Kosha Joubert und Robin Alfred leben eine Partnerschaft komplementär zu ihrem internationalen Engagement.von Dieter Halbach, erschienen in Ausgabe #13/2012
Wie kommt es, dass zwei Menschen, die an unterschiedlichen Orten aufwachsen und leben, die ihre eigenen Wege gehen, dennoch wie unausweichlich aufeinander zu leben? Dass sie, wie zwei Sandkörner unter Billionen anderen Sandkörnern, aufeinander zu treiben, als ob der Kosmos sie füreinander bestimmt hätte. Als ob es einen gemeinsamen Lebensplan gäbe. Kosha Joubert ist in Südafrika aufgewachsen, hat sich seit Kindesbeinen gegen die Apartheid gestellt und wurde so zu einer interkulturellen Botschafterin und Moderatorin. Heute ist sie Vorsitzende des Global Ecovillage Network (GEN). Robin Alfred ist in England in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Er bietet weltweit Supervisionen an, auch für große Unternehmen, lebt in der Gemeinschaft Findhorn in Schottland und ist Vorstandsvorsitzender der Findhorn Foundation. Kosha war lange Zeit meine Freundin und Kollegin im Ökodorf Sieben Linden. Nach einer Phase der Ehe und Familie und der folgenden Suche in der freien Liebe spürte sie den Ruf nach einer »spirituellen Partnerschaft«, nach einem Mann als Gegenüber für ihre immense Kraft und für ihre Sehnsucht nach einem inneren Ankommen. Als sie mich einmal spielerisch als »Orakel« befragte, wie ihre Zukunft in der Liebe aussehen würde, sagte ich, dass sie ihren Mann in der internationalen Netzwerkarbeit finden würde. Robin sah Kosha das erste Mal in Findhorn 2004 auf dem Gründungstreffen für das Projekt »Gaia Education«, ein internationales Bildungswerk zum Aufbau nachhaltiger Gemeinschaftprojekte. »Ich sah diese Frau, und es war die schönste Frau, die ich in meinem ganzen bisherigen Leben gesehen hatte. Ich wusste, dass ich sie kennenlernen musste. Ich tat alles dafür, dass sie in meinem Haus untergebracht werden würde.« Als Kosha sich einige Tage später während eines gemeinsamen Seminarbesuchs in Robin »einfühlte«, spürte sie »ein großes Ja von ihm für sie«. Die Frage nach der Unterkunft wurde so das erste und bis jetzt anhaltende »Yes« ihrer Geschichte. An diesem Wochenende verliebten sie sich ineinander. Kosha verließ Findhorn mit einem Foto von Robin in ihrer Tasche, auf dessen Rückseite auf Deutsch stand: »Ich liebe dich!«
Der Beginn einer großen Liebe Doch es sollte noch ein langer Weg werden, bis sich auch ihre Leben miteinander verbinden würden. Ein Hindernis dabei war der »Sufi-Weg« von Robin, verbunden mit seinem Versprechen, zwei Jahre lang mit keiner Frau sexuell zu verkehren oder eine Beziehung einzugehen. Was ihm allerdings jetzt in der Umsetzung kaum gelang. Nachdem der Sufilehrer Kosha gesehen und geprüft hatte, waren seine Worte: »Das ist nicht die richtige Frau für dich.« Nach einer Zeit der gemeinsamen Prüfung ihres Wunsches nach Partnerschaft kündigte Robin seinem Sufilehrer die Gefolgschaft auf. Doch Kosha war noch nicht bereit. Vor allem nach der Trennung von ihrem damaligen Mann wollte sie bei ihren Kindern bleiben und nicht nach England gehen. Ihr Gefühl zu Robin war: »Es ist entweder eine Lebenspartnerschaft oder gar nichts«. Sich aus der Ferne ab und zu als Liebhaber unter anderen Liebhabern zu treffen, funktionierte für beide nicht. So ließen sie ihre Liebe ruhen. Und wohl auch reifen. »Es ist eines dieser merkwürdigen Dinge im Universum«, dachte Robin damals. »Wir haben diese tiefe Liebe füreinander. Doch wir können nicht zusammensein.« Für ihn war es eine schmerzhafte Zeit. Sie mussten sich beide loslassen und wurden Freunde, arbeiteten in der fünfjährigen Periode an einem gemeinsamen Buch »Beyond You and Me – Inspirations and Wisdom for Building Community«. Irgendwann kam dann Koshas Phase der freien Liebe zu einem Abschluss, und eine tiefere Beziehung sollte möglich werden. Im Jahr 2010 hörte Robin von der Organisatorin einer Konferenz in Findhorn, dass Kosha als Sprecherin eingeladen war. Er bat sie, früher zu kommen, und plötzlich war die Bahn wieder frei. Beide verliebten sich erneut. Beide waren bereit für einen Neuanfang. Schon einen Monat später verbrachten sie mit Koshas Kindern Noah und Salome gemeinsame Ferien in England. So sollten sich nach fünf Jahren nun alle wiedersehen. Schon als Robin sie am Flughafen abholte, hatten die Kinder dieses große, erwartungsfrohe Lachen auf ihren Gesichtern, das Robin sogleich verzauberte. Die gemeinsame Woche beschreibt er als ein Wunder: »Alle verliebten sich ineinander. Der Familienengel, oder unser Familienwesen, inkarnierte sich in dieser Zeit. Es war ein Gefühl von Stimmigkeit, zusammen eine Familie zu gründen. Es gab da einen Moment eines Abends, als ich die Kinder zu Bett gebracht und die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, da durchströmte mich dieser Vater-Archetyp und zog in meinen Körper ein. Ich fühlte, dass ich bereit dafür war.« Als er Kosha später dieses Gefühl beschrieb, antwortete sie: »Auch wir sind jetzt bereit dafür.« Wenn er von diesem Moment erzählt, kommen Robin heute noch die Tränen. Es ist das Gefühl, endlich angekommen zu sein: Zuhause bei seiner Familie. Binnen sechs Monaten war der Plan ausgearbeitet, wie Kosha mit den Kindern nach Findhorn kommen würde. Der Ex-Mann, die Kinder, alle gaben ihr Ja-Wort.
Nach dem Ja-Wort Für Robin ist die neue Familie auch ein Fokus für seine Arbeit in der Welt. Er liebt es, Geld für alle heranzuschaffen. Und genießt es, wenn die Kinder ihn »Dad« nennen. Dabei schwingt zwar immer auch eine Traurigkeit mit, dass er keine »eigenen« Kinder hat. Doch mit der Zeit werden Koshas Kinder immer mehr zu seinen eigenen. Auch der leibliche Vater will und muss respektiert und integriert werden. Manchmal sind die beiden Väter zusammen im Haus, und das ist wohl nicht immer einfach. Es scheint Robin wie eine »karmische Aufgabe«, in dieser Konstellation zu leben, auch wenn sie nicht seinem Ideal entspricht. Jedoch ist »Familie als Heimat« eine Erfahrung seiner jüdischen Herkunft, aus der er schöpfen kann. Kosha dagegen kommt aus einem eher gebrochenen Familienzusammenhang, der sich in ihrer Gegenposition zur Apartheid ausdrückte und sie alleine gegen die Familie stehen ließ. Sie fühlt sich sicherer in offenen Beziehungen und Gemeinschaften. In ihren intimen Verbindungen spürt sie immer wieder große Spannung. So hat sie sich mit eher harten Eigenschaften ausgerüstet: stark zu sein, alleine klarzukommen und eigenes Geld zu haben. Auch die Spannung zwischen ihrem Engagement in der Welt und ihrem Muttersein war schon immer groß. Jetzt, in der Partnerschaft mit Robin, scheint etwas sehr Tiefes in ihr heilen zu können: »Es gibt bei mir eine starke Verbindung zwischen meiner Arbeit in der Welt und dem Aufbau eines Heims für mich und meine Familie. In meiner Arbeit bei GEN geht es oft um den Aufbau echter Heimat in der Welt. Um in dieser Arbeit Menschen guttun zu können, spüre ich, wie es immer wichtiger wird, in meinen eigenen intimen Beziehungen dieses geschützte Heim zu erfahren. Das bedeutet auch, wieder Frieden zwischen Mann und Frau zu schaffen. Es scheint mir ein größeres Abenteuer, dieses Zuhause aufzubauen, als in den Dschungel des Amazonas vorzudringen. Vertrauen in die Nähe zu einem Mann aufzubauen, macht mich verletzlich. Ich bin es eher gewohnt, mich zu schützen und zu kämpfen.« Auch Robin hat diese Nähe 35 Jahre seines Lebens zu vermeiden versucht – und sie gleichzeitig auch gesucht. Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass er wirklich mit einer Frau zusammenlebt. Für ihn geht es im Alltag vor allem darum, eine gute Balance zwischen allen zu finden: »Ich möchte Kosha unterstützen, ihre wichtige Arbeit in der Welt zu tun. Und ich möchte sie gleichzeitig unterstützen, entspannt und empfänglich zu sein. Das gleiche wünsche ich mir selbst. Es ist eine große Herausforderung, das alles unter einen Hut zu kriegen: Zeit für mich, füreinander, für die Kinder, für die gemeinsame Arbeit, für die eigene Arbeit.« Robins Alltag war bisher von dem Dualismus geprägt, draußen ein Krieger zu sein und zu Hause ein einsamer Mönch. Jetzt aber hat er Kosha und die Kinder in seine Welt hineingelassen. Der Mönch ist damit ein Haushälter geworden. Und ein Teil seines furchtlosen Krieger-Seins braucht es jetzt zu Hause im Kampf mit den eigenen und kollektiven Dämonen zwischen Mann und Frau. Der Tanz der gemeinsamen Arbeit Durch diesen Alltag und seine Herausforderungen vertieft sich aber wiederum die eigene Arbeit in der Welt. Schon allein deshalb, weil die meisten Menschen immer noch, gerade in traditionellen Kulturen, in Familien leben und ihre Gemeinschaften davon geprägt sind. Jetzt können Robin und Kosha ein breiteres und reicheres Verständnis dieses »Herzens der Realität« einbringen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, beispielsweise an dem erwähnten Buch, hatte Kosha die Rolle der Projektleiterin. Als es dann um ein gemeinsames Leiten ging, kamen auch die ersten Konflikte: Wer führt, wer bleibt wann im Hintergrund? Doch mittlerweile ist daraus ein wunderbarer Tanz geworden. Gemeinsam haben sie im Jahr 2011 Kurse im Ökodorf Sieben Linden und in Indien geleitet sowie eine Konferenz über den Aufbau von zivilgesellschaftlichen Projekten in Ägypten, die in der Kulturinitiative Sekem in der Wüste nordöstlich von Kairo stattfand. Kosha beschreibt ihre Rollenverteilung so: »Robin hat mehr Zugang zur Welt von Macht und Geld. Er arbeitet mit großen Unternehmen, hat in Oxford und Cambridge studiert. Er bewegt sich gerne und selbstverständlich als Mann in dieser Welt. Ich dagegen habe eher kleine, alternative Initiativen kreiert. Jetzt möchte ich GEN gerne zu einer großen, einflussreichen Organisation machen. Robin hilft mir sehr, Visionen und Ziele zu konkretisieren und zu realisieren. Bei der Konferenz in Ägypten kamen viele einflussreiche Menschen, und die Herausforderungen waren groß. Ich war die Initiatorin, die Gebärerin, und Robin an meiner Seite war der Moderator, der Geburtshelfer. Das war ein wunderbarer gemeinsamer Tanz.« Robin ergänzt aus seiner Perspektive: »Kosha hat ein riesiges Potenzial. Doch manchmal vergisst sie, zu delegieren und das zu tun, was den gemeinsamen Prozess am besten fördert. Dann meint sie, alles alleine machen zu müssen. Ich glaube, ihre größte Gabe ist ihre visionäre Kraft. Es tut ihr deshalb gut, sich etwas zurückzulehnen und die Visionärin zu sein, ohne auch noch die Organisation und die Leitung zu übernehmen. So kann sie mehr entspannen und ihr Herz weich halten. Es ist auch eine Frage des Alters. Kosha ist 43 Jahre, ich bin 54. Ich brauche die Welt nicht mehr zu erobern, das habe ich schon ausreichend getan. Jetzt möchte ich andere darin unterstützen.« Auf diese Art können beide ein Hafen füreinander sein, eine Inspiration auch in ihrer Unterschiedlichkeit. Gerade für Menschen in Führungspositionen scheint das enorm wichtig zu sein. Kosha sieht dies bei sich und auch in ihrer Arbeit immer wieder: »Frauen können der Welt Liebe und Sanftheit geben, viel mehr, als wir denken. Doch manchmal können wir es nicht ausdrücken oder wir finden die Balance zwischen Mutterschaft und unserem Weltengagement nicht. Dann verschließt sich unser Herz – für die Welt oder für unsere Kinder. Es wird einfach zu viel. Deshalb ist es so heilsam, wenn ein Partner uns unterstützt. Die sanfteren Teile meines Frauseins, meine weibliche Führerschaft, können dann deutlicher erscheinen. Weibliche Führungskraft bedeutet für mich, dass ich in Schönheit empfangen kann – und darin nicht ausgenutzt werde.« Für die Zukunft haben Kosha und Robin den Wunsch, mehr Projekte gemeinsam zu entwickeln, auch im Bereich der Frauen- und Männerarbeit. So lehren sie immer auch, was sie selbst gerade lernen. Kosha erzählt: »Die Menschen suchen nach Vorbildern in Paaren, die gegenseitige Unterstützung und Frieden verkörpern. Viele junge Frauen suchen in mir eine Mentorin, ebenso junge Männer bei Robin. Wenn sie uns in liebender Verbindung sehen, wird die Anziehung noch stärker und vertrauensvoller für sie. Sie rufen nach uns beiden, selbst dann, wenn wir uns als Paar manchmal gerade ganz anders fühlen.« Diese Erfahrung ist gemeint, wenn die beiden sagen: Wir machen die Arbeit, uns als Paar zu finden, nicht nur für uns selbst. Wir dürfen nicht länger in der Liebe scheitern. Liebe ist nicht nur privat, sie ist groß und wirksam. Zerbrechen Beziehungen, hinterlassen sie ein Loch und eine Wunde im feinen Netz unserer Gemeinschaften. Es ist wie ein Schock. Oft wird uns das noch nicht bewusst, es wird nicht ausgesprochen und nicht wahrgenommen.
Was siehst du? Heute bei unserem Skype-Interview sitzen Kosha und Robin zunächst weit auseinander und machen etwas angespannte Gesichter. Offensichtlich ist es nicht ganz der richtige Moment, ihre Beziehung zu zeigen oder gar zu feiern. Doch später hat Robin den Arm um Kosha gelegt, sie sehen sich an und sprechen nicht mehr in erster Linie zu mir, sondern zueinander. Welche Freude für mich, das zu sehen! Ein Grund mehr für eine gegenseitige Liebeserklärung zum Schluss. Robin, was siehst du in Kosha? »Ich sehe ihre große kulturelle Komplexität und ihren Reichtum. Ich sehe ihre Leidenschaft für die Welt, ihre Sanftheit, Liebe und Fürsorge. Ich sehe auch eine große Kapazität zur Entspannung (Schmunzeln). Und ich liebe sie!« Kosha, was siehst du in Robin? »Ich sehe den Archetyp des guten Königs. Robin wirkt auf mich sehr männlich. Er kommt aus den 60ern und 70ern, hat dieses Rock’n’Roll-Feeling, das sehr rauh und frei ist. Das bringt er zusammen mit seiner Liebe für die Welt. Er gibt Unterstützung, Halt, Stärke, Klarheit, Sicherheit für die Menschen, damit sie erblühen können. Das sehe ich auch für die Kinder. Und das macht mich sehr glücklich. Es braucht gute Männer für gute Frauen!«