Land »privat« besitzen oder besser gemeinsam »nutzpflegen«?von Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #12/2012
Auf www.mondmakler.de kann man für 29,95 Euro tausend Quadratmeter Mondoberfläche erstehen. Man mag diese Geschäftsidee absurd und unmoralisch finden – doch gilt das, bei Licht betrachtet, nicht ebenso für das Konzept des irdischen Grundbesitzes? Ist es nicht nur so, dass uns das Absurde und Unmoralische daran nicht mehr auffällt, weil dieses Konzept so alt und so »all«gegenwärtig ist? Den nomadisierenden Jägern und Sammlern wäre es wohl kaum eingefallen, den großen, alten Selbstbedienungsgarten Eden in Parzellen zu unterteilen. Doch als die Erfindung der Landwirtschaft allmählich die Bevölkerung explodieren und fruchtbares Allmende-Land rar werden ließ, muss irgendwer zum ersten Mal gesagt haben: »Du kannst hier nicht sein, meine Familie war zuerst da! Das Land bleibt fortan in unserer Linie, da passen wir auf! Pech für dich und deine Nachkommen.« Der Ausspruch markierte gewissermaßen zugleich die Geburtsstunde des Kapitalismus, gründet dieser doch bekanntlich auf der Privatisierung (privare = lateinisch für »rauben«) von wichtigen Produktionsmitteln. Spätestens im Jahr 2011 ist so gut wie jeder Flecken Erde privatisiert, und wo es noch theoretisch so etwas wie ein Allgemeingut gibt, z.B. außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer, dort wird es – Stichwort Überfischung bzw. Meereverschmutzung – in kapitalistischer Gier nach Strich und Faden ausgebeutet. Denn mit den Commons sind uns auch die jeweils eng mit diesen verknüpften Nutzungsregelungen abhandengekommen. Bei der Luftverschmutzung wird versucht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, indem man die Atmosphäre quasi staatlich parzelliert und privatisiert und dann per Emissionsrecht vermarktet. Irgendwie auch absurd. Und andererseits schon wieder logisch in einer Welt, in der es nichts mehr gibt, was sich nicht als Mangelware handeln ließe: Organe, Eizellen, Menschen, Tiere, Sex, Wasser, Genom-Patente, Geschenke … In der Lebensreform-Bewegung um die vorletzte Jahrhundertwende gab es eine einflussreiche Strömung, die die Forderung nach Neuordnung der Landbesitzverhältnisse nicht, wie der Marxismus, mit einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, sondern mit dem Ruf nach Reform des Geldsystems verknüpfte. Ihr Vordenker Silvio Gesell (Buchtitel: »Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freigeld und Freiland«, 1916) ist derzeit als geistiger Vater eines Regio-Geldsystems ohne Zins und Wachstumszwang wieder in vieler Munde. Doch obwohl heute nicht nur fast alles Geld, sondern in gleicher Weise auch fast alles Land in den Händen einer kleinen Zahl besitzender Menschen gelandet ist, wird stets nur über die Notwendigkeit einer Geldreform, so gut wie nie über die bei Gesell gleichbedeutende Forderung nach einer Bodenreform diskutiert. Dabei sind wir heute sieben Milliarden! Die Erdkrume ist, das zeigt dieses Heft, in den Händen der Wenigen nicht gut aufgehoben, deshalb darf die Bodenreform nicht länger ein Tabu sein.
Von der Allgemeinheit geraubt In Mecklenburg-Vorpommern, wo ich lebe, haben Regierungen angesichts anhaltender Abwanderung Programme zur Förderung des Landlebens aufgelegt. Das Wichtigste scheinen sie dabei übersehen zu haben: Wer hier etwa einen bäuerlichen Betrieb neu einrichten will, hat praktisch keine Chance, die Scholle dafür zu bekommen. Denn das verfügbare Ackerland befindet sich, nicht zuletzt auch aufgrund behördlicher Vergabepraxis, zum allergrößten Teil in der Hand der Agrarindustrie. Unter diesen Bedingungen ist es vielleicht kein Wunder, dass ausgerechnet im bevölkerungsarmen Ostvorpommern gleich drei kleine Initiativen – symbolisch und ganz praktisch – den Freikauf von Land versuchen: In Oya 9 habe ich bereits beschrieben, wie ich mit zwanzig anderen Habenichtsen den Allmende-Verein gründete und wir binnen zehn Jahren das hübsch gelegene Waldhaus Krien aus dem Bann des Privatbesitzes herauslösten, um es gemeinschaftlicher Nutzung zu überstellen. Von Krien ist es nicht weit bis Hohenbüssow, wo drei junge Männer ihr Geld zusammenlegten, um eine stillgelegte, zum Biotop gewordene Kiesgrube zu erwerben. Zweimal schon organisierten sie dort ihr nettes, kleines »Freiland«-Musikfestival. Wiederum zehn Ortschaften weiter verwandeln die Mitglieder des I.G.E.L. e. V. durch Baumpflanzungen schon seit 1992 ein bis dahin völlig ausgeräumtes, über sechs Hektar großes Acker- und Weideland in ein »Paradies voller Nischen für Pflanzen und Tiere«. Vor acht Jahren kauften sie außerdem den alten Gutspark im nahen Drosedow frei. Aber freikaufen, geht das überhaupt? Spielen wir da nicht doch nur das alte Spiel um Geld und Landbesitz? Kann man der Falle entgehen, indem man einen gemeinwohlorientierten Verein zum nominellen Eigentümer macht? Und: Werden bei einer Bodenreform nicht einfach nur die Karten neu verteilt, während das Privatland-Spiel als solches erhalten bleibt? Es heißt, viele Indianer hätten den Gedanken von sich gewiesen, der Mensch könne ein Stück von seiner Mutter Erde besitzen. Ja, die einzig wirklich stimmige Nutzungsbeziehung zwischen Mensch und Land scheint mir tatsächlich die der Allmende zu sein: gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle Nutzer und Pfleger des Landes.