von Bastian Barucker, erschienen in Ausgabe #32/2015
»Vier Tage alleine in der Wildnis, fastend und ungeschützt. Nur ein Schlafsack als Unterschlupf. Eine dünne Isomatte und ein paar Plastikkanister voller Trinkwasser.« Das ist der Kern des Initiationsrituals, welches Geseko von Lüpke und Sylvia Koch-Weser in ihrem Buch »Vision Quest – Visionssuche« beleuchten. Es gibt Menschen die Möglichkeit, im Spiegel der wilden Natur tiefgreifende Fragen zu klären und Lebensübergänge zu zelebrieren. Dazu zählen berufliche Veränderungen, der Bereich der Partnerschaft, neue Lebensphasen wie der Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen, Mutter- und Vaterschaft oder die Wechseljahre. »Die Visionssuche gleicht einer Abenteuerreise in eine unbekannte Welt. Sie hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Wie jede Reise beginnt sie mit der Idee, sich überhaupt auf eine Reise begeben zu wollen. Man hört von einem fremden Land, von neuen, ungewohnten Möglichkeiten des Daseins, und man verspürt den Sog, dies für sich ausprobieren zu wollen. […] Irgendwann wird der Koffer gepackt und die Trennung von der gewohnten alltäglichen Welt vollzogen.« Dieses Standardwerk, das nun in einer aktualisierten Ausgabe vorliegt, begibt sich zunächst auf eine kulturelle Spurensuche in die Geschichte, bei der klar wird, dass die westliche Welt mit dem fast vollständigen Fehlen von Übergangsritualen eine Ausnahme darstellt. Die Konsequenzen sind allgemeine Orientierungslosigkeit und ein fehlendes Bewusstsein für die eigene Position im großen Rad des Lebens; Viele Jugendliche, denen die Begleitung ins Erwachsenenleben fehlt, suchen den gefühlten Mangel mit Drogen oder anderen »Kicks« zu kompensieren. Das Buch zeigt, wie es anders gehen kann; es ist gespickt mit berührenden Erfahrungsberichten von Menschen, die sich in wichtigen Übergangsphasen der Wildnis öffneten. Eindrücklich und ganz persönlich wird hier beschrieben, wie in sogenannten Schwellenzeiten durch die Symbolik der Tiere, Pflanzen und Elemente tiefe Einsichten und Erkenntnisse möglich sind. Ich erinnerte mich beim Lesen an meine eigene Visionssuche im Jahr 2008 und folgte dem Impuls, die alten Aufzeichnungen herauszukramen und mir noch einmal die Erkenntnisse dieser bewegenden Zeit anzuschauen. Bis heute begleiten mich die Träume dieser Tage und die wichtigen Botschaften, die sie mit sich brachten. All diese subjektiven Erfahrungen beschreiben eine Qualität von Verbundenheit: verbunden zu sein mit mir, mit der Natur und den Menschen. Hier liegt wahrscheinlich eines der größten Potenziale der Visionssuche, denn: »Wer sich verbunden fühlt, schädigt niemand andern. Selbstmord, Mord, Krieg und umweltzerstörendes Verhalten tauchen immer dort auf, wo es an dieser grundlegenden Beziehung mangelt.«
Vision Quest – Visionssuche Allein in der Wildnis auf dem Weg zu sich selbst. Sylvia Koch-Weser, Geseko v. Lüpke aktualsierte Neuausgabe Drachen Verlag, 2015, 296 Seiten ISBN 978-3927369894 24,80 Euro