Die Macht der Nachbarschaft
Die Olympischen Spiele 1992 machten Barcelona weltweit zum Vorbild für moderne Stadterneuerung vor einem Großereignis. Doch die Stadt sollte eher als Vorreiterin der Commons-Bewegung bekannt werden.
Insgesamt 44 Autoren, insbesondere französische Wissenschaftler und Intellektuelle, haben sich in einem Zeitraum von anderthalb Jahren auf einen gemeinsamen Text – »Das konvivialistische Manifest« – geeinigt, um zu einem Wandel im Denken und Handeln aufzurufen und eindringlich auf die Möglichkeit einer bewussteren Welt hinzuweisen. Klimawandel und soziale Ungerechtigkeiten, Korruption und Terrorismus sind nur einige Symptome für utilitaristisches (eigennutzorientiertes) Denken und den Glauben an unendliches Wirtschaftswachstum.
Die Konvivialisten stellen dieser alten Weltanschauung eine andere Grundhaltung mit Forderungen und denkbaren Auswegen gegenüber, die die Kraft der Gemeinschaft betonen und Wohlstand nicht rein materiell definieren.
Das Manifest selbst beweist durch seinen Entstehungsprozess, dass unterschiedliche Ansichten nicht zwangsläufig zu Streit oder Krieg führen müssen und große Ziele und Herausforderungen es schaffen können, eher die Gemeinsamkeiten herauszustellen und sich gegenseitig zu befruchten. Dadurch ist zwar eine recht allgemein gehaltene Minimaldoktrin entstanden, auf die sich andererseits aber alle einigen konnten, denen es nicht ums Rechthaben, sondern um die Vision einer Chance für Mensch und Erde geht. Dass diese unkonkret bleibt, enttäuscht vielleicht einige Erwartungen – ist aber beabsichtigt, um als Denkanstoß für viele neue Ideen dienen zu können und neue Ansätze willkommen zu heißen.
Das Manifest führt gegenwärtige Bedrohungen – wie zerstörte Ökosysteme und die enorme Kluft zwischen Arm und Reich – auf, stellt aber ebenso das Potenzial heraus, das in bereits vorhandenen Wegen von partizipativer Demokratie, der Ausbreitung von sozialer und solidarischer Ökonomie oder durch unabhängige Internetforen wie Wikipedia sichtbar wird.
Der Konvivialismus steht für eine »Kunst des Zusammenlebens, die die Beziehung und die Zusammenarbeit würdigt und es ermöglicht, einander zu widersprechen, ohne einander niederzumetzeln und gleichzeitig füreinander und für die Natur Sorge zu tragen.« Diesem Ziel einer freien Vielfalt in Gemeinschaft nähert sich die Schrift mittels moralischen, politischen, ökologischen, ökonomischen sowie spirituellen Fragestellungen.
Es werden Ansätze von persönlicher Korruptionsbekämpfung, Mindest- und Höchsteinkommen, CO2-Reduktion, Begrenzung der Bankenmacht und Modelle zur Verringerung der Arbeitslosigkeit gestreift. Manches wartet noch darauf, mit Leidenschaft und Taten gefüllt zu werden. Das Manifest mit seinen offenen Fragen ist in meinen Augen lediglich »Einleitung« zur Diskussion. Und die darf nun endlich starten. ◆
Das konvivialistische Manifest
Für eine neue Kunst des Zusammenlebens.
Les Convivialistes.
transcript Verlag, 2014
80 Seiten
7,99 Euro
Die Olympischen Spiele 1992 machten Barcelona weltweit zum Vorbild für moderne Stadterneuerung vor einem Großereignis. Doch die Stadt sollte eher als Vorreiterin der Commons-Bewegung bekannt werden.
Wenn man sich auch nur ein bisschen mit den Grundlagen wertschätzender Kommunikation beschäftigt hat, ist man schon beim Lesen des Deckblatts von Duves neuem Buch „Warum die Sache schiefgeht“ sehr versucht, dieses sofort wieder aus den Händen zu legen. Der Untertitel
Johannes Heimrath Gerade habe ich ein schönes Europa-Erlebnis hinter mir: Wir haben zwei Tage lang im südlichen Böhmerwald mit tschechischen und rumänischen Freunden über den Wandel unserer Gesellschaften gesprochen. »Unser« Europa ist ganz anders als