Das Malspiel und die Kunst des Dienens (Buchbesprechung)
von Margarethe Liebau, erschienen in Ausgabe #33/2015
Seit dem Film »Alphabet« ist Arno Stern einem großen Publikum bekanntgeworden, sowohl durch das »Malspiel« als auch durch seine mit großer Überzeugungskraft geäußerte Kritik am Schul- und Bildungssystem. Wenn man sein neues Buch »Das Malspiel und die Kunst des Dienens« liest und die Bilder darin betrachtet, wird klar, wie beide Bereiche zusammenhängen. Arno Stern bietet Menschen jeden Alters die Möglichkeit, frei von Vergleich, Konkurrenz und Beurteilung der natürlichen Spur zu begegnen. Im ersten Teil legt er dar, wie er nach der Flucht aus Deutschland und der Erfahrung völliger Entwurzelung eine Möglichkeit des freien Malens für Kriegswaisen schuf. Dieser Berufung ist er bis zum heutigen Tag treu geblieben. Über 70 Bildtafeln im zweiten Teil des Buchs geben unabhängig von den Texten einen sehr anschaulichen Eindruck vom Malspiel. Hier kann man die Hingabe und Konzentration der Malenden unmittelbar spüren und die Aufgaben des »Malspieldienenden« wahrnehmen. Mit Feingefühl ist dieser präsent und aufmerksam; er unterstützt und begleitet das Malspiel, erwartet und belehrt nicht. In »Die lieben und die bitteren Stunden« des dritten und letzten Teils lesen wir schließlich von biografischen Höhen und Tiefen des Autors. Was kennzeichnet nun dieses Malspiel? Es geht nicht darum, »Werke zu erarbeiten […], sondern um das gegenwärtige Erleben der Äußerung«. Der malende Mensch erfährt, »dass sich hier im Malort andere, unerprobte Fähigkeiten entwickeln, die einem begeisternden Spiel dienen«. Ich hatte selbst die wunderbare Gelegenheit, im Rahmen meiner Ausbildung als Malspieldienende einige Tage bei Arno Stern miterleben und diese Begeisterung spüren zu dürfen. Nach Forschungen in vielen Ländern ist eine seiner fundamentalen Entdeckungen die »organische Erinnerung«, die allen Menschen gemeinsam ist. Der malende Mensch kann darin »den Zugang zu seinem verlorenen Anfang« finden. Arno Stern stellt seine Arbeit in einen größeren Zusammenhang und weist auf die Dringlichkeit hin, mit der nicht nur unsere Umwelt, sondern auch diese lebenswichtige Anlage des Menschen gerettet werden müsse. Es sei ein Widerspruch, dass man Kinder gesund ernähre, sie in der Schule aber auf Erfolg dressiere und sie der Möglichkeit beraube, ihren eigentlichen Interessen nachzugehen. Viele Bereiche der Gesellschaft müssten sich wandeln und »ein neues Ideal entwickeln«. Sein hohes Alter hindert den Autor, der im vergangenen Jahr seinen 90. Geburtstag feierte, nicht daran, als Dienender unermüdlich auf dieses Ideal hinzuwirken, seine Überzeugungen mit Begeisterung zu verbreiten und mit Charisma beispielgebend zu wirken.
Das Malspiel und die Kunst des Dienens Die Wiederbelebung des Spontanen. Arno Stern Drachen, 2015, 144 Seiten ISBN 978-3927369924 24,80 Euro