Transformative Unternehmensführung und ihre geistigen Grundlagen (Buchbesprechung)
von Vivien Beer, erschienen in Ausgabe #59/2020
Führen bestimmte Weltanschauungen in der Leitung von Unternehmen zum notwendigen radikal-transformativen und nachhaltigen Handeln? Dieser Frage geht Benjamin Brockhaus in seinem Erstlingswerk »Transformative Unternehmensführung und ihre geistigen Grundlagen« nach.
Die globalisierte Wirtschaft der letzten Jahrzehnte hat vielfältige ökologische Krisen, ungerechte Verteilung von Wohlstand, Entfremdung durch Technisierung und Kommerzialisierung nach sich gezogen. Mit dieser Feststellung leitet Brockhaus sein Buch – eine Fortführung seiner Masterarbeit – ein. Tragischerweise hätten bisher alle Lösungsvorschläge, um diesen zerstörerischen Konsequenzen entgegenzuwirken, nicht durchgesetzt werden können. Zu oft sei es bei theoretischen Betrachtungen und rudimentären Praktiken geblieben, deren übergeordnete Logik weiterhin das Paradigma der neoklassischen Ökonomie auszeichnete. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderung beschrieb in einem Gutachten von 2011, dass eine »große Transformation« nötig sei. In Anlehnung an den Wirtschaftshistoriker und Sozialwissenschaftler Karl Polanyi wird dieser Begriff, der alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt, zum Dreh- und Angelpunkt von Brockhaus’ Argumentation. Damit eine Gesellschaft transformativ wirksam werden könne, sei jeder einzelne Mensch gefragt.
Dennoch bildeten Unternehmen eine Schlüsselfunktion, da sie bestimmen, was wie produziert wird und welche Organisations-kulturen gelebt werden. Unter der Oberfläche des Handelns wirken laut Brockhaus Paradigmen als geistiges Fundament von Weltordnungen. Sie steuern, wie unsere Wirtschaft – und somit auch Unternehmen – beschaffen sind und handeln. Entrepreneure hätten es hierbei in der Hand, welche Denkweisen in die Unternehmen(sführung) einfließen.
Auf Basis dieser Prämisse führte der Autor fünf Interviews mit Unternehmensführerinnen von ausgewiesenen und preisgekrönten nachhaltigen Unternehmen. Im Zentrum der Gespräche steht die Frage, welche Art der Führung zu Nachhaltigkeit führen kann. Die Analyse der Interviews zeigt Überschneidungen der Kernaussagen über Weltanschauungen und Unternehmensführung der Befragten mit den zuvor bestimmten Merkmalen des transformativen Handelns. Diese Überschneidungen vergleicht Brockhaus weiterhin mit Theorien der integralen Philosophie und mit entwicklungspsychologischen Stufenmodellen. Die Einstellungen der Interviewten korrelieren hierbei mit den höchsten Stufen dieser Theo-rien. Anhand von Tabellen und wirtschaftswissenschaftlichen Modellen vergleicht Brockhaus anschaulich die Kernpunkte unterschiedlicher Grundhaltungen und Überzeugungen. Vor allem spirituelle – wie etwa anthroposophische – Menschen- und Weltbilder der Unternehmensführerinnen ziehen offenbar eine besonders nachhaltige und transformative Führung nach sich.
Benjamin Brockhaus zeigt, wie wichtig es ist, die geistigen Grundhaltungen, die innerhalb von Unternehmensleitungen bestehen, nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig können seine Ausführungen Orientierung für Unternehmensführer und Managerinnen bieten.
Transformative Unternehmensführung und ihre geistigen Grundlagen Die Bewusstseinshaltung zukunftsfähiger Organisationen. Benjamin Brockhaus Info3-Verlag, 2019, 172 Seiten ISBN 978-3957791023 17,90 Euro