben wir damals an den Grundqualitäten von Oya gearbeitet, und uns mit Jahresplanung im Einklang mit anderen Rhythmen des Lebens beschäftigt. In der Zwischenzeit ist das Haus des Wandels zu einem regelmäßigen Verweilort, einem Rast-, Denk- und Aktionsplatz auch für weitere Redaktionsmitglieder geworden. Werkstätten lokaler Initiativen, Ateliers und die persönlichen Wohnräume der Haus-Hütenden sind entstanden. Aus einem verwaisten Großgebäude ist ein lebendiger Ort geworden.
Die, die am ersten Tag des Hoffests als Gastgebende und als Gäste da waren, begannen ein Abendessen für alle zu kochen. Das werden am Ende Menschen aus vier Generationen gewesen sein. Manche Hütende kenne ich von Videokonferenzen, mit anderen habe ich schon an Texten gearbeitet oder an einem Fundament aus Feldsteinen mitgebaut. Es gelang uns, während der vier Tage ohne ein zuvor festgelegtes Programm Anliegen miteinander zu teilen und füreinander Sorge zu tragen: »Wie gründe ich eine Genossenschaft?«, »Hilf mir, diese Zecke raus zu bekommen!« Ein Redaktionsmitglied zog sich mit der fiebernden Tochter zurück. Wir erkundeten das Commoning-Muster »Commons und Kommerz auseinanderhalten« genauer. Zwei Menschen aus dem HdW bereiteten Tiramisu für alle zu. Es ist bezeichnend, dass das gemeinsame Kochen, das Aufräumen und das Begleiten der Kinder mindestens ebenso viel Raum, Zeit und Aufmerksamkeit bekamen wie Rederunden über die Zukunft von Oya: Begreifen wir es doch als eine essenzielle Aufgabe, die viel zu oft unsichtbar gehaltene »Care-Seite« der Welt sichtbar zu machen und die Sorge-Arbeiten ins Zentrum unseres Tuns zu stellen.
Zum Auftakt einer gemeinsamen Gesprächsrunde sprachen die Mitglieder des Redaktionskreises auf Wunsch der übrigen Anwesenden darüber, wie Oya in Zeiten steigender Energie-preise und erschöpfender Produktionsbedingungen existieren könnte (Seite 6). Die Zuhörenden saßen in einem großen, schützenden Kreis um die Erzählenden herum. Der feine Holzfußboden strahlt genau die Ruhe aus, die für eine solch fokussierte Runde erforderlich ist. Der Raum, in dem die Gesprächsrunde stattfand, ist der einzige der insgesamt über 60 Räume, der einen neuen Boden bekommen hat. Statt mit riesigen Geldsummen im Hau-Ruck-Verfahren das aus den 1950er Jahren stammende Haus zu sanieren, entscheiden die Haushütenden Stück für Stück, welcher Sanierungsschritt dran ist und welche Bauaktion vielleicht doch eine Überforderung darstellen würde. Dennoch ist für das Hoffest alles da: eine Küche für gemeinsames Kochen, eine große Terrasse, an der die Abende ausklingen, mit geschenkten Möbeln gemütlich eingerichtete Gästezimmer, die Andrea Vetter jeweils passend nach verschiedenen Rückzugsbedürfnissen ausgesucht hat.
Große Runden, in denen alle zusammenkommen und wo Einzelne sprechen, gab es während dieser Tage nur wenige. Stattdessen spielte sich viel im Kleinen, im Fluiden ab. Dennoch habe ich nicht den Eindruck, Informationen verpasst zu haben. Jemand stellte einen großen Topf Kartoffeln auf den Tisch, die Pellenden beginnen ein Gespräch darüber, wie Hütekreismitglieder die Redaktion im Produktionsablauf unterstützen könnten. Eine Teilnehmende griff die Idee auf, Oya künftig als vier Impulse im Jahr zu denken. Ich staune, wie leicht wir in diesem Moment zusammenwirkten. Wie können wir diese Qualität nähren, mit der wir weiterhin miteinander denken, danken und tätig sein können?
Ein großer Dank gilt allen Hütenden, die an den Vorbereitungen für das Fest mitgewirkt haben! //