Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
Wolfram Nolte befragt den Aktivisten Claus Kittsteiner über das große Geschäft mit dem Wasser. Was ist zu tun, damit Wasser allen Menschen zugänglich bleibt?
Dass es »essbare Landschaften« gibt, hat sich in der Hotelbranche herumgesprochen. Ein Kräuterbetrieb dieses Namens in Mecklenburg-Vorpommern führt seit Jahren vor, wie sich vergessene Kräuter und Wildgemüse wieder in Wert setzen lassen. Nun gibt es die erste »essbare Stadt«, und das ist Kassel. »Wir wollen unsere Stadt zukunftsfähiger machen«, sagt Karsten Winnemuth. Gemeinsam mit fünfzehn Freunden gründete der Mittvierziger im Mai 2009 den Verein Essbare Stadt. Seine Definition von Zukunftsfähigkeit stammt aus dem Repertoire der internationalen Transition Town Bewegung, die 2006 als Bürgerinitiative für eine Energiewende in dem englischen Städtchen Totnes ihren Anfang nahm. Demnach ist eine Stadt nicht zukunftsfähig, weil sie mit innovativer Industrie glänzt, sondern weil ihre Bürger den Übergang in eine postfossile, regionale Subsistenzwirtschaft einüben.
Essbare Stadt hat einen soliden Hintergrund. So war das Vorläuferprojekt »Kulturpflanzen-Pflanzenkultur-Permakultur« bereits Bestandteil der Bewerbung der Stadt Kassel zur Kulturhauptstadt Europas. Schon im Jahr 2005 hat Karsten Winnemuth einen Experimentiergarten unter dem Namen »plan t« initiiert, angegliedert an die gut vernetzte Kulturinitiative TRA.FO am Lutherplatz (www.trafohaus.eu). Dort kann man auf kleinster Fläche seltene Kulturpflanzen erleben, die im Garten vermehrt werden. Essbare Stadt geht nun einen Schritt weiter. Nussbäume, Esskastanien und diverse Obstsorten sollen den öffentlichen Freiräumen eine neue Qualität und Aufgabe geben.
Mittlerweile hat der Verein dreißig Mitglieder. Sie arbeiten daran, Nutzbiotope und wertvolle Kultur- und Wildsorten in die Stadt zu bringen. In Vorträgen und Kursen vermitteln sie Kulturtechniken wie das Veredeln, Pflanzen und Pflegen von Bäumen. Mit der Verbreitung solcher Fertigkeiten wächst, so ist zu hoffen, auch das Bewusstsein über die Abhängigkeit von den natürlichen Lebensgrundlagen. Offenbar klappt die Vermittlung des Vereinsanliegens: Das Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel hat sechs Flächen für die ersten Pflanzungen angeboten. Allein im Stadtteil Waldau soll bald ein halber Hektar zur Verfügung stehen, auf dem neben Baumpflanzungen auch der Anbau von Gemüse zur Selbstversorgung möglich ist. Über die Details der Nutzungsverträge wird mit der Stadt gesprochen.
Mit neuem Schwung wollen die Vereinsmitglieder auch eine Initiative wiederaufleben lassen, die bereits 2007 großen Erfolg hatte: »Subsistenzspaziergänge«. Für dieses Jahr sind saisonale Erntespaziergänge geplant. Wer wissen will, wie Kassel schmeckt, hat hier die beste Gelegenheit zu einer Verkostung.
Links zur essbaren Stadt:
www.essbare-stadt.de
www.trafohaus.eu
www.cityfarmer.de
www.agroforst.de
Wolfram Nolte befragt den Aktivisten Claus Kittsteiner über das große Geschäft mit dem Wasser. Was ist zu tun, damit Wasser allen Menschen zugänglich bleibt?
Der gesellschaftliche und soziale Wert eines Menschen wird bei uns im Kapitalismus allein nach seiner Arbeitskraft bewertet.« So beginnt die Präambel der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM). Sie begründet eine solidarische Praxis, die Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, ein Zuhause und selbstbestimmte Arbeit bietet. Am 3. November 2009 wurde die SSM 30 Jahre alt. Selbst der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters lobte die Vorschläge der SSM zur Stadtentwicklung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Seine Grußbotschaft endete mit einer symbolischen Umarmung: »In dreißig Jahren ist die Mülheimer Selbsthilfe ein Stück Köln geworden und hat das soziale Bild der Stadt mitgeprägt.« Anlass genug, Mitbegründer Rainer Kippe um einen Beitrag darüber zu bitten, wie die SSM bis hierher gekommen ist.
Eine Tomate aus Marokko zu essen, ist langweilig. Eine Kostprobe von einer alten Tomatensorte aus dem Treibhaus der Bio-Gärtnerei nebenan ist ein Erlebnis – umso mehr, wenn man selbst im Treibhaus gearbeitet hat. Diese sinnliche Erfahrung macht die Qualität heutiger Allmende-Projekte aus.