Und dann ab damit in die Erde! Wie man Biokohle zur Verbesserung des eigenen Gartenbodens selbst herstellt.
von Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #18/2013
Die Szenerie, die sich Mitte November auf einem wendländischen Bauernhof beobachten ließ, findet man seit einiger Zeit in unterschiedlichen Formen an vielen Orten; YouTube-Videos aus aller Welt geben Zeugnis von einer eigenartigen Bewegung. Der Hintergrund der Köhlerei-Experimente heißt »Terra Preta«, indianische Schwarzerde: Wissenschaftler haben entdeckt, dass mehr als 10 Prozent der vermeintlichen Wildnisfläche des Amazonas-Gebiets nicht die üblichen, äußerst mageren Regenwaldböden aufweisen, sondern offenbar menschgemachte, meterdicke Humusschichten. Proben zeigen, dass diese Kulturböden zum Teil seit vielen Jahrhunderten hoch fruchtbar sind, ohne Anzeichen von Ermüdung zu zeigen. Der Clou der Terra Preta und der Grund für ihre Farbe ist dabei ihr etwa fünf- bis zehnprozentiger Anteil von Holz- bzw. Pflanzenkohlepulver, das den für die Bodengesundheit essenziellen Mikrolebewesen ein ideales Habitat bietet und zugleich Pflanzennährstoffe stabil bindet. Wie die alten Amazonasbewohner diesen ganz besonderen Dauerhumus herstellten, ist nicht überliefert. Doch hat die Kunde von den sagenhaften Eigenschaften der indianischen Schwarzerde weltweit den Forschergeist von Gärtnern und Tüftlerinnen angestachelt (siehe Oya Ausgabe 12). Auch ich experimentiere seit drei Jahren zusammen mit Freunden nach der Methode von Jürgen Reckin. Für unsere ersten Versuche verwenden wir Holzkohle, die wir in großen Säcken per Autoanhänger von einer mehr als 50 Kilometer entfernten Köhlerei herankarren. Der damit erzeugte Humus ist vielversprechend – aber so richtig »rund« fühlt sich die Sache nicht an, solange der Kreislauf um die Wundererde nicht vollständig lokal, oder zumindest regional, abläuft. Es scheint keinen rechten Sinn zu ergeben, die Hauptzutat für eine wunderbare Post-Kollaps-Technologie wie Terra Preta mit Geld zu kaufen und unter Verbrennung von Erdöl zu transportieren, wenn man sie – theoretisch – selbst herstellen kann. Aus diesem Grund hatte ich mich zu dem Workshop aufgemacht, bei dem ich eine einfache Methode kennenlernen würde, mittels eines selbstgebauten Pyrolyseofens Holzreste zu verköhlern. Das Einbringen von Holzkohle in die Böden stellt Wissenschaftlern zufolge eine vielversprechende Möglichkeit einer »CO2-Senke« dar, denn das von den Bäumen eingelagerte Klimagas wird hier stabil im Humus gebunden. Traditionelle Köhler arbeiten mit erdbedeckten Meilern. Die Verwendung von Metallöfen mit Schornstein ist demgegenüber viel weniger belastend, weil man nicht tagelang auf dem schwelenden Haufen verbringen muss. Allerdings passt in so einen Mini-Meiler natürlich bei weitem nicht so viel Holz, und das Metall ist unter Post-Kollaps-Gesichtspunkten auch kein optimales Material (siehe den Artikel auf Seite 48).
Wurmflucht als Warnlicht Dummerweise kühlte meine Terra-Preta-Begeisterung erst einmal merklich ab, als ich nur wenige Tage vor dem Lehrgang die Bekanntschaft von Hermann Paulenz machte, der als Student bei dem Hamburger Abwassertechnik-Professor Ralf Otterpohl intensiv zu Terra-Preta-Lösungen forscht. Die Frage der richtigen Biokohle, so meinte Hermann gleich zu Beginn unseres Gesprächs, sei wegen möglicher Schadstoffbildung bei nicht optimaler Verkohlung recht heikel – so heikel, dass er von der Kompostierung mit Kohlezusatz eher abrate: »Selbst bei gleichen Ausgangsstoffen unter gleichbleibenden Bedingungen haben wissenschaftliche Versuche Pflanzenkohle von recht unterschiedlicher Qualität hervorgebracht.« Wer aber wolle sich schon freiwillig der Gefahr aussetzen, Gifte ins Beet einzubringen, fragte Hermann, und fügte hinzu, dass es doch noch viele andere faszinierende Methoden zur Fruchtbarkeitssteigerung gäbe, etwa die von Herwig Pommeresche (siehe Kasten auf Seite 28). Wer dennoch keinesfalls auf Pflanzenkohle verzichten wolle, könne die bei nicht-optimaler Verschwelung entstehenden polyzyklisch-aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) bzw. flüchtige organische Verbindungen (VOC) durch Kresse- oder »Wurmflucht«-Tests nachweisen. Die empfindliche Kresse wächst nämlich auf schadstoffbelasteten Untergründen nur kümmerlich, Regenwürmer suchen das Weite.
Aufbau und Betrieb des Pyrolyseofens Nun denn, machen derartige Herausforderungen das Forschen nicht umso reizvoller? Daniel Oliver Habenicht, der uns im Wendland das einfache Modell eines Pyrolyse-Ofens vorstellte, zeigte sich von den »polyaromatischen Kollegen«, wie er sie scherzhaft nennt, nur wenig beeindruckt. Er weiß, dass die Gefahr der PAK-Entstehung ab einer Temperatur von etwa 450 Grad rapide abnimmt. Es gelte also, Öfen zu bauen, die imstande sind, die nötige Hitze zu erzeugen. Unter Daniels Aufsicht befüllten wir zunächst eine kleine Tonne dicht mit dünnen Holzstücken, wie man sie etwa aus einem Ofenscheit als Anmachholz hackt. Diese erste Tonne schoben wir dann vorsichtig mit der offenen Oberseite voran in eine liegende größere Tonne, die anschließend wieder aufgerichtet wurde, so dass die befüllte kleine Tonne nun umgestülpt in der größeren stand (der Radiusunterschied der Tonnen beträgt idealerweise etwa 20 Prozent). Das Holz in der inneren Tonne wird unter Hitzeeinwirkung wegen des Luftabschlusses verkohlen, nicht verbrennen. Das beim Verkohlen – der Pyrolyse – entstehende Holzgas drückt dann unter dem auf dem Boden der größeren Tonne stehenden Tonnenrand heraus und befeuert zusätzlich den Holzverbrennungsprozess, der in dem Raum zwischen den beiden Tonnen abläuft – denn auch dieser Raum wird sorgfältig bis unten hin mit trockenen, kleinen Holzresten bestückt. Die große Tonne hatten wir zuvor bereits kurz über ihrem Boden mit einer ganzen Reihe von Luftlöchern (Durchmesser 4 bis 5 cm) versehen, und auch der Tonnendeckel bekam eine exakte Öffnung für das Ofenrohr. Hiermit ist der Aufbau beschrieben. Das für die Hitze sorgende Holz zwischen den Tonnen wird von oben abgebrannt, wobei wir herausfanden, dass ein gleichmäßiges Herunterbrennen am besten dadurch erzielt wird, dass man zunächst auf der kleineren Tonne ein klassisches Indianerfeuerchen als Initialfunken entzündet. Nach einigen Minuten verteilten wir die entstehende Glut auf das Holz zwischen den Tonnenwänden und setzten dann den Deckel mit dem Abzugsrohr auf, das bei unserem erfolgreichsten Versuch (trockenes Holz!) eindrucksvoll zu wummern begann und bald auch nur noch recht klaren Rauch entließ – beides, laut Daniel, gute Zeichen. Mit den Händen ließ sich auch in der Entfernung von einigen Zentimetern abfühlen, an welchen Stellen das Feuer in der Tonne besonders gut herunterbrannte. Indem wir Sand vor einzelne Luftlöcher häuften und wieder wegnahmen, konnten wir die Gleichmäßigkeit der Hitzeentwicklung ein wenig beeinflussen. Als es mit der frühen Dämmerung kühler wurde, war ich froh über die Wärmeabstrahlung von unseren beiden Versuchs-Kohlemeilern. Doch eigentlich, so dämmerte mir, wäre es wohl besser, den Verlust an Wärme zu minimieren. In einigen YouTube-Videos hüllen die Hobbyköhler ihre Öfen in Mineralwolle. Ich nahm mir vor, bei meinen anstehenden Experimenten zu versuchen, die große Tonne mit Lehm und alten Backsteinen zu ummauern oder aber den Ofen gleich in die Erde zu versenken, mit Rohren für die Luftzufuhr. Als das Feuer seinen Brennstoff aufgebraucht hatte, stürzten wir den Ofen vorsichtig um, zogen die innere Tonne heraus und löschten ihren schwarzen, knisternden Inhalt vorsorglich mit Wasser ab, um mit dem plötzlich reichhaltig vorhandenen Sauerstoff keinen Abbrand aufkommen zu lassen. Am Ende standen fünfzehn erwachsene Leute um die ersten Häufchen selbstproduzierter, dampfender Biokohle und freuten sich. Unsere eigenen Komposthaufen zu Hause werden bald eine ganz besondere Zutat erhalten. •