Buchtipps

Harte Kost (Buchbesprechung)

von Günter Sölken, erschienen in Ausgabe #32/2015
Photo

In »Harte Kost« vergleichen Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn, wie die agro-industriellen Großkonzerne einerseits und die ökologische Kreislaufwirtschaft andererseits eine wachsende Weltbevölkerung satt machen wollen. Warum sollten wir dieses Buch lesen, wo wir als Oya-Leserinnen doch schon wissen, zu wessen Gunsten dieser Vergleich ausgehen muss?
Zum einen, weil die Autoren sich immer wieder von diesem Vor-Urteil lösen, weil sie in die Vorstandsbüros und Labore der Konzerne gehen, deren Argumente und Visionen ernst nehmen und sodann den angepriesenen Lösungen Beispiele der ökologischen Landwirtschaft gegenüberstellen, die sie bei ihren Reisen über die Kontinente gesammelt haben. Zum anderen sollten wir es lesen, weil wir wirklich viel Neues erfahren.
Wir begegnen Konzernchefs und Wissenschaftlern, die von einer Mission erfüllt zu sein scheinen, und erfahren von beeindruckenden Innovationen aus den Labors, z. B. von einer Form des Urban Gardenings in Japan, bei der Speisepflanzen mitten in der Stadt in vollautomatisierten, klimaunabhängigen Fabriken ohne jeglichen Boden- und Menschenkontakt pestizidfrei herangezogen werden; von Lachsen, die aufgrund nur eines zusätzlichen Gens fünf mal so schnell wachsen und das doppelte Gewicht erzielen; und von Rindfleisch, das nicht von einem Tier stammt, sondern auf der Grundlage von Stammzellenkulturen im Labor »wächst«. Das würde doch bedeuten, dass wir guten Gewissens, ohne die Sorge um die schlechte Ökobilanz des Fleischverzehrs, ein Steak nach dem anderen essen könnten?
All diesen Innovationen mag ein unerschütterlicher Fortschrittsglaube zugrunde liegen, der vielleicht naiv ist. Die Firmen, die solche Forschungen betreiben, sind es gewiss nicht. Ihnen geht es schlicht um die Nachhaltigkeit ihres Profits. Bekannt ist das patentgeschützte Hybridsaatgut von Bayer und Monsanto, das nur dann gute Erträge verspricht, wenn die Bauern zusätzlich auch die anderen Bestandteile der jeweiligen »Produktfamilien« (Dünger und Pestizide) erwerben. Die von den Autoren angeführten Beispiele zeichnen sich zudem dadurch aus, dass sie sogar die Bauern oder Fischer überflüssig machen. Es wird deutlich: Worum es den Konzernen wirklich geht, ist eine Privatisierung der Natur.
»Harte Kost« ist ein fair recherchiertes Buch, in dem Vertreter konträrer Denkschulen zu Wort kommen – und im Ergebnis ein überzeugendes Plädoyer für eine regionale Ernährungssouveränität auf ökologischer Grundlage. Parallel zum Buch ist der Film »10 Milliarden – wie werden wir alle satt?« entstanden, der Mitte April Premiere hatte. Für beides gilt: sehr empfehlenswert!


Harte Kost
Wie unser Essen produziert wird – Auf der Suche nach Lösungen für die Ernährung der Welt.
Stefan Kreutzberger, Valentin Thurn
Mit einem Vorwort von Vandana Shiva
Ludwig, 2014, 320 Seiten
ISBN 978-3453280632
16,99 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #32

Photo
von Hildegard Kurt

Prädisziplinäres Gestalten im inneren Atelier

In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts schärfte Paul Klee als Meister am Bauhaus in Weimar, dann in Dessau seinen Studierenden ein: Um, auf welchem Arbeitsfeld auch immer, etwas wirklich und tragfähig Neues in die Welt zu bringen, komme es darauf an, weniger an den

Photo
von Angela Kuboth

Lust statt Frust

Heute schon wütend gewesen? Auf den Nachbarn, den Bundespräsidenten oder wegen weggeworfener Lebensmittel?Catriona Shaw hatte sich über die Ignoranz der Leute geärgert, die gestern, am letzten Tag ihres Familienurlaubs in Frankreich erst den Bus nach Paris ausfallen ließen

Gesundheitvon Beate Küppers

Einfühlung statt Gesetzgebung

Im November letzten Jahres wurde im Deutschen Bundestag über das Thema Sterbehilfe debattiert. Aber was genau soll eigentlich gesetzlich geregelt werden? Was ist mit »aktiver« oder »­passiver« Sterbehilfe gemeint, und welche Beweggründe stehen hinter den

Ausgabe #32
Was mit Kunst

Cover OYA-Ausgabe 32
Neuigkeiten aus der Redaktion