Mugove Walter Nyika verwandelt Wüsten in grüne Oasen.von Dieter Halbach, erschienen in Ausgabe #12/2012
Vor mir sitzt ein großer Mann mit einem großen Herzen. Ein Mann wie ein Bär, der mich mit warmen Augen anschaut, während er von seinen Visionen für Afrika erzählt. Wenn es ein Pendant zu Mama Afrika gäbe, so könnte Mugove »Papa Afrika« sein. Diese nährende und fürsorgliche Haltung hat er wohl seiner Kindheit in einem traditionellen Dorf in Zimbabwe zu verdanken. Noch wenn er jetzt, mit seinen 51 Jahren, darauf zurückblickt, leuchten seine Augen. Sie sind voller Dankbarkeit, selbst dann, wenn er mir von den traurigen Seiten seiner Kindheit erzählt. »Ich bin mit meiner Großmutter aufgewachsen, da meine Eltern sich getrennt hatten. Das war ein schwerer Start ins Leben für mich. Ich hatte kein normales Familienleben, auch keine Brüder und Schwestern. Aber meine Großmutter war sehr gut zu mir, von ihr habe ich vieles gelernt. Ich war immer mit ihr unterwegs, wenn sie Pilze im Wald sammelte oder den Garten bearbeitete. Damals gab es noch viel fruchtbares Land und auch ein gemeinsames Wirtschaften. Die Weiden und Felder waren Gemeinbesitz, und es gab eine große Fülle und Vielfalt an Nahrungsmitteln. Einmal im Monat war jede Familie an der Reihe, auf die Kühe des Dorfs aufzupassen. So hatten die anderen Zeit für andere Arbeiten. Wenn wir morgens mit den Tieren loszogen, nahmen wir keine Lebensmittel mit, sondern ernährten uns von wilden Früchten und Tieren. Manchmal nahmen wir auch den Kälbern etwas Milch für uns weg.«
Berufung zum Lehrer Durch diese Erfahrung eines natürlichen Lebensraums als seiner Heimat, konnte Mugove seine Traurigkeit oft vergessen. Die Dorfgemeinschaft half ihm, seine Einsamkeit zu überwinden. »Ich habe alle meine Verwandten ›Mutter‹ und ›Vater‹ genannt. Wir hatten keine Kleinfamilien, wie sie heute üblich sind. Die Türen der Nachbarn standen immer offen.« Nur wenn er damals an seine Eltern dachte, kam die Traurigkeit zurück. Als Mugove später in die Schule gehen musste, fing ein schwieriger Lebensabschnitt an. Er fand die Angebote dort völlig uninteressant und wurde oft geschlagen. Dennoch bestand er das Auswahlverfahren zur Sekundarschule. Allerdings war diese Schule so weit entfernt, dass er umziehen musste. Es war eine streng religiöse Erziehung durch die Baptisten, die ihm den Namen Walter gaben. Mugove glaubte nicht an diesen strengen, christlichen Gott, aber er wollte trotzdem lernen und weiterkommen. »Ich fühlte mich auch in dieser Zeit immer mit meinen traditionellen Wurzeln und meinem Glauben verbunden. Ich hatte noch keine Idee für mein Leben. Das einzige, was ich glaubte, zu wissen, war: Ich wollte kein Lehrer werden! Es gab jedoch einen Geografie-Lehrer, der mein Leben entscheidend beeinflussen sollte. Er war ein sehr leidenschaftlicher Lehrer, der mein Interesse an diesem großen Wissensfeld entfachte. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich etwas freiwillig lernen und verstehen. Als ich dann 1977 die Schule beendete, tobte der Aufstand um Unabhängigkeit und gegen die Apartheid in meinem Land. Alle Schulabsolventen wurden zwangsweise zur Armee eingezogen.« Doch Mugove war nicht bereit, an diesem Krieg auf Seiten der Regierung teilzunehmen. Er floh zu seinem Onkel, wo er sich weitab des Dorfs verstecken konnte. Zwei Jahre lang musste er von der Hand in den Mund leben und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Dann erhielt er die Möglichkeit zu einer Lehrerausbildung, und so fand Mugove auf Umwegen doch noch zu seiner Berufung als Lehrer. »Ich hatte ja meine Leidenschaft zur Geografie bewahrt, und so begann ich, dieses Fach zu unterrichten. Aber ich hasste immer noch diesen Unterricht mit all dem Papierkram und den Prüfungen. So begann ich, eine interaktive Methode des Lernens zu entwickeln. Und ich erkannte in der Beschäftigung mit den herrschenden Formen industrieller Landwirtschaft, dass diese Anbaumethode nicht für Afrika mit seinen vielen kleinen, armen Farmern geeignet ist. Ich suchte nach neuen Wegen nachhaltiger Bewirtschaftung und entdeckte so die Permakultur. Das war der Beginn meines jetzigen Lebenswegs.«
Permakultur schafft blühende Oasen Mugove besuchte 1996 ein erstes Permakulturtraining und begann noch im selben Jahr mit der Entwicklung eines Permakultur-Programms für Schulen, dem »Schools and Colleges Permaculture Programme« (SCOPE). Zu dieser Zeit waren die Schulgelände in Zimbabwe klinisch gesäuberte, staubige Flächen ohne jeden Pflanzenbewuchs. Mit seinen Schülern legte er Waldgärten und andere Mischkulturen an. Es entstanden blühende Oasen, in denen auch Zutaten für gesundes Schulessen wachsen. »Vor allem aber konnten wir mit diesen Gärten das Bewusstsein der Menschen verändern«, erzählt Mugove. »Vorher sahen die Schüler, Lehrer und Eltern diese kahlen Gelände als moderne, hygienische Errungenschaften an. Durch ihre Beteiligung an dieser Gestaltung konnten sie entdecken, wie sie ohne fremde Hilfe etwas gegen den Hunger und für die Gesundung der Erde tun können. Denn mittlerweile gab es in unserem Land keine gesicherte Nahrungssituation mehr. Die kleinen Farmer waren von den Konzernen und dem Weltmarkt abhängig geworden.« Mittlerweile werden diese Permakultur- Programme auch in anderen afrikanischen Ländern angewandt. Über 200 Schulen haben inzwischen daran teilgenommen. Mugoves einstige Schüler sind inzwischen selbst zu Lehrern und Multiplikatoren geworden. Seine wichtigste Aufgabe ist es heute, die Programme in Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken und in Auseinandersetzung mit den wechselnden Regierungen zu verbreiten und zu stabilisieren. Vor allem, um diese organisatorischen Aufgaben und die Beschaffung von Fördermitteln zu verbessern, ist Mugove in das Ökodorf Sieben Linden nach Deutschland zum vierwöchigen Kurs in Ecovillage Design Education gekommen.
Weg vom Geist des Kolonialismus Wenn Mugove heute in seine Heimat zurückkehrt und sein Dorf besucht, schmerzen ihn die dortigen Veränderungen. Die Erde ist verwüstet, die Wälder sind abgeholzt. Die meisten Bewohner sind fortgezogen, entweder in die großen Städte oder ins Ausland. Er kann den eigenen Kindern, seinem 19-jährigen Sohn und seiner 16-jährigen Tochter, nicht mehr das Dorf seiner Kindheit zeigen. Seine Kinder sehnen sich nach einem westlichen Lebensstil. Mugove erzählt, wie sich junge afrikanische Frauen eine Creme kaufen, um ihre Haut weiß zu färben. Arme Familien sparen am Lebensnotwendigen und machen Schulden, um sich teure Häuser oder ein Auto kaufen zu können. Da ist es schon eine Sensation, wenn Madonna als bewunderter Popstar bei einem Afrikabesuch in einem traditionellen, selbstverständlich schick eingerichteten Grashaus übernachtet. Solche Zeichen eines kulturellen Umdenkens machen Mugove Hoffnung. Er möchte für Afrika eine Wiederverbindung mit der natürlichen Welt erreichen, so wie er sie selber noch erleben konnte. Er möchte den Geist des kulturellen Kolonialismus mit seinen Beispielen aufbrechen. Mit Kindern aus Afrika ist er als »Karawane der Hoffnung« zur Klimakonferenz nach Durban gefahren. Vielleicht wird er ja auch noch seinen eigenen Sohn mit seiner freundlichen Beharrlichkeit überzeugen, dass der westliche Lebensstil die Erde überfordert. Der hat gerade ein Studium der Flugzeugtechnik begonnen. Mugove ist stolz auf ihn. Er schmunzelt breit, als er zu mir sagt, auch »dort oben« könne er etwas für den Klimaschutz tun.