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Der gestohlene Fluss (Buchbesprechung)

von Matthias Fersterer, erschienen in Ausgabe #26/2014
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Hinter »Benten Clay« verbirgt sich nicht etwa eine Consulting- oder Investmentfirma, sondern ein Ber- liner Künstlerinnenkollektiv. Ihrem Namen verplich- tet – eine Abwandlung des im geplanten finnischen Atommüllendlager »Onkalo« zur Strahlendämmung eingesetzten Tonmineralgesteins Bentonit (englisch: »bentonite clay«) –, erforschen die Projekte der Medi- enkünstlerinnen Vera Hofmann und Sabine Schründer Fragen zwischen Ökologie, Macht und Gesellschaft.
In dem liebevoll ausgestatteten Hörbuch »Der ge- stohlene Fluss« lauscht man einem einstündigen Mo- nolog des isländischen Landwirts Örn Þorleifsson. Als einziges Mitglied seines Gemeinderats hatte dieser sich gegen den Bau des ökologisch verheerenden Kár- ahnjúkar-Staudamms, der das Fjarðaál-Aluminium- werk mit billiger Energie versorgt, ausgesprochen.
Und so wurde der Gletscherfluss Jökulsá á Dal – einst Habitat von Seehunden, Schmarotzermöwen und Fischen – umgeleitet, abgesenkt, »gestohlen«. Heute »lebt darin kein Leben mehr«. Entgegen den Versprechungen der Politik steigert das Großprojekt nicht den Wohlstand der Bevölkerung, sondern nur die Profite des US-Konzerns Alcoa (siehe Oya Ausgabe 3).
In isländisch intoniertem Deutsch – seine Mutter stammte aus dem österreichischen Waldviertel – und monotonem Singsang empört sich Bauer Þorleifsson über angeblich saubere Energie, die aber tatsächlich »Dreckenergie« sei, und echauffiert sich über kor- rupte Politiker, »olle Pastoren« und andere »Quatschköpfe«, die aus Gewinnsucht die Zukunft ihrer Enkel verspielen. Provoziert wird seine Empörung durch
die tiefe Liebe zum Land, auf dem er lebt. Es ist ein Monolog, wie ihn ein milde gewordener Thomas Bernhard hätte schreiben können, wenn den Meister der Schimpftirade denn je Altersmilde ereilt hätte.
Sobald die sonore Stimme des Bauern ertönt, verwandelt sich das synthetische Glimmen des Ab- spielgeräts vor dem inneren Auge in ein flackerndes Herdfeuer, und man beginnt zu verstehen, warum ge- schriebene Wortkunst in mündlicher Erzähltradition und diese wiederum in mehr-als-menschlichen Landschaften wurzelt. Am Ende erzählt Þorleifsson eine Anekdote, die das Geheimnis eines geerdeten Lebens und zugleich ein Antidot gegen turbokapitalistische Weltvernutzung verrät: Wenn er als Student dem Autobus aus dem zwölf Stunden entfernten Reykjavik entstieg, habe er sich an den Wegesrand gesetzt und rauchend gewartet, bis seine Seele nachgekommen sei. »Man soll nicht alles übertreiben«, resümiert er trocken.

 

Der gestohlene Fluss 
Benten Clay (Hrsg.)
Erzählt von Örn Þorleifsson 
1 CD, 2012, 68 Minuten
www.bentenclay.com 
20,00 Euro

 

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