Buchtipps

Ackergifte? Nein danke! (Buchbesprechung)

von Astrid Emmert, erschienen in Ausgabe #29/2014
Photo

Ute Scheubs Buch zur gleichnamigen Kampagne »Ackergifte? Nein Danke!« (siehe Oya 26) liest sich wie ein Krimi: Es gibt ein schier unglaubliches Verbrechen, es gibt Täter, unzählige Opfer – aber niemanden, der von Amts wegen um die Aufklärung des Falls bemüht wäre – nur »organisierte Verantwortungslosigkeit«, wie es die Autorin formuliert. Es packt und schüttelt und schockt einen von der ersten bis zur letzten Seite – und das umso mehr, da die Leserin ja weiß, dass es sich hier nicht um eine fiktive Geschichte mit sicherem Happy End handelt. Vielmehr wird man mit Fakten konfrontiert, die sich beim besten Willen nicht schönreden lassen: So geht das »Pestizid Aktions-Netzwerk« (PAN) von Hunderttausenden Toten jährlich und vielen Millionen schwerer Vergiftungsfälle aufgrund von Pestizideinsätzen aus. Auch der Umstand, dass Tier- und Pflanzenarten heute mindestens tausendmal schneller aussterben als in den vergangenen 60 Millionen Jahren, sei in großem Maß auf den exzessiven Einsatz von euphemistisch »Pflanzenschutzmitteln« genannten Giften zurückzuführen. Ein solcher Artenschwund stelle das Überleben zukünftiger Generationen in Frage, denn mit dem Kollaps ganzer Ökosysteme drohe auch die Welternährung zusammenzubrechen.

Seltsam, dass ein Problem mit Ausmaßen, die denen des Klimawandels ähneln, so wenig Aufmerksamkeit erfährt. Das mag mit den »Lobbys und Lügen« zusammenhängen, denen Ute Scheub in den gleichnamigen Kapiteln auf die Spur kommt. Die Recherchen der Autorin werden durch Erfahrungsberichte und Beispiele greifbar gemacht. So schildert sie den Fall eines Landwirts, dessen 34 Jungziegen an den Folgen einer Pestizidvergiftung verendeten.

Doch belässt es Ute Scheub nicht bei einer Bestandsaufnahme von Praktiken und Konsequenzen der derzeit die »entwickelten« Länder dominierenden Agroindustrie. Sie zeigt auch, welche Ansätze einer ackergiftfreien Landwirtschaft schon heute erfolgreich praktiziert werden. Ob Permakultur oder symbiotische Landwirtschaft – es gäbe genügend Alternativen, die das Potenzial haben, der Geschichte unserer Nahrungsmittelproduktion ein Happy End zu verschaffen. Doch Voraussetzung für eine solche »Landwende« wäre eine breite politische Bewegung. Vielleicht kann das Büchlein zur Streitschrift einer derartigen Bewegung werden – bringt es die Fakten doch prägnant auf den Punkt. Zudem bietet es eine mitreißende Einführung in eine Thematik, die uns allen buchstäblich im Magen liegt.


Ackergifte? Nein danke!
Für eine enkeltaugliche ­Landwirtschaft.
Ute Scheub
thinkOya, 2014

128 Seiten
10,00 Euro
www.ackergifte-nein-danke.de

weitere Artikel aus Ausgabe #29

Photo
Gemeinschaftvon Nicole Hille-Priebe

Essen ist eine Kultur-Tat

Die Idee ist einfach, und sie sollte sich am besten so schnell verbreiten wie die Bewegung für urbanes Gärtnern: offene Küchen, in denen reihum auf Spendenbasis gekocht wird.

Photo
von Carina Hoffmann

Wachstumswahn (Buchbesprechung)

Christine Ax und Friedrich Hinterberger stellen in ihrem Buch »Wachstumswahn« auf anschauliche und detaillierte Weise dar, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland seine Grenze erreicht hat. Im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten können heute keine höheren Zuwachsraten

Photo
Bildungvon Anke Caspar-Jürgens

Wie entfaltet sich eine heile Kultur?

Julia Dibbern Die große Degrowth-Konferenz in Leipzig macht unser Zusammentreffen möglich. Wie schön, dass uns die Initiative »Zeitwohlstand« eine Ecke in ihrem Mini-Café zur Verfügung stellt.Anke Caspar-Jürgens Helena, du hast durch

Ausgabe #29
Satt und glücklich

Cover OYA-Ausgabe 29
Neuigkeiten aus der Redaktion