Fisch im Wasser – oder in der Dose?
Selbstorganisierte Bildung jenseits von Schule – über kaum eine andere Praxis bestehen so viele Vorurteile. Clara Steinkellner gibt einen Einblick in Wirklichkeit und Motivation von Freilerner-Familien.
Mitte des 19. Jahrhunderts trifft ein junger Anwalt in Neuseeland auf einen der letzten Überlebenden vom Stamm der Moriori. In Belgien schreibt ein knappes Jahrhundert darauf der Assistent eines genialischen Komponisten ein »Wolkenatlas-Sextett«. In den 1970er Jahren kommt eine abgebrühte Reporterin an der US-amerikanischen Ostküste einem kolossalen Komplott bei der Genehmigung eines Atomkraftwerks auf die Schliche. Im London unserer Tage gerät ein zu Erfolg gekommener Verleger in lebensbedrohliche Schwierigkeiten. In der nicht allzu fernen Zukunft wird ein weiblicher Klon des Verbrechens, Mensch sein zu wollen, angeklagt, und in einer ferneren, post-apokalyptischen Zukunft ist auf Hawaii die vielleicht letzte Friedensbastion der Menschheit bedroht.
Was wie wahllos aneinandergereihte Groschen- und Abenteuerromane klingt, ist ein einziges Buch – und es ist große Literatur. Die sechs Handlungsstränge in David Mitchells Genres und Epochen umspannendem Roman haben auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten alles gemeinsam. Für sich genommen, sind sie mit allen Mitteln der Kunst konstruierte Genreliteratur: Seefahrergeschichte, Künstlerroman, Polit-Krimi, Cyberpunk-Thriller, post-apokalyptische Horrorvision. Zusammengenommen ergeben sie ein episches Tableau menschlicher Beziehungen, in dem alles mit allem verbunden ist und ein Flügelschlag im Pleistozän Auswirkungen aufs Post-Holozän hat. Die Wolke ist dabei die perfekte Metapher: So, wie sich dieselben Elemente – Luft und Wasser – in unendlichen Variationen immer neu formieren, wirken auch die Protagonisten wie Manifestationen der immerselben Personen.
Der teuflisch gut gestrickte Plot bedient sich filmischer Dramaturgie- und Montagetechnik. Jedes Kapitel endet mit einem filmreifen »Cliffhanger«. So war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu der opulenten Verfilmung kam, die dieser Tage in den deutschsprachigen Kinos anläuft. Doch Mitchells Roman ist mehr als nur gut konstruiert. Zwischen narrativen Fallstricken tut sich eine Tiefe auf, die ebenso vielgestaltig ist, wie die Deutungsmöglichkeiten der seltsamen Geschicke der formwandlerischen Protagonisten zahlreich sind: Chaostheorie, ewige Wiederkunft, Seelenwanderung? Entscheiden Sie selbst! Eine mitreißende, berührende, vielschichtige Allegorie auf menschliche Wesenszüge wie Güte und Grausamkeit, Barmherzigkeit und Verrat ist dieser literarische Höllenritt allemal.
Der Wolkenatlas
David Mitchell
Rowohlt Verlag, 2006
672 Seiten
ISBN 978-3499240362
9,99 Euro
Weiterlesen: Italo Calvino: Wenn ein Reisender … • Virginia Woolf: Orlando • Richard Flanagan: Goulds Buch der Fische
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Dass Wohnen mehr sein kann, als nur ein Dach über dem Kopf zu haben, leben uns die »WohnSinnigen« in Darmstadt vor. Alt und Jung, Arm und Reich, Migranten und Behinderte – offenbar eine kreative Mischung!
Gekommen bin ich, um ein kriegsgebeuteltes Land zu sehen. Unterentwickelt soll es sein, arm die Menschen, mit einem schwelenden Konflikt zwischen Serben und Albanern, muslimisch noch dazu. Also stelle ich mich auf einen Sommer in langen Hosen und Hemden ein.Vielleicht bin ich bei der Ankunft