Vom Protest zur Stadtpolitik
Nicht selten ist es der drohende Verlust eines von der Öffentlichkeit geschätzten Orts in der Stadt, der Menschen dazu bringt, sich einzumischen. Daraus kann eine langfristige kommunalpolitische Arbeit entstehen.
»Welche Haltung braucht Gestaltung?« Dieser Frage gehen die Designer und Dozentinnen der Kölner Akademie für Gestaltung »ecosign« in dem von ihnen herausgegebenen Kunst- und Essayband »Die Geschichte des nachhaltigen Designs« nach, wobei die Autoren der Aufsätze – namhafte Designer, Designtheoretikerinnen und -kritiker, Sozial- und Kulturwissenschaftlerinnen, Künstler, Biologinnen und Ingenieure – den überstrapazierten Begriff »Nachhaltigkeit« unterschiedlich weit fassen. Einigkeit besteht darin, dass diejenigen nachhaltig gestalten, die sich des Zusammenhangs aller Dinge bewusst sind; immerhin handelten schon Designer-Persönlichkeiten wie Kandinsky und Beuys nach dieser Einsicht. Die Bedeutung des Gestaltens wird in diesem Band also neu hinterfragt: Inwiefern kann Design die Welt verändern? Braucht Design Moral? Ist jeder Mensch ein Designer und Gestaltung immer politisch? Damit geraten auch konventionelle akademische Lehrpläne ins Wanken: Bildung und Lehre, so fordern die Herausgeber, solle »nachhaltiger« im Sinn von dialogisch, individuell, vielperspektivisch werden – Nachhaltigkeit also als echte Querschnittsaufgabe.
Die Essays zeichnen zunächst die westliche Geschichte nachhaltigen Designs mit seiner ambivalenten Rolle zwischen standardisiertem Industriedesign, Kommerz und lebensdienlicher Kunst nach. Auch aktuelle, der Oya-Leserschaft vermutlich vertraute Positionen kommen zu Wort. Nico Paech erklärt sein Postwachstumsdesign, dem zufolge die Menschen befähigt werden sollen, Güter zu pflegen, zu reparieren und mit anderen zu teilen. Das aus aktuellen Debatten ebenfalls bekannte Suffizienz-Konzept (mehr Wohlstand bei weniger Verbrauch) und der »Cradle-to-Cradle«-Ansatz erscheinen hier als »ökoeffektive und dematerialisierte« Designlösungen.
Ein Großteil des Bands besteht aus Farbdrucken konkreter Beispiele, die Aspekte »nachhaltigen« Designs beinhalten. Nicht alle sind als öko-sozial einzustufen; bei manchen geht es eher um eine ästhetische Gesellschaftskritik, die erst in der Rückschau als »nachhaltig« definiert wurde. So findet man eine Klopapier-Halterung aus einem Kleiderbügel, die Creative-Commons-Lizenz, das »ökoRausch«-Festival und das Konzept der Transition Towns.
Der Kunstband im A4-Format gibt dem Genuss eines hochwertigen Designs Raum. Wer das mag und sich für obige Diskurse interessiert, kommt auf seine Kosten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass »Designer« die Welt tatsächlich verändern können – nämlich dann, wenn sie nicht in isolierten Objekten, sondern in Beziehungen zu denken lernen. Schon Churchill wusste: »First we shape our buildings, then they shape us.« ◆
Die Geschichte des nachhaltigen Designs
Welche Haltung braucht Gestaltung?
K.-S. Fuhs, D. Brocchi, M. Maxein und B. Draser (Hrsg.)
VAS, 2013
384 Seiten
59,00 Euro
Nicht selten ist es der drohende Verlust eines von der Öffentlichkeit geschätzten Orts in der Stadt, der Menschen dazu bringt, sich einzumischen. Daraus kann eine langfristige kommunalpolitische Arbeit entstehen.
In vielen Menschen schlummern Ideen, in ihrer Region etwas zum Positiven zu verändern. Oft ist nur ein kleiner Anstoß nötig, damit sie Wirklichkeit werden.
Hamburg – Lüneburg – Hannover: Ich bin im Zug auf dem Weg nach Hause, vom Olgashof bei Wismar (siehe Oya Ausgabe 30) kommend, wo sich am vergangenen Wochenende acht Kommunardinnen und Kommunarden aus fünf verschiedenen Projekten getroffen haben, um das