Anlässlich der Vorbereitungen für das »Losgeht’s«-Festival reflektiert Heinz-Ulrich Eisner die Mühelosigkeit, mit der sich eine Gruppe gemeinschaftserfahrener Menschen organisiert.von Heinz-Ulrich Eisner, erschienen in Ausgabe #31/2015
Hamburg – Lüneburg – Hannover: Ich bin im Zug auf dem Weg nach Hause, vom Olgashof bei Wismar (siehe Oya Ausgabe 30) kommend, wo sich am vergangenen Wochenende acht Kommunardinnen und Kommunarden aus fünf verschiedenen Projekten getroffen haben, um das »Losgeht’s«-Pfingstfestival vorzubereiten. Vom 22. bis zum 26. Mai werden auf dem Olgashof 250 Teilnehmerinnen aufschlagen, plus Kinder, Vokü-Macher (»Volxküche«) und Referenten – also insgesamt zwischen 300 und 350 Menschen. Sie wollen sich oder andere informieren, sich gegenseitig kennenlernen, wollen reden, lachen, tanzen … Dies war unser zweites Vorbereitungstreffen, und nun sind wir schon fertig. Ich halte das für sensationell effektiv: Der Rahmen für das Programm steht, die Website auch, Kinderbetreuung und Vokü sind organisiert, Zeltplätze abgesteckt, Anmeldung und Buchführung übernommen. Auch nach inzwischen über zwanzig Jahren Leben in kommunitären Gemeinschaften bewegt es mich immer wieder, wahrzunehmen, wie leicht es ist, mit anderen Menschen aus Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Da ist keiner, der sich produzieren muss nach dem Motto »Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von mir«; keine, die immer das letzte Wort behalten muss. Wir wissen alle aus unserer Konsenserfahrung, wie viel wichtiger als Reden das Zuhören für Kommunikation ist – ja, wir wissen es nicht nur, es hat unsere Verhaltensgewohnheiten verändert. Der Laptop mit dem direkt mitgeschriebenen Protokoll wandert ohne Aufhebens von hier nach dort; wir arbeiten ohne Gesprächsleitung und ohne Zeitplan. Wenn ein Thema auszuufern droht, findet sich eine, die uns darauf aufmerksam macht, und wenn die Luft raus ist, sagt jemand: »Lasst uns mal ’ne Pause machen!« Wenn es darum geht, zu kochen, den Tisch zu decken oder zu spülen, sind sofort unaufgefordert Hände da – und wenn jemand sich ausklinkt, um für sich zu sein, ist das auch okay. Dabei kennen wir uns alle kaum. »Man kennt sich« vom Kommunetreffen oder von verschiedenen Aktionen hier und da, aber nur wenige Verbindungen lassen sich als persönliche Freundschaft bezeichnen. Wir teilen allerdings bestimmte Selbstverständlichkeiten, die aus dem Leben in Gemeinschaft erwachsen, das zwar überall verschieden ist, aber doch Ähnlichkeiten aufweist. Als jemand, der noch in verschiedenen anderen politischen Zusammenhängen unterwegs ist, erlebe ich die unkomplizierte Kooperation als wohltuend. Worin besteht dieses »anders«, warum fühlt es sich »leichter« an? Ich denke, dass sich der sonst gewohnte Fokus verschiebt: Wir agieren weniger ich-zentriert als allgemein üblich; es ist weniger wichtig, dass ich rede, dass meine Meinung zählt, dass meine Idee durchkommt oder ich die anderen überzeuge. Dafür ist uns wichtiger, dass das Ganze gut funktioniert, es allen Beteiligten gutgeht, wir möglichst gute Lösungen finden. Wenn Menschen freilich gar keine eigene Position vertreten, lässt sich auch nicht gut zusammenarbeiten – aber das war in unserer Runde nicht der Fall. Wir sind zwar in der Vorbereitung nur zu zehnt, aber auf dem »Losgeht’s« werden etwa 30 Menschen aus verschiedenen Kommunen da sein, um Vorträge zu halten, Workshops anzubieten, Kinder zu betreuen oder in der Vokü mitzuarbeiten – alles unentgeltlich. Wir wissen noch nicht, wer genau das sein wird, aber wir sind uns sicher, dass die Menschen, die wir brauchen, kommen werden. Das hat die Erfahrung gezeigt. Und falls wir uns verkalkulieren und mit dem Festival ein Minus machen – was bislang noch nie vorgekommen ist –, wird das Netzwerk den Fehlbetrag decken – genauso wie es jetzt die Kosten für unsere Fahrten und Werbung vorfinanziert. Auch wenn das Netzwerk der politischen Kommunen bislang keine formalen Strukturen hat, ist es doch ziemlich belastbar, und es fühlt sich gut an, bei einem Vorhaben wie dem »Losgeht’s« davon getragen zu sein. •
Das »Losgeht’s« ist ein festivalartiges Format. Seit 1998 wird es etwa alle zwei Jahre vom Netzwerk der politischen Kommunen ausgerichtet. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind eingeladen, Aspekte des Gemeinschaftslebens kennenzulernen, sich zu vernetzen und zu informieren. Ziel des Treffens ist es, Neugründungen zu unterstützen und den Weg in bestehende Projekte zu erleichtern.