»Das Land denen, die es bearbeiten!« Landbesetzungsprojekte in Spanien pochen auf das Menschenrecht auf Boden.
von Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #20/2013
Die Landverteilung etwa im Osten Deutschlands mit seinen riesigen agrarindustriellen LPG-Nachfolgebetrieben ist extrem ungerecht, sie blockiert jede sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung des ländlichen Raums. Dennoch hört man selbst unter den Unzufriedenen kaum je Forderungen nach einer radikalen Landreform, welche die Bodenallmende neu verteilen könnte – ja, die Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen, ist hierzulande fast tabuisiert, das Eigentum an sich so etwas wie eine »heilige Kuh«. Anders auf der iberischen Halbinsel, wo handfeste Landbesetzungen durch arbeitslose Tagelöhner in einer jahrzehntealten Tradition stehen.
Tierra y libertad! Als es 1936 im katholisch-aristokratisch-agrarisch geprägten Spanien zu umstürzlerischen Zuständen kommt, sind die Fürsprecher einer sozialen Revolution auf die Situation bereits langfristig vorbereitet. Allein in der anarchistischen Gewerkschaft CNT hatten sich damals landesweit fast zwei Millionen Arbeiterinnen (und auch nicht wenige Intellektuelle) bestens organisiert. In den von diesen Kräften dominierten Landesteilen – in Dörfern, auf den Landgütern und nicht zuletzt in Großstädten wie Barcelona – wurden die Landwirtschaft, die damals vergleichsweise unterentwickelte Industrie und die sonstige Infrastruktur wie Verkehrs- oder Postwesen nach lange ausgearbeiteten und – so gut es ging – eingeübten Plänen in anarchistischer Selbstorganisation organisiert (und funktionierten in vielen Fällen besser als zuvor). George Orwell, der diese Zeit miterlebte, schrieb: »Man hatte das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein. Menschliche Wesen versuchten, sich wie menschliche Wesen zu benehmen und nicht wie ein Rädchen in der kapitalistischen Maschine.« Die Bereitschaft, sich für Strukturen zu engagieren, die dem Gemeinwohl dienen, war besonders in der euphorischen Frühphase der spanischen Revolution riesig. Nicht nur das urbane Proletariat wusste, was es will, und wie es anzustellen ist. Auch das 70 Prozent der Arbeiterschaft stellende, bis dahin in Elend, Unterdrückung und Ausbeutung darbende Heer der Landarbeiterinnen und -arbeiter auf den Latifundien bemächtigt sich vielerorts des Bodenkapitals, um es gemeinschaftlich zu nutzen. Die damals schon über 50 Jahre alte Forderung »¡Tierra y Libertad!« (»Land und Freiheit!«) entwickelte sich rasch zur Losung der revolutionären Sache – und schlug sich schließlich 1995 im Titel von Ken Loachs sehenswertem Doku-Spielfilm »Land and Freedom« nieder. Anhand dieses Films lässt sich übrigens gut nachvollziehen, wie die hoffnungsvoll begonnene gesellschaftliche Umgestaltung in der folgenden militärischen Auseinandersetzung mit den von Hitler und Mussolini massiv unterstützten Truppen des Generals Franco sowie in den internen Differenzen der verschiedenen republikanischen Fraktionen (d.h. allen nicht-franquistischen Kräfte, die jeweils eigene Visionen eines demokratischen Spanien hatten) zerrieben wurde – ein trauriges Geschichtskapitel, umso mehr, als die nun folgende Militärdiktatur vierzig lange Jahre andauern sollte, bis Franco schließlich 1975 starb.
Ein ganz normales spanisches Kaff – und Hort des Sozialismus Heute, noch einmal fast vierzig Jahre später sorgt ein andalusisches 3000-Seelen-Dorf auch international für Aufsehen, weil es den Kampf um die Utopie, die in den 30er Jahren so greifbar schien, nicht nur nicht aufgegeben, sondern seine spezifische Vorstellung von der Utopie mit viel Beharrlichkeit sogar ein gutes Stück weit realisiert hat. Dabei ist das rote Marinaleda der Landarbeiterinnen alles andere als eine Hochburg der typischen urban-europäisch-bürgerlich-kulturkreativen Alternativszene. Einmal abgesehen von den allgegenwärtigen, an realsozialistische Zeiten erinnernden Wandparolen unterscheidet sich das Dorf im von Hitze, Trockenheit, Agrarindustrie und Arbeitslosigkeit geprägten Süden des Landes auf den ersten Blick praktisch nicht von seinen Nachbarorten. Und doch ist dieses zunächst unauffällige Marinaleda ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn Menschen beginnen, für das Recht auf ihre Commons zu streiten – und die erkämpften Gemeingüter, hier vor allem Boden und Wasser, klug und kollektiv zu nutzpflegen. Während der Franco-Diktatur und nach ihrem Ende hatte sich an den alten aristokratischen Landbesitzstrukturen erst einmal nichts geändert. Noch heute ist die Herzogin von Alba mit »ihren« geschätzt 34 000 Hektar die größte Grundeignerin Andalusiens. Marinaleda liegt im Bereich eines 17 000-Hektar-Guts, das dem Herzog von Infantado im 15. Jahrhundert vom spanischen König übertragen worden war. Der aktuelle Abkömmling des Geschlechts beschäftigte auf dem Grund, der heute von den Bewohnern Marinaledas kollektiv bewirtschaftet wird, vier Traktoristen und einen Aufseher. Die Leute aus dem Dorf waren froh, wenn sie als Tagelöhner drei Monate im Jahr Arbeit bei den Ernteeinsätzen bekamen. Es heißt, dass unter ihnen bis in die 80er Jahre hinein Hunger nichts Ungewöhnliches war; mehrere Familien teilten sich jeweils winzige Häuschen. Wer konnte, ging weg, am besten ins Ausland. 1979 gab es dann die ersten freien Gemeinderatswahlen, da hatten die meist arbeitslosen Tagelöhner bereits angefangen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, und sich in der Landarbeitergewerkschaft SOC/SAT organisiert. Vom »Syndicato de Obreros de Campo« sagen manche, dass es die radikalste Gewerkschaft Europas sei. Ihre Mitglieder bedienen sich der anarchistischen Taktik der »Direkten Aktion«, was bedeutet, dass man nicht irgendwelche Mächtigen oder Beamten um die Gewährung eines Rechts oder um ein Almosen bittet. Derartige Zwischenschritte werden ausgelassen, und man unternimmt (in Umsetzung des Prinzips der »Anwesenheit des Ziels in den Mitteln«) gleich konkrete Schritte in Richtung Ziel. Beispielsweise besetzt man Land, wenn man glaubt, Land zu brauchen und als Erdenbürger ein Recht darauf zu haben. (Ein anderes Beispiel für eine Direkte Aktion wäre der berühmte »Salzmarsch« des Anarchisten Gandhi.)
Occupy Ackerland Die Leute von Marinaleda betrieben diese Taktik in weitgehender Geschlossenheit und mit einer bewundernswerten Ausdauer: In den 80ern warfen sie sich vor Erntemaschinen und sabotierten die Traktoren, hunderte Male besetzten sie die Finca des Herzogs, einmal für 90 Tage und Nächte am Stück. Und sie gingen der Öffentlichkeit mit ihrem Anliegen gehörig auf die Nerven, indem z.B. 800 Frauen aus dem Dorf über Tage Straßen und Plätze im 100 km entfernten Sevilla in Beschlag nahmen. Ganz zwölf Jahre lang bewiesen sie ihren langen Atem, blockierten Flughäfen, städtische Bahnhöfe und Banken, gingen zu 700 für fast zwei Wochen in Hungerstreik (!), okkupierten wieder und wieder symbolisch das von ihnen beanspruchte Ackerland – bis die Landesregierung von Andalusien schließlich 1992 genug hatte, und dem Junker im Rahmen einer Landreform zwangsweise 1200 Hektar abkaufte, um sie der eilig gegründeten Genossenschaft der Tagelöhner von Marinaleda zur Verfügung zu stellen. Ein erstaunlicher, ein bemerkenswerter Sieg. »Das Land zu bekommen, war ein großer Schritt vorwärts,« resümiert der ebenso eloquente wie charismatische Bürgermeister Juan Manuel Gordillo, der mit seiner Gemeinderats-Fraktion der linken Landarbeiter seit 1979 immer wieder klar bestätigt wird. »Aber uns wurde bald klar, dass das Land, auf dem wir arbeiteten, nicht ausreichte, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen. Also haben wir Betriebe aufgebaut, in denen die Früchte des Landes verarbeitet werden: Paprika, Artischocken, Bohnen, Oliven und Olivenöl. Jetzt haben wir hier tatsächlich Vollbeschäftigung.« Das Zitat des 62-Jährigen mit dem Castro/Marx-Rauschebart und dem obligatorischen Palästinensertuch stammt aus einem vor der spanischen Krise geführten Interview. Die Preise für die Agarprodukte sind zwischenzeitlich eingebrochen und einige auswärts arbeitende Dorfbewohner haben ihre Jobs verloren, so dass das mit der Vollbeschäftigung nun nicht mehr korrekt ist. Dennoch liegt das Dorf weit unter der andalusischen Arbeitslosenquote von 31 Prozent.
Die Roten können nicht wirtschaften? Die Betriebe der Genossenschaft machen jährlich etwa 5 Millionen Euro Umsatz, die bescheidenen 3 Prozent Gewinn werden nach Möglichkeit in die Aufstockung der bestehenden 500 Arbeitsplätze reinvestiert. Im Dorfsozialismus von Marinaleda verdienen vom Bürgermeister bis zur Konservenfabrikfließbandarbeiterin alle das gleiche, nämlich 47 Euro in sechseinhalb Stunden, 1200 Euro im Monat. Das ist im Regionalvergleich gar nicht so wenig, und das Leben in der realutopischen Enklave ist dank einiger gemeinschaftlicher Errungenschaften auch nicht teuer: der Besuch des örtlichen Schwimmbads kostet pro Saison 4 Euro, der monatliche Kindergartenplatz 14. Es gibt eine nach Gordillos Idol Che Guevara benannte Sporthalle, und derzeit ist ein kostenloses Altersheim in Planung. Erwähnt werden muss zudem die dorfeigene TV-Station, doch am meisten Bewunderung erhält die Gemeinde regelmäßig für ihr soziales Wohnungsbauprogramm, durch das mittlerweile 350 einfache, aber schöne Häuschen entstanden sind. Eine Familie kostet so ein Haus im Monat nicht mehr als 15 Euro Kreditrückzahlung, in Buchstaben: fünfzehn. Euro. Siebzig Jahre lang. Dann gehört ihr die Immobilie; sie darf vererbt, jedoch nicht verkauft werden, um Spekulation zu verhindern. Möglich wird das ganze durch die Kombination eines Fonds der andalusischen Regierung, die Baumaterial für sozialen Wohnungsbau bereitstellt, mit gut organisierter dörflicher Eigenarbeit. Eine einzugswillige Familie soll sich mit 400 Arbeitstagen an dem Bau beteiligen. Für solche Bautage gibt es in den genossenschaftlichen Agrarbetrieben jederzeit unbezahlten Urlaub, wer nicht selber Hand anlegt, muss einen Nachbarn dafür bezahlen. Als ein weiterer Grund für die gut aufgestellte Gemeinwohl-Infrastruktur Marinaledas wird »Sparsamkeit« angegeben. Seit der Abschaffung der Polizeitstation etwa hat die Gemeinde jährlich 350 000 Euro für anderes zur Verfügung – wer braucht schon Wachtmeister in der Utopie? Und einen Großteil der Straßenreinigung und kommunalen Instandsetzungsarbeiten erledigen die Bewohner unentgeltlich im Rahmen monatlicher Freiwilligeneinsätze, den sogenannten Roten Sonntagen. In dieser Utopie wird viel gearbeitet, auch in der Freizeit. Ebenfalls typisch für das widerspenstige iberische Dorf: Als die andalusische Regierung einmal behauptete, der Baumaterial-Fonds sei erschöpft, besetzten die Genossen kurzerhand das Parlament. Es dauerte nicht lang, da war plötzlich wieder Geld vorhanden. (Allerdings lief das Programm 2012 aus und wurde nicht mehr aufgelegt.)
Demokratie: sehr gut. Ökologie: suboptimal. Eine Gemeinschaft, die über Gemeingüter verfügt, braucht demokratische Spielregeln für die Verwaltung derselben. Auch in Sachen Demokratie schreitet Marinaleda beispielgebend voran, Bürgermeister Gordillo erläutert: »Wirkliche Teilhabe ist entscheidend, und deshalb haben wir die Vollversammlung der Ortsbewohnerinnen und -bewohner zum höchsten Entscheidungsorgan gemacht. Uns ist klar geworden, dass direkte Demokratie besser als repräsentative ist, denn die Leute nehmen dann nicht nur alle vier Jahre bei den Wahlen politischen Einfluss, sondern jeden Tag in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens.« Die Idee ist, dass in der »Asamblea«, der bis zu 60 Mal im Jahr tagenden Vollversammlung des Dorfes, alles besprochen und entschieden wird, was die Gemeindepolitik und auch die Entwicklung der acht Genossenschaftsbetriebe betrifft. Die im offiziellen Gemeinderat mit komfortabler Mehrheit »regierenden« Abgeordneten vom »Einheitskollektiv der Landarbeiter/Block der andalusischen Linken« (die streng genommen eben nicht regieren, sondern sich von diesem Volksgremium freiwillig kontrollieren lassen) setzen den Willen der Dorfversammlung dann um, soweit es in ihrer Macht steht. Kritiker werfen dem visionären Bürgermeister Despotismus vor, er dominiere die Versammlungen und setze überall seinen Willen durch. Woraufhin der entgegnet, er wäre froh, wenn die Abstimmungen immer in seinem Sinne verliefen. Im übrigen könne die Asamblea ihn ja jederzeit absetzen. So liegt das Problem der bei aller Demokratie doch sehr zentralen Figur des Bürgermeisters vielleicht eher darin, dass Gordillo für das Gesamtprojekt Marinaleda als Visionär und natürliche politische Autorität ziemlich unverzichtbar erscheint – was, so fragt eine Journalistin, »wenn er vom Traktor überfahren werden sollte?« Oder den nächsten, dann bereits dritten, Mordanschlag nicht überlebt? Der streitbare Juan Manuel Gordillo ist über die Landesgrenzen bekannt, bei vielen politischen Gegnern auch berüchtigt für seine radikalen Positionen und Methoden, seine Zähigkeit. Wikipedia ordnet ihn als »Anarchokommunisten« ein, er selbst bezeichnet sich als Sozialisten, Antikapitalisten, Utilitaristen, Pazifisten und als Öko bzw. als »Grünen«. Letzteres wirft auch die Frage auf, wie die Menschen von Marinaleda eigentlich ihre Landallmende behandeln. Gordillo sagt, man »begegne der Umwelt mit Respekt«. Aus der radikalen spanischen Ökobewegung jedoch werden Marinaledas Agrarkollektive offenbar bereits seit längerem dafür kritisiert, dass ihre Art der Landbewirtschaftung sich wenig von den intensiv-konventionellen Methoden des Umfelds unterscheide; die oft schon angekündigte Umstellung auf Bio-Produktion hätten sie noch immer nicht umgesetzt. Moniert wird zudem, dass der Vertrieb ihrer Produkte komplett über Großhandel und Supermarktketten laufe und dass so gar nicht in Richtung einer lokalen Selbstversorgung gearbeitet wird.
Eine proletarische Utopie Es sieht so aus, als gäbe es eben ganz unterschiedliche Vorstellungen von der Utopie. Die Aktivisten Isabelle Fremeaux und John Jordan hatten auf der Recherchereise für ihr Buch- und Filmprojekt »Pfade durch Utopia« (Nautilus 2012, lesen/angucken!) auch einen spontanen Abstecher nach Marinaleda gemacht und sich zunächst von dem dort Geschaffenen durchaus beeindrucken lassen. Beim Besuch in der Konservenfabrik sticht ihnen jedoch der Kontrast zur Utopie des Charles Fourier aus dem 19. Jahrhundert ins Auge. Fourier träumte von einer Gesellschaft, in der niemand eine Arbeit länger als zwei Stunden verrichten müsste. Die Landarbeiter von Marinaleda hatten während ihres langen Kampfes um den vom Herzog kontrollierten Grund immer »Land, Arbeit und Würde« gefordert (interessanterweise nicht »Land und Freiheit«). Isabelle Fremeaux schreibt über ihr Empfinden beim Anblick der Fabrikarbeiterinnen: »Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob es wirklich einem Leben in Würde entspricht, wenn man jeden Tag seines Arbeitslebens am Fließband steht und acht Stunden lang die gleichen Handbewegungen wiederholt – Kooperative hin oder her.«
Das Beispiel findet Nachahmer Seit Anfang März 2012 halten weitere andalusische arbeitslose Landarbeiter mithilfe der Unterstützung eines großen nationalen und internationalen Sympathisantinnenkreises das staatseigene Landgut Somonte in Palma del Rio besetzt. Die 400 Hektar des Guts lagen seit längerer Zeit brach, zuletzt sollten sie an private Investoren verkauft werden. Nun legt die Besetzungsbewegung Gemüsegärten an, denkt über Schaf- und Ziegenhaltung nach und forstet das streckenweise fast wüstenartige Gelände mit Hecken, Oliven-, Nuss- und Obstbäumen auf. In dem Jahr seit Beginn der Aktion kamen bereits hunderte Journalisten, um über die Besetzerinnen und deren zentrale Ziele zu berichten: »Umweltschutz [!], Ernährungssouveränität [!], Antikapitalismus, soziale Gerechtigkeit«. Das »lebensnotwendige Gemeingut« Land ist den Aktivisten zufolge ebenso wie der Wind und das Wasser keine handelbare Ware, sondern schlicht ein Menschenrecht, bzw. »un derecho del pueblo«: ein Recht des Volkes. Nicholas Bell vom Europäischen BürgerInnenforum nahm im Winter an einer kleinen Konferenz in einer der Lagerhallen von Somonte teil, bei der neben den Besetzern vor allem Vertreterinnen aus dem Netzwerk der besetzten spanischen Dörfer sowie von anderen europäischen Landkooperativen wie z.B. Longo Maï teilnahmen. Auch Bell gibt in seinem Reisebericht dem offensichtlich »anderen« subkulturellen Hintergrund der Landarbeiter Ausdruck: »Zu Beginn war dieses Treffen zwischen den Kollektiven und den Besetzer_innen von Somonte nicht einfach«, schreibt er. »Da stießen zwei Welten mit ganz verschiedenen Prioritäten, Funktionsweisen und Sprachen aufeinander: Aussteiger_innen, die ursprünglich aus der Stadt kommen, und gewerkschaftlich organisierte Landarbeiter_innen, die viel von der Arbeiterklasse und vom Kampf um die Arbeit sprachen.« Trotz aller Unterschiede sei man sich beim abendlichen Kreis ums Feuer dennoch bald näher gekommen.
In Deutschland gab es in den letzten Jahren zahlreiche »Feldbefreiungen« zur Begleitung und medialen Kulmination der politisch ziemlich erfolgreichen Anti-Gentechnik-Kampagnen. Freilich ging es bei diesen Direkten Aktionen im weitesten Sinne um unsere Gemeingüter, nicht jedoch explizit um die Eigentumsverhältnisse an Land. Ob der südspanische Kampf um die Bodenallmende wohl eine Chance hat, vom Mittelmeer in den Norden zu schwappen? Sicherlich sind die Verhältnisse in vielerlei Hinsicht kaum miteinander vergleichbar, so dass entsprechende Aktionen – etwa von den zahlreichen ländlichen Wendeverlierern in Ostdeutschland – kaum zu erwarten sind. Vergleichbar ist nur das Ausmaß an Nicht-Enkeltauglichkeit der momentanen Agrarland-Eigentumsverhältnisse. Not und Unzufriedenheit werden auch hierzulande steigen, und Menschen werden sich wohl zunehmend auch hier fragen, warum sie von ihrem Recht auf Land getrennt sind … •