Gemeinschaft

Geld ist ein Werkzeug

Ein grundlegend neues Geldverständnis ist unerlässlich, meint Alfred von Euw.von Beate Küppers, erschienen in Ausgabe #8/2011
Photo

Alfred von Euw ist einer der Mitbegründer der Artabana-Bewegung in der Schweiz. Er hat außerdem die »Eidgenössische Commende« ins Leben gerufen, eine lose Gruppierung von Menschen, die seit 1994 einen grundlegend anderen Umgang mit Geld praktisch erprobt.
Anfangs wurde mit Monopoly-Geld und symbolischen Handelswaren experimentiert, um nachzuvollziehen, was passiert, wenn Geld unterschiedlich verteilt wird: nach Leistung, nach Bedarf, für alle gleich, oder im Sinn eines »Werkzeugs zur Dokumentation von Rechtsansprüchen«. Die Erkenntnisse waren so motivierend, dass die Idee entstand, eine reale Modell-Gesellschaft mit richtigem Geld zu bilden.
Das heute allgemein vorherrschende Geldverständnis ist im wahrsten Wortsinn »eigentümlich«. Geld wird als Eigentum seiner Besitzer und als Äquivalent zu Wirtschaftsgütern aufgefasst. In der Commende wird Geld jedoch nicht als Ware, sondern als gemeinsames Werkzeug betrachtet, das allen zusteht und gebraucht wird, um Bedürfnisse geltend zu machen, Fähigkeiten anzuerkennen und Rechte zuzusprechen. Die finanziellen Erträge aus den Fähigkeiten der Mitglieder bilden das Gemeinschaftsvermögen. Dieses wird so verteilt, dass jedes Mitglied seine individuellen Fähigkeiten entfalten kann, aber auch so, dass alle »zu ihrem Recht kommen«. Es geht nicht darum, die eigene Verantwortung an eine Gemeinschaft abzugeben, sondern im Gegenteil, es der Gemeinschaft zu ermöglichen, alle Mitglieder in ihre eigene Kraft zu bringen. Das Geld im Portemonnaie ist kein persönliches Eigentum im herkömmlichen Sinn, sondern es wird jeder und jedem anvertraut, um etwas damit zu tun.
Wichtig ist auch, die Menschen nicht nur nach ihren eingebrachten Geldbeiträgen zu werten, sondern aufgrund ihres ganzen Seins, jenseits von Zahlen. Dieses Umdenken innerhalb einer Gemeinschaft braucht Jahre. Ein neues Verständnis von Geld muss erlebt und erfahren werden, bis es zu einer Realität wird. Alfred von Euw empfindet es als widersprüchlich, wenn Menschen, die sich in ihrer eigenen Arbeit nicht genügend anerkannt fühlen, anderen nur niedrigste Preise bezahlen wollen.
Er erzählt, wie er sich beim Kauf von zwei Gärtnerschürzen, die für zehn Franken angeboten wurden, an der Kasse geweigert hat, diesen Betrag zu bezahlen. »Mindestens 30 Franken waren mir diese Schürzen wert, wenn man den Anbau der Baumwolle, das Färben, Spinnen, Weben und Nähen berücksichtigt und dann noch den Transport. Der Verkäufer war völlig irritiert, konnte den veränderten Preis auch gar nicht in die Kasse eingeben und wies mich darauf hin, dass das, was ich mehr bezahle, bei den Schürzen-Nähern doch gar nicht ankäme. Ich habe erwidert, dass es sein Problem sei, was er mit dem Geld mache.«

Gemeinschaft entsteht nicht durch Geld
Nach 15 Jahren intensiver Tätigkeit ist die ursprüngliche Commende zu einem Freundeskreis geschrumpft. Die gesetzten Ziele, ein neues Geldverständnis zu entwickeln, zu erproben und zu strukturieren, waren erreicht. Zur Bildung einer Gemeinschaft gehört aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch emotionale und ideelle Verbundenheit.
In einer kleinen Gruppe von derzeit 23 Menschen aus sechs Haushalten sollen nun auch diese Aspekte aufgegriffen werden. Für Gemeinschaftsformen, die durch die kommenden herausfordernden Zeiten tragen können, sind nicht äußere Lebensumstände entscheidend, sondern der innere Wille zur gegenseitigen Zuwendung. Statt zu fragen, »Was kann die Gemeinschaft mir geben?«, geht es darum: Was bringe ich ein? Wie groß ist mein Interesse an den anderen? Was verbindet mich mit ihnen? Wie gestaltet sich das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft?
Nicht nur in autarken Lebensgemeinschaften, auch in städtischen Verhältnissen besteht die Möglichkeit, mit anderen Menschen verbindliche Gemeinschaften zu gestalten, die von einer freiwilligen, inneren Verpflichtung getragen sind. Auch ohne einen gemeinsamen Alltag und über große Entfernungen hinweg entsteht dann ein Gefühl der Verbundenheit, ähnlich, wie es in der Artabana-Bewegung in Bezug auf gesundheitliche Themen längst gelebt wird.
Ein Modell wie die Commende kann die eigene Haltung zu Geld, zum Kaufen und Verkaufen, auch zum Schenken und Verschenken verändern. Alfred von Euw meint, dass wir von einem geldlosen Zusammenleben wohl noch Jahrhunderte entfernt seien. Es sei aber entscheidend, heute zu beginnen, Geld neu zu denken.  


Kontakt zum Forscher
Alfred van Euw ist gerne bereit, seine Erfahrungen mit Interessierten zu teilen. Er ist erreichbar unter insula@bluewin.ch.

weitere Artikel aus Ausgabe #8

Globale Perspektivenvon Christoph Pfluger

Die Gier ist es nicht

Während die Menschheit jahrtausendelang mehr oder weniger nachhaltig lebte, setzte ab etwa 1750 eine verheerende Dynamik ein – mit exponentiellem Wachstum der Bevölkerung, des Verbrauchs und der Zerstörung. Was ist eigentlich mit uns geschehen?

Permakulturvon Erwin Zachl

Die Renaissance der Sense

Die Hinwendung zu alter Handwerkstechnik kann im Vergleich zu modernen Anwendungen wesentlich umwelt-, ressourcen- und klimaschonender sein. Unser Autor entdeckte beim Erlernen des Mähens mit der Sense, wie menschenschonend es außerdem ist.

Regional- & Stadtentwicklungvon Oliver Sachs

Wie Wandel beginnt

Über die Motivation, sich in ein regionales Wirtschaftsexperiment zu stürzen.

Ausgabe #8
Geldbeben

Cover OYA-Ausgabe 8Neuigkeiten aus der Redaktion