Eine »Bildungsreise« durch die Bodenseeregion.von Katharina Philipp, erschienen in Ausgabe #13/2012
Sechs Wochen lang bereisten wir die Region: Simon und ich, die beiden Bardigiano-Pferde Bea und Tina sowie zahlreiche Freunde und neue Bekannte, die uns jeweils für ein Stück begleiteten. Im Gepäck hatten wir nicht nur unseren mobilen Pizzaofen »Paul«, Zutaten zum Pizzabacken und unsere Habseligkeiten, sondern auch viele Ideen, Motivation und Begeisterung für Permakultur, Transition Town, Lokalvermarktung und unser aller Zukunft. Die Idee zu dieser Reise entstand im Sommer 2010 auf einem Permakulturdesign-Kurs im Ökodorf Sieben Linden. »Mit Pferdekutsche und Pizzaofen durch die Welt reisen, Leute treffen und in der Natur sein.« So formulierten wir damals unseren Traum, der 2011 Realität werden sollte. Von Anfang an war die Reise als Projekt im Rahmen unserer Ausbildung an der Permakultur-Akademie geplant und erdacht. Wir wollten nicht nur bei der Gestaltung der Kutsche, sondern auch in Bezug auf Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit sowie beim Aufbau der gesamten Reise die Permakulturprinzipien beachten und verschiedene Gestaltungsmethoden anwenden. Diese Herangehensweise trug dazu bei, das Projekt zu einem besonderen Erlebnis zu machen, nicht nur für uns. Bereits im Januar machten wir uns an die Vorbereitungen. Es galt, einen Verein zu gründen, Fundraising zu betreiben, Pferde zu kaufen, diese kennenzulernen und zu trainieren und die Kutsche zu bauen. Im Juli ging es dann los.
Von Mensch zu Mensch Durch unsere Kontakte zu vielen Bioland- und Demeter-Höfen waren die Zutaten für unsere Pizza immer lokal, biologisch und saisonal. Kreative Rezeptideen wurden ausprobiert, auch mal mit Roten Beten, Pastinaken oder Steckrüben. Fast jeden Abend feuerten wir unseren Ofen an und buken Pizza für die Menschen vor Ort, die wir zum Teil erst kurz zuvor kennengelernt hatten. Die waren meist begeistert: von der Idee, den Pferden und den spontanen Treffen. So war jeder Abend ein Fest – und wie nebenbei fand Austausch über Lokalvermarktung, bewussten Konsum, Permakultur und die Transition-Town-Idee statt. Genau das war unsere Idee: Begeisterung und Motivation in die Region, zu den Menschen zu bringen. Wir sind davon überzeugt, dass es auf die positive Vision ankommt. Gemeinsam können wir aktiv Teil des globalen Wandels sein! Anfangs hatten wir auch kurz mit dem Gedanken gespielt, Marktstände und Vorträge zu organisieren. Doch wollen wir in Qualitäten und nicht in Produkten denken. Wenn wir uns persönlichen Austausch über Zukunfts- und Herzensangelegentheiten und außerdem Begegnung, Spaß und Kontakt wünschen, sind Vorträge wahrscheinlich die falsche Herangehensweise. Immer wieder begegneten wir auch Menschen, die von unseren Themen noch nie gehört hatten und sich trotzdem nach Austausch sehnten. Unser Wunsch war ja auch, nicht nur in der alternativen Szene unterwegs zu sein, sondern die gesamte, vielfältige Gesellschaft zu treffen. Dabei wollten wir nicht mit erhobenem Zeigefinger unterwegs sein, sondern lieber authentisch das leben, was uns wichtig ist, wollten jeden Menschen anhören und Raum für Austausch schaffen, um Gefühlen, Ängsten und Träumen in Bezug auf unsere Zukunft Raum zu geben. Die positive Kraft und die Impulse der Transition-Town-Initiativen halfen uns, den Menschen zu vermitteln, wie wichtig es ist, sich zu verbinden und gemeinsam unsere Region zu gestalten. Wir durften erleben, dass das Bedürfnis nach Kommunikation tatsächlich in jedem Menschen steckt. Dass es so nicht weitergehen kann, ist allen Menschen klar, auch denen, die sich sonst weniger Gedanken machen und für die unsere Themen nicht zum Alltag gehören. Das hat uns sehr ermutigt und bestärkt. Ideen und Träume, wie wir unsere Welt kreativ mitgestalten können, fanden wir überall, in jeder und jedem einzelnen. Wir trafen überall interessante Leute und erlebten großherzige Gastfreundschaft. Menschen, die zum Beispiel über Nacht ein Fest mit mehr als 50 Leuten organisierten – die Pizza steuerten wir bei oder gaben sie gegen Spende ab.
Der Weg war nicht das Ziel So reisten wir umher, spannten ein Netz und knüpften Kontakte, auf denen wir nun aufbauen können. Auf unserer Kutsche befand sich alles, was wir brauchten: unser Schlafplatz, Zaun für die Pferde, um ganz unabhängig unser Lager aufschlagen zu können, Werkzeug für Not-Reparaturen an der Kutsche, Zutaten für spontane Pizza und auch Material für den einen oder anderen Infostand für größere Veranstaltungen. Ein kleines Solar-Panel lieferte den Strom zur Beleuchtung der Kutsche und für den elektrischen Weidezaun. Es kam vor, dass wir am Morgen noch nicht wussten, wo wir am Abend sein würden. Wir hatten ein paar feste Termine, der Rest sollte sich von alleine ergeben. So war jeder Tag einzigartig und lief doch ähnlich ab. Zum Frühstück gab es Kaffee (bei Sonne aus unserem Solarkocher), dann mussten der Pferdezaun abgebaut und die Pferde geputzt, aufgeschirrt und angespannt werden. Wir fuhren meistens auf kleinen Wegen und Radwegen und vermieden große Straßen. Bis zu 30 Kilometer pro Tag reisten wir so in Schrittgeschwindigkeit, manchmal mit Pausen. Die Pferde hätten auch mehr geschafft, aber es kam uns schließlich nicht auf die Strecke, sondern auf die Stopps an. An manchen Orten waren wir sogar zweimal. Nach dem Ankommen auf einem Hof, einem Bauplatz, einer Kuhwiese, einem Garten oder vielleicht sogar ganz in der Wildnis schirrten wir die Pferde wieder ab, zäunten sie ein, brachten ihnen Wasser und machten uns ans Pizzabacken. So war unser Tag voll von alltäglichen Arbeiten und Ritualen, die uns viel Sicherheit und Gewohnheit brachten. Oft ergaben sich spontane Gespräche. Die Leute fragten uns nach den Logos auf unserer Kutsch-Plane: Mitfinanziert wurde die Reise unter anderem durch Sponsoring der Permakultur-Akademie und von Oikocredit, außerdem ist das Logo unseres Vereins »Centauri – kreative Umweltbildung« sowie das der Initiative »wirundjetzt.org« (siehe Oya 10) darauf gedruckt. Kinder waren natürlich besonders begeistert von den Pferden, und oft durften sie spontan für ein paar Kilometer mitreisen. Ausgesprochen selten waren wir alleine, meistens wurden wir begleitet von Radfahrern, Wanderern, Kindern oder anderen Kutschen. Basislager unserer Reise war die Rosenmühle bei Ravensburg. In der frisch gegründeten, kleinen Gemeinschaft fühlten wir uns von Anfang an wohl und haben uns den jungen Familien nach der Kutschfahrt sogar ganz angeschlossen. Einen Stopp während unserer Reise legten wir dort ein, um ein Permakultur-Kurs mit Schwerpunkt Hühnerhaltung zu besuchen. Außerdem organisierten wir ein Dragon-Dreaming-Seminar mit John Croft in Tüfingen, bauten während einer Hitzepause an der Rosenmühle ein Kompost-Klo und machten zur Landbau-Party bei der Wildnisschule Corvus am Bodensee Station. Pizza gab es auch beim Einhalden-Festival auf dem Einhalden-Hof und beim Rock-for-Nature-Festival in Pfullendorf. Besonders während der Planungsphase, aber auch während der eigentlichen Reise – stets waren die Permakultur-Ethik und -Gestaltungsprinzipien eine wichtige Inspiration für uns. Kreisläufe statt Abflüsse schaffen, die Lösung im Problem erkennen, in Qualitäten denken statt in Produkten. Sowohl in der Kommunikation unter uns, aber auch in der eigentlichen »Bildungsarbeit« lieferte uns die Permakultur wichtige Leitlinien. So machten wir nicht nur den Permakulturgedanken in der Region bekannter, sondern lernten auch, die Prinzipien konkret auf unser Projekt anzuwenden. Für uns war es eine tolle Zeit, mit vielen Erlebnissen, Erkenntnissen und Begegnungen. Bea und Tina lernen jetzt gerade das Holzrücken und sollen auch in Zukunft noch viel mit der Kutsche unterwegs sein – und vielleicht einmal den Acker der Rosenmühle pflügen.
Katharina Philipp (22) studiert Permakultur an der Permakultur-Akademie Deutschland und lebt in der Gemeinschaft »Rosenmühle«.