von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #24/2014
Müssen wir Menschen immer erst die Extreme auspendeln, um uns schließlich einer ausgewogenen Mitte nähern zu können? Zahlreiche neue Bücher zum vegetarischen und veganen Kochen deuten den Umschwung unseres »Ernährungspendels« an: weg von Fleisch und Wurst, von billig und viel, hin zu »ohne Fleisch« oder gar »ohne tierische Produkte«. Eine, die den Umschwung von einem Extrem ins nächste – allerdings in entgegengesetzter Reihenfolge – hinter sich hat und sich inzwischen auf die ausgewogene Mitte zubewegt, ist Lierre Keith. Die Autorin lebte zwanzig Jahre lang vegetarisch bzw. vegan und kann so aus eigener Erfahrung berichten, was das für Körper und Leben bedeutet.
In ihrer »Streitschrift über nachhaltige und ethische Ernährung mit Fleisch und die Missverständnisse und Risiken einer streng vegetarischen und veganen Lebensweise« betrachtet sie unsere Ernährung, unsere Landwirtschaft und die Entscheidung, vegetarisch oder vegan zu leben, aus moralischer, politischer und gesundheitlicher Sicht. Mit zahlreichen Quellen unterlegt sie ihre Aussagen und lässt bisweilen gleich die Forscher sprechen. Damit ist ihr ein äußerst lehrreiches Buch gelungen.
Wussten Sie beispielsweise, dass in Getreiden Substanzen namens »Exorphine«, enthalten sind, die eine ähnliche Suchtwirkung haben wie Opiate? Haben wir vielleicht (fast) die ganze Welt mit Getreidemonokulturen bepflanzt, weil uns Mais, Reis, Weizen usw. abhängig machen? Folgt man der Argumentation der Autorin, sind diese als Nahrungsmittel nur bedingt geeignet für zahlreiche Zivilisationskrankheiten verantwortlich. Schonungslos ist auch ihr Urteil über die industrialisierte Landwirtschaft und das, was der Getreideanbau den Ökosystemen und den Böden antut. Denn schließlich verbrauchen wir mit unserer Bewirtschaftung gerade den Humus, der sich innerhalb von Tausenden von Jahren entwickelt hat und der nicht eben schnell wieder zu reparieren ist.
Doch wo ist der Ausweg aus der zivilisatorischen Misere? Für Lierre Keith ist die Antwort klar: Wir müssen unsere Abhängigkeit von der Erde – gleichgültig, ob wir nun Pflanzen oder Tiere töten, um sie zu essen – anerkennen und die damit verbundene Verantwortung annehmen. Im Hinblick darauf, was wir essen sollten, ist die entscheidende Frage: »Was wächst da, wo du wohnst, ohne die Ökosysteme zu zerstören?<<. Sorge dafür, das es gedeihen kann, und lebe davon!
Ethisch essen mit Fleisch Eine Streitschrift über nachhaltige und ethische Ernährung mit Fleisch und die Missverständnisse und Risiken einer streng vegetarischen und veganen Lebensweise. Lierre Keith Systemed Verlag, 2013, 249 Seiten ISBN 978-3927372870 14,99 Euro