Mach was draus!
Die herkömmlichen Spielplätze werden schnell langweilig. Eine neue Generation von Spielplatzbauern geht andere Wege.
Otto Ulrich erfindet Spiele. Zum ersten Mal stand er 1980 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kanzleramt von Helmut Schmidt vor dieser Aufgabe. »Da spielten wir intern Regierungsplanspiele, um interdisziplinäre Prozesse erlebbar zu machen«, erinnert er sich. »Eine sehr aufwühlende Zeit. Vor dem Kanzleramt demonstrierten Tausende Menschen, auch in Gorleben oder am Frankfurter Flughafen. Berater wie der Philosoph Claus-Michael Meyer-Abich oder Ernst-Ulrich von Weizsäcker, damals Präsident des Wuppertal-Instituts, reichten immer wieder Expertisen ein, deren Grundbotschaft war: Die Massendemonstrationen sind Folge einer technischen Vereinnahmung der Natur, die so nicht weitergehen kann – ein neues Paradigma ist gefragt. Das zu vermitteln, war aber sehr, sehr schwierig. Letztlich konnte es in der SPD nicht greifen.«
Otto Ulrich war selbst Teil der Protestbewegung. »Ich bin in der wilden 68er-Zeit an die TU Berlin gekommen«, erzählt er. Eigentlich wollte er studieren, um Berufsschullehrer zu werden und aus seinem bisherigen Beruf als Physik-Ingenieur in der Luft- und Raumfahrtindustrie auszusteigen. In Berlin geriet er mitten in die studentischen Diskussionen und damit zum Studium von Politikwissenschaft, Soziologie und Bildungsökonomie.
»Wir brauchen weniger von diesen verkopften Debatten, müssen wegkommen von dieser Kultur des Sitzens«, forderte Otto in dieser Zeit immer wieder. Es zog ihn dorthin, wo mit zukunftsweisenden Ideen gespielt wurde, sei es in das kreative gesellschaftliche Gebräu, aus dem in den 80er Jahren die Grünen hervorgingen, oder zur Gründung von Eurosolar durch Hermann Scheer im Jahr 1988. »Mit Hermann Scheer war mir immer klar, dass die Regierungen und NGOs im Rahmen ihrer Konferenzen keine Wende bewirken können. Top-Down-Prozesse funktionieren nicht«, ist Otto überzeugt. In seinem ersten Roman »Der Staatsbesuch«, der 1998 erschien, nahm er die Occupy-Bewegung vorweg, auch wenn seine Empörten im Roman nicht gegen die Banken, sondern gegen den Zukunftsrat einer Regierung, die eine gentechnisch optimierte Informationsgesellschaft entwerfen will, protestieren.
Tatsächlich werden in den 90er und 2000er Jahren die Empörten immer weniger. Für Otto Ulrich ist es unfassbar, dass erst nach dem Weckruf des Weltklimarats das Thema »globale Erwärmung« eine gewisse Breite erreicht. Und dass es im Wesentlichen ein top-down-vermitteltes Thema bleibt. »Bis heute fehlt im Alltag ein wirklicher Bürgerdialog zur Energiewende. Wer gibt die Dinge vor? Nach wie vor die Regierung, die Netzbetreiber. In ihr Paradigma passen nur zwei der vier Säulen für eine Energiewende, nämlich technisch neue Lösungen und Effizenz. Die beiden anderen, Energieeinsparung und eine Suffizienzkultur, bleiben außen vor.«
Bitte abkühlen!
Der Klimabericht 2007 war für Otto Ulrich der Anlass, »Cooling Down« zu erfinden, ein Spiel wie ein trojanisches Pferd: ein Konsumprodukt für den bürgerlichen Familientisch. Genau dorthin möchte er die Diskussion über Konsumkritik bringen und vor allem die Vorstellungskraft für einen Faktor wecken, der fatalerweise kaum vorstellbar ist: exponenzielle Entwicklungen. Die Grundfrage des Spiels ist: Schafft es die Menschheit, bis 2050 die globale CO2-Emission um die Hälfte zu reduzieren? Sechs Weltregionen sind zur Kooperation herausgefordert. Eine Zeitachse korrespondiert mit einem CO2-Pfad, und je nach Entscheidung der Spielenden geht es in die eine oder andere Richtung. Ereigniskarten bringen Energiewende-Prozesse oder auch böse Überraschungen, wie Druck seitens der Kohleindustrie ein. Im Spielverlauf wird sichtbar, welche Dynamik die Überlagerung mehrerer positiver oder negativer Trends auslösen kann. Das Ziel des Spiels sind mehrere »Rettungsboote«. Die Spielenden haben gemeinsam gewonnen, wenn sie im Boot »Null-Carbon-Gesellschaft« angekommen sind. Eine anderes Rettungsboot heißt »Kuhdung-Weltgesellschaft«.
Seit der ersten Auflage des Spiels 2009 hat sich die Debatte über eine Postwachstumsökonomie belebt. »Heute würde ich die Abkehr vom Wachstums-Paradigma noch stärker betonen, auch die Notwendigkeit, neue Lebensformen zu finden«, überlegt Otto. »Der ganze Diskurs zur Nachhaltigkeit ist noch zu reformistisch. Nach wie vor geht es um die Instrumentalisierung der Natur statt um die Frage, was Suffizienz im Kern bedeutet – nämlich zu sich selbst zu kommen, statt sich über das Haben zu definieren«. Inzwischen arbeitet er an Spielen, die sich an Plätzen einer realen Stadt abspielen sollen: Es geht vom Planspiel in die Wirklichkeit.
Die herkömmlichen Spielplätze werden schnell langweilig. Eine neue Generation von Spielplatzbauern geht andere Wege.
In unserer Begeisterung für das Internet sollten wir nicht vergessen, dass sich unser linguistisch und intellektuell staunenswert leistungsfähiges Gehirn nicht erst angesichts des Computers oder in der Wechselbeziehung zum geschriebenen Wort entwickelt hat. Das menschliche Gehirn
Johannes Heimrath Bertrand, ich freue mich, dass wir hier in Berlin zusammenkommen. Fast dreißig Jahre sind wir Freunde und Wegbegleiter. Ich erinnere mich an die Zeit Ende der 80er Jahre, in der wir über das Wort »Kind« nachgedacht und festgestellt haben: Solange wir es