Permakultur

Auf den Spuren von lebendigen Kulturen

In Ostafrika hat der soziale Aspekt von Permakultur hohe Bedeutung.von Katharina Philipp, erschienen in Ausgabe #27/2014
Photo

Von 2008 bis 2010 arbeitete ich als Freiwillige über den »Internationalen Christlichen Friedensdienst EIRENE« im Osten Ugandas im Projekt »Salem Brotherhood«.
Genau zu dieser Zeit startete ein Baumpflanzprojekt in den Dorfgemeinschaften. Die sehr ländliche Gegend nahe dem Mount Elgon ist mehr und mehr von Verwüstung bedroht. Uganda – die »Perle Afrikas« – ist eigentlich sehr fruchtbar; die ­Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch bereits deutlich zu spüren. Auf längere Trockenzeiten folgt jeweils stärkerer Regen, der die Erde davonträgt. 22 Monate war ich vor Ort, und meine Aufgabe zusammen mit ­ugandischen Freiwilligen und Projektmitarbeitern bestand darin, die Bewohner der lokalen Dorfgemeinschaften dafür zu begeistern, einheimische Bäume in ihre Gärten zu pflanzen. In dieser Zeit begegnete mir auch zum ersten Mal die Permakultur.
Zurück in Deutschland, absolvierte ich die Ausbildung an der Permakultur-Akademie. Ich beschäftigte mich unter anderem mit Tiefenökologie sowie mit Naturverbindung und Wildniswissen nach Jon Young. Mit Freunden gründete ich in meiner neuen Heimat am Bodensee die Initiative »wirundjetzt«: Wir wollen eine Kultur erforschen und erschaffen, zu der wir aus ganzem Herzen Ja! sagen können. Die starken Erfahrungen aus Uganda waren für mich in diesem Engagement essenzielle Kraftquellen – konnte ich doch dort eine Kultur mitleben, die näher an naturverbundenen Ursprüngen liegt als unsere Kultur hier in Deutschland.
Anfang 2014 war nun der Ruf für mich groß, zurück nach Uganda zu gehen. Ich wollte Freunde wiedersehen und prüfen, ob ich vielleicht mein Permakulturwissen dort einbringen könnte. Außerdem wollte ich den Bugishu-Stamm in den Bergen besuchen, dessen Älteste treffen, Geschichten hören. Auf meiner Reise in eine lebendige Kultur wollte ich eigene Forschungen und neue Erfahrungen machen.
Kaum war mein Entschluss gefasst, nach Uganda zu gehen, kam einiges in Bewegung. Seit zwei Jahren gibt es in Kenia ein Permakultur-Institut, das Designkurse anbietet und auch – genau während meines Afrika-Aufenthalts – ein »Teacher’s Training« mit Warren Brush organisierte. Ein großer Unterstützerkreis half mir dabei, zwei ugandischen Freunden einen Designkurs zu ermöglichen, um dann mit ihnen zusammen zum Training für Permakulturlehrer nach Nairobi zu fahren.
Warren Brush ist ein bekannter Desig­ner, der in Kalifornien die Gemeinschaft »Quail Springs« mitbegründet hat. Er ist von der Naturverbindung und dem Wissen indigener Völker inspiriert, speziell von dem der Ureinwohner Nordamerikas. Die »Acht Schilde« nach Jon Young sind für ihn ein wichtiges Design-Werkzeug für den Aufbau lebendiger Workshops, von Landschaften und Gemeinschaften. Das an den Qualitäten der acht Himmelsrichtungen ausgerichtete Modell erschafft kulturelle Räume, die ganzheitliches Lernen ermöglichen.
Für mich war es besonders schön, die familiäre Atmosphäre unter den Menschen in Ostafrika zu spüren, die sich für Permakultur interessieren. Auch in Kenia gab es bewegende Begegnungen mit Menschen, die eine verbindende Kultur schaffen wollen – zur Erde, zueinander und zu sich selbst; Menschen, die den großen Wandel spüren, die sich nach einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Mutter Erde sehnen. Ich traf Menschen mit Biografien, die von Armut, Krieg und Überlebenskampf gezeichnet sind, und die jetzt – unter anderem durch die Permakultur – ein weltweites Netz spüren, das sie trägt.
Warren Brush unterrichtet Permakultur auf lebendige Art: durch Geschichtenerzählen, Naturverbindungsmethoden und durch Herzens-Kommunikation in Redekreisen. Neben all den Begegnungen und dem Austausch war aber auch Zeit, meine eigene Beziehung zur Permakultur zu vertiefen. Mir wurde bewusst, dass eine lebendige Kultur immer durch Verbindung mit dem Land entsteht. All das, was das Land, auf und in dem wir wohnen, uns schenkt – Nahrung, Kleidung, Lieder, Geschichten – tief zu ehren und sich dieser Geschenke bewusst zu sein, trägt zu einer lebendigen Kultur bei. Die direkte Interaktion mit dem Land, das Arbeiten mit der Erde und das Bestellen des Bodens, um Nahrungsmittel zu erzeugen, sind unsere tiefen Wurzeln – auch hier in Deutschland.
Permakultur bekommt für mich so noch tiefere Dimensionen: Sie ist auch ein Zurückschauen auf die Weisheit unserer Ahnen und deren Umgang mit der Erde; sie ist eine Integration des modernen Wissens und des Wissens traditioneller Kulturen.

Wie fühlt sich Permakultur an?
Zurück in Uganda, begannen wir, kleine Permakultur-Einführungskurse mit den Bauern und Bewohnern der lokalen Dorfgemeinschaften rund um Nakaloke im Distrikt Mbale zu veranstalten. Durch die künstlichen Düngemittel und Pestizide wie auch durch den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut war dort das alte Wissen über Kompost, Mulchen, Pflanzgemeinschaften, Regenwassernutzung und Erosionsschutz mehr und mehr verlorengegangen. Daher gab es viel Motivation und sogar das Gefühl der Notwenigkeit, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen.
Spannend war es, die Hintergründe und Designprinzipien der Permakultur in Worte zu übersetzen, die auch bäuerliche Menschen ohne Schulbildung verstehen können: »Wie fühlt sich Permakultur an?« anstatt »Was ist Permakultur?«.
In unseren Workshops versuchten wir also, die Kultur eines achtsamen Miteinanders zu schaffen. Eine verbindende Kultur untereinander ist meiner Meinung nach ebenso wichtig wie die gemeinsame Arbeit mit der Erde und dem Land. So fühlt sich für mich Permakultur an!
Die Bäuerinnen und Bauern lieben Geschichten; sie lieben es, im Kreis zu sitzen und zu teilen. Schnell führte unser Austausch in tiefgehende Bereiche. Auch Menschen in Uganda sehen, dass sich ihre Kultur verändert. Menschen gehen in die Städte, um Geld zu verdienen, und verlernen ihre Sprachen und Traditionen, hören die alten Geschichten nicht mehr. Bräuche und Rituale, die aus einer tiefen ­Naturverbindung und Wertschätzung für die Erde hervorkamen, werden nach und nach vergessen. Es ist an der Zeit, sich zu erinnern – da kann die Permakultur eine große Inspirationsquelle sein! Die Ältesten und die Großväter und Großmütter haben schon nach naturverbundenen Prinzipien ihr Land bestellt; intuitiv wussten sie, was für ihr Land richtig und und für ihre Enkel tauglich ist.
Die Bauern lieben es auch, in Aktion zu gehen: Regenrinnen aus Bananenstämmen, Wasserauffanggräben, Komposthaufen – einfache, aber zugleich effektive Methoden der Permakultur wurden gleich praktisch umgesetzt.

Die Weisheit der Ältesten nutzen
Wo die Leute in Dorfgemeinschaften zusammenwohnen, sind die Ältesten neben den Kindern die wichtigsten Menschen. Durch ihre Lebenserfahrung und gewachsene Weisheit fungieren sie als Berater, Mentoren und oft auch als spirituelle Führer der Jüngeren. Während meines Besuchs in Uganda traf ich einige Älteste des Bugishu-Stamms. Ich erzählte ihnen, dass wir uns in Deutschland gerade damit beschäftigen, unsere Kultur »wieder aufzubauen« – und etwas zu schaffen, zu dem wir wirklich Ja! sagen können. Ich erzählte ihnen von Permakultur und auch davon, dass viele Älteste verschiedener alter Völker zur Zeit ihre Weisheit mit dem Westen teilen, zur Heilung unserer Welt.
Im Gegenzug hörte ich Geschichten von alten Methoden des Nahrungsanbaus und der Vorratshaltung, von Ritualen, die die Fruchtbarkeit der Erde stärken. Die Erzählungen ließen mich die tiefe, naturverbundene Spiritualität dieses Bergvolks spüren. Ihr Rat für mich: »Das erste ist, dass ihr eure Ältesten respektiert.« – Und was ist, wenn sie nicht da sind? Dann liege es an den Jungen, den Austausch zu suchen. Es gehe darum, mit viel Wertschätzung und Sensibilität eine Kultur zu leben, in der die Ältesten die Jüngeren stärken, in der alle gehört werden und alle sich gegenseitig in die Kraft bringen, um ihr jeweiliges Potenzial zu entfalten.
Für mich ist das ein essenzieller Punkt in der sozialen Permakultur. Mehr und mehr lerne ich, wie wichtig es ist, die älteren Menschen unserer Gemeinschaften in ihr Ältesten-Sein zu initiieren, um auch in dieser Richtung Kreisläufe zu schaffen. Ich träume von regionalen Ältestenkreisen, vom Austausch zwischen den Generationen sowohl über Permakultur und Gemeinschaft als auch über Lebens- und Sinnfragen. •

 

Katharina Philipp (24) begeistert Menschen, sich zu verbinden und Dinge zu tun, die ihre Gaben entfalten und dabei auch noch viel Spaß ­machen.


Interessiert an Freiwilligendienst im Ausland?
www.eirene.org
Praktika am Permakultur-Institut in Kenia: www.pri-kenya.org
Die acht Schilde nach Jon Young: www.8shields.com
Katharinas Initiative am Bodensee: www.wirundjetzt.org
Netzwerk für Verbindungskultur: www.circlewise.org
Salem International: www.salem-international.org

weitere Artikel aus Ausgabe #27

Photo
von Christina Stange

Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine (Buchbesprechung)

»Time is Honey« (Zeit ist Honig) schreibt Karlheinz A. Geißler poetisch und augenzwinkernd. Gleichzeitig ist es ihm ernst mit der Zeit, denn er nutzt viel davon, um sich mit ihr zu beschäftigen – als langjähriger Zeitforscher betrachtet er mit zunehmendem

Photo
von Christina Stange

Anständig leben (Buchbesprechung)

Sarah Schill berichtet in ihrem locker aufgemachten Buch »Anständig leben« über den ernsthaften Versuch, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern  – mit einem Monat veganem, plastiklosem und bewusstem Konsum. Oder ist es doch nicht ernstgemeint,

Photo
von Matthias Fersterer

Die Tagebücher von Adam und Eva (Buchbesprechung)

Er will seine Ruhe. Sie möchte reden. – Er will den Tieren Namen geben. Sie kommt ihm immer zuvor. – Er hält sie für emotional überspannt, sie ihn für nicht besonders helle. – Er will keinen Ärger. Sie möchte verbotene Früchte ernten. Sie

Ausgabe #27
Verbundenheit

Cover OYA-Ausgabe 27
Neuigkeiten aus der Redaktion