Schulgärten für Afrika
Die kahlgeschlagene Umgebung in eine vielfältige, nahrhafte Landschaft für die Selbstversorgung umgestalten: Eine Reihe von Schulen in Afrika haben diesen Traum verwirklicht.
Im Rahmen der Lernpartnerschaft »Transition to Resilience«, einem vom EU-Bildungsprogramm Grundtvig geförderten Austauschprogramm, an dem neben dem deutschen Permakultur Institut e. V. acht weitere europäische Organisationen teilnehmen, habe ich gemeinsam mit Jan Fischer im Sommer 2011 eine einwöchige Vernetzungsreise nach England unternommen.
Unsere erste Station war Totnes, das 8200-Einwohner-Städtchen in Devon, in dem vor fünf Jahren die Transition-Town-Bewegung ihren Anfang nahm und wo heute auch die Fäden des internationalen »Transition Network«, eine der Teilnehmerorganisationen der Lernpartnerschaft, zusammenlaufen. Die lokale Initiative »Transition Town Totnes« (TTT) und das international koordinierende Transition Network teilen sich zwei geschäftige Arbeitsraumetagen, etwas versteckt in der Main Street gelegen. Dort erhalten wir beim Treffen mit Ben Brengwyn vom Network und Naresh Giangrande, der neben Rob Hopkins als Mitinitiator der Bewegung gilt, eine Übersicht über die vielfältigen Kooperationen und Projekte, die in Totnes und Umgebung die Basis für eine erdölunabhängige Zukunft legen. Derzeit gibt es 32 Arbeitsgruppen zu zehn Hauptthemenbereichen des großen Wandels: Energie, Nahrung, Wohnen, Handwerk/Kunst, Ökonomie, Gesundheit, Transport, Bildung, Herz und Seele, TTT-Service.
Bisher wurden durch die Initiative beispielsweise 135 Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der Stadt installiert, die Regionalwährung »Totnes Pound«, an der sich 70 Geschäfte beteiligen, eingeführt, mehr als 200 Nuss- und Obstbäume gepflanzt sowie kleine Parks, öffentliche Gärten und »Incredible-Edible-Sites« (»unglaubliche, essbare Orte«) für gemeinschaftlichen Gemüseanbau errichtet. Es gibt monatlich mehrere Veranstaltungen, darunter regelmäßige Filmabende, Workshops, Fahrradwerkstatt, Samentauschbörsen etc.
Neben freiwilligem Engagement vieler für eine lebendige und resiliente Stadtgemeinschaft bilden auch erfolgreiches Fundraising und der Gewinn eines 625 000 Pfund schweren Preises vom Department of Energy and Climate Change der Regierung eine finanzielle Grundlage für die Arbeit der Initiative, die mittlerweile einen nicht zu übersehenden Beitrag zur Ökonomie der Kommune leistet.
Nach zwei Tagen und drei Nächten in Totnes finden wir per Anhalter und per pedes den Weg zum 15 Meilen entfernten Permakultur-Projekt »Landmatters«, eine Gemeinschaft mit derzeit acht festen Bewohnern plus einigen Freiwilligen. Schön und abseitig gelegen in der hügeligen Landschaft, energieautark durch Windräder und Solarmodule ist Landmatters ein außergewöhnliches Beispiel für eine ländliche Lebenskultur des kleinen ökologischen Fußabdrucks. Sehr gut gefiel mir die Architektur der selbstgebauten Hütten und Jurten, die wirkten wie real greifbare, postfossile Science-Fiction.
Postfossile Science-Fiction
Arbeitsbereiche sind Waldbewirtschaftung, Obst- und Gemüsebau zur Selbstversorgung und für den Markt in Totnes, experimentelles Bauen, Recycling und regenerative Energien. Außerdem finden auf dem Gelände regelmäßig Permakultur-Kurse, andere Workshops sowie Bildungsangebote für Schulklassen statt.
Um auf dem Land außerhalb von »normalen« Dörfern leben zu dürfen, braucht es in England eine behördliche, meist nur temporär gewährte Baugenehmigung. Um diese hat das Projekt lange, kräftezehrende Kämpfe geführt, doch vor kurzem ist es geglückt, und die Erlaubnis wurde unter Anerkennung des Vorbildcharakters bis 2016 erteilt.
Als nächstes besuchten wir im nahen Cornwall die Keveral Farm, wo ich 1996 als WWOOFer tätig war und ein Jahr später meinen Permakulturdesign-Kurs absolvierte. Obwohl unangemeldete Überraschungsgäste, wurden wir sehr herzlich empfangen. Für mich war es natürlich erfreulich, die Menschen wiederzusehen und zu erleben, wie nachhaltig angewandte Permakultur ein Stück Land verwandeln kann. Aus unscheinbaren Jungbäumen ist mittlerweile ein reich tragender Obstgarten geworden und aus einem grasbewachsenen Hang, der Ende der 90er Jahre mit über 5000 Bäumen bepflanzt worden war, ein üppiger Mischwald.
Die derzeit zwölf Erwachsene und einige Kinder zählende Gemeinschaft ist als komplexes Geflecht sich überlappender Coops – Wohnen, Grundbesitz, Landwirtschaft – organisiert. Das schafft eine stabile Struktur. Die Ökonomie basiert auf Gemüsebau mit regionaler Verteilung von Gemüse-Abo-Kisten, wurde aber mittlerweile erweitert durch spezielle Nischen im Marktsegment, wie den Anbau von Shiitake-Pilzen, essbaren Blüten, Beeren, Sprossen und Mikrosalaten, wie z. B. Keimlingen von Basilikum und Amaranth, für Restaurants. Dies ermöglicht bei geringem Einsatz an Arbeit und Fläche hohe Erträge und gutes Einkommen. Ein außerordentlich sorgfältiges Gesamtdesign schafft viele nützliche Verbindungen und Kreisläufe zwischen den verschiedenen Elementen der Farm. Es gibt auch einen Campingplatz auf Keveral, der ebenfalls zur Ökonomie beiträgt. Einen Urlaub dort kann man nur empfehlen, die knappe Meile hinab zum Strand führt durch einen schönen Wald.
Keveral Farm ist, wie übrigens auch Landmatters, eines von mittlerweile 33 Lernzentren des LAND-Projekts. Das Kürzel steht für »Learning And Network Demonstration«. Es ist ein ambitioniertes, auf vier Jahre angelegtes Programm der British Permaculture Association, mit dem man englische Lern- und Demonstrationsorte für Permakultur einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen will.
Eine Besetzergruppe als treibende Transition-Kraft
Auf dem Rückweg mit der Bahn folgten wir dem Tipp von Ben und Narish aus Totnes für ein »Best Practice Project« und besuchten für zwei Tage »Grow Heathrow«, das kreative Herz von Transition Heathrow. Wenn der große Wandel dort, am westlichen Rand Londons nahe dem größten Flughafen Europas, ins Werk gesetzt werden kann, müsste es eigentlich überall funktionieren. Schon das Logo dieser Initiative ist visionär: Drei Figuren schieben in gemeinsamer Kraftanstrengung ein Luftschiff über eine Startrampe.
Sipson ist eine der zwischen Autobahn und Flughafen eingezwängten Gemeinden dieser Gegend, die weder Dorf noch Stadt sind. Hier besetzten einige Aktivisten im März 2010 das heruntergekommene Gelände einer ehemaligen Gärtnerei, befreiten es von 20 Tonnen Müll, setzten drei Gewächshäuser instand und statteten sie mit Gemeinschaftsküche und gemütlichem Aufenthaltsbereich aus, bauten Kompostklos und Hochbeete für Gemüse, richteten Schlafräume und Büros in Containern ein, machten es sich weiter wohnlich in Zelten.
Auch das angrenzende Gelände fasziniert uns, Brombeerdickicht bestimmt den Ort, Sukzessionen von Holunder und Eschen durchwachsen weitere, mehr als marode Gewächshäuser. Es erscheint uns wie nach dem Ende der Zivilisation.
Die altersgemischte Besetzer-Gruppe ergänzt sich gut. Der über 60-jährige Phil, ehemaliger Bankräuber, diktiert dem 20-jährigen Joe Eingaben fürs Gericht, mit dem sie als Besetzer unvermeidlich zu tun haben. Die jungen Kids sind fit am Computer, die Webseite ist gut gepflegt und stets aktuell. Ein anderer Typ, Mitte 40, betreibt eine öffentliche Fahrradwerkstatt. Außerdem kümmert er sich auf einer nahen Fläche, die Greenpeace einst im Widerstand gegen den (mittlerweile abgeblasenen) Ausbau der dritten Landebahn gekauft hatte, um den kommunalen Gemüsebau. Wieder andere bemalen Schilder für den Stand auf einem Fest in der Nachbargemeinde.
Transition Heathrow strahlt positiv in die umgebende Gemeinde aus. Angeblich ist die Kriminalitätsrate um die Hälfte gesunken. Die Besetzer bepflanzen mit Schulkindern Hängekörbe mit Blumen und Gemüse, die im Ort ihre Abnehmer finden – das Projekt heißt übersetzt »Heathrow-Dörfer blühen malerisch«. Zum ersten Jahrestag der Geländebesetzung lief ein großer Tortenwettbewerb, über 100 Leute aus der Nachbarschaft nahmen teil.
Am Tag der königlichen Hochzeit dann eine Großrazzia: 40 Polizisten durchsuchten alles und fanden nichts außer Gemüse, Hühner, Bienen und kreative Menschen, die mit Begeisterung für eine zukunftsfähige Gemeinschaft eintreten. »Besetzer nur mit Gemüse bewaffnet« titelte das Lokalblatt.
Darüber hinaus leistet die Initiative eine gute überregionale und internationale Vernetzungsarbeit. Im vergangenen März fand in Sipson ein europäisches Treffen von »Reclaim-The-Fields«(Fordert das Land zurück)-Aktivisten statt, im Frühsommer ein Treffen der Transition-Town-Initiativen des Großraums London. »Grow Heathrow« befruchtet die Transition-Szene mit Elementen und Positionen des Aktivismus und der Direkten Aktion und stößt damit aktuell einen spannenden Diskurs an.
Karsten Winnemuth (45) ist Permakultur-Designer, FreeFlow-Musiker, Initiator des
Vereins »Essbare Stadt e. V.« und aktiv für Transition-Town Kassel, wo er seit 21 Jahren lebt. www.ttkassel.de, www.essbare-stadt.de
Was wären wir ohne Internet …
www.transitiontowntotnes.org
www.transitionnetwork.org
www.landmatters.org.uk
www.transitionheathrow.com
www.keveral.org
www.permaculture.org.uk/land
Die kahlgeschlagene Umgebung in eine vielfältige, nahrhafte Landschaft für die Selbstversorgung umgestalten: Eine Reihe von Schulen in Afrika haben diesen Traum verwirklicht.
Die Arbeit mit Zugtieren ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Silke Hagmaier zieht obendrein großen Genuss aus der Kooperation mit ihren Haflingerpferden.
Lautlos verschwinden die Insekten aus unserer Welt. Zeit, sich die immense Bedeutung der Winzlinge für Abläufe in freier Wildbahn, aber auch in Gärten vor Augen zu führen.