Beate Küppers fragte Stefan Bräunling vom Kooperationsverbund »Gesundheitliche Chancengleichheit«, wie lokale Akteure gestärkt werden können.von Beate Küppers, Stefan Bräunling, erschienen in Ausgabe #33/2015
Viele Studien belegen, dass Armut und schwierige Lebensumstände eine geringere Lebenserwartung und ein erhöhtes Krankheitsrisiko zur Folge haben. Der Kooperationsverbund, für den Sie arbeiten, wurde auf Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ins Leben gerufen, um die Gesundheitsförderung für sozial benachteiligte Menschen zu verbessern. Wer sind die beteiligten Partner, und was waren die ersten Aktivitäten des Verbunds?
Unter diesem Dach haben sich neben weiteren die Landesvereinigungen für Gesundheitsförderung, die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände und Ärzteorganisationen zusammengeschlossen. Als erstes wurde 2003 eine Internetplattform geschaffen, die die Aktivitäten in diesem Feld sichtbar macht. Die Sammlung ist sicherlich nicht vollständig, vermittelt aber einen guten Einblick und Inspirationen zum Thema. Außerdem wurde ein Katalog von »Good-Practice«-Kriterien und -Beispielen erstelllt, der mittlerweile viel genutzt wird. An die erste Auszeichnung, die wir 2004 vergeben haben, erinnere ich mich noch gut: Es war der Verein »Schutzengel« aus Flensburg, der junge Eltern rund um die Geburt unterstützt.
Wie hat sich die Arbeit weiterentwickelt, und wo liegen Ihre Schwerpunkte heute?
Es stellte sich bald heraus, dass sich regionale Gesundheitsinitiativen am besten auch dezentral unterstützen lassen. Inzwischen gibt es dafür in beinahe allen Bundesländern eine Koordinierungsstelle. Das ist eine sehr wertvolle Grundlage, um lokale Aktivitäten zu verstärken! Seit einigen Jahren werden diese Stellen sogar gemeinsam von den Landesregierungen und den Krankenkassen finanziert. Das, was im Präventionsgesetz verpflichtend festgeschrieben werden soll, findet hier bereits auf freiwilliger Ebene statt. Wesentliche Arbeitsbereiche sind die Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen, bei Arbeitslosen und alten Menschen sowie die Schaffung gesunder Lebenswelten in Stadtteilen und Wohnquartieren.
Der Begriff »Lebenswelten« impliziert, dass Sie Gesundheitsförderung in einem umfassenden Sinn verstehen.
Ja, unbedingt! Seit dreieinhalb Jahren vernetzt der Partnerprozess »Gesund aufwachsen für alle!« beispielsweise Kommunen, die Gesundheitsförderung ressortübergreifend koordinieren und Stellen wie die Ämter für Jugend, Soziales, Bildung, Stadtentwicklung oder Umwelt einbeziehen. Über 40 Kommunen sind daran beteiligt, und es gibt Vorbilder wie die Stadt Dormagen im Rheinland, in der das Gesundheitsamt inzwischen mit dem Jugendamt verschmolzen ist. Der interdisziplinäre Blick über den eigenen Tellerrand ist allerdings vielerorts noch ungewohnt – insbesondere dann, wenn neben den kommunalen Behörden auch Institutionen wie das Jobcenter involviert werden, dessen Auftrag in der Vermittlung von Erwerbstätigkeit und nicht primär in der Gesundheitsförderung besteht. Die Krankenkassen wiederum sind in der Verwendung der Versichertengelder an einen sehr engen Gesundheitsbegriff gebunden.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten und Herausforderungen Ihrer Arbeit? Sind diese eher politischer oder praktischer Natur?
Als ausbaufähig sehe ich die Arbeit mit besonders benachteiligten Menschen an. Es ist nicht leicht, Langzeitarbeitslose, Wohnungslose, Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten zu erreichen und zu beteiligen. Das gelingt am ehesten über eine soziale Integration im Wohnumfeld, wobei sich diese selbst in Stadtteil- oder Familienzentren oft als schwierig erweist. Erfolgversprechend sind Prozesse, die schon in der Planungsphase partizipativ vorgehen und fragen: Was stört euch? Was braucht ihr? So haben beispielsweise an den Bewegungsangeboten von Frauen für Frauen im Rahmen des Projekts »BIG« in den letzten zehn Jahren rund 2000 Frauen in 15 Städten teilgenommen – darunter vorrangig Alleinerziehende, Arbeitslose und Migrantinnen.
Gibt es Rahmenbedingungen, die Sie sich auch unabhängig vom Präventionsgesetz wünschen?
Das Programm »Soziale Stadt« der deutschen Städtebauförderung unterstützt unter anderem die Koordinierungsstellen für Quartiersmanagement. Eine ähnliche Struktur könnte auch im Gesundheitsbereich angesiedelt werden. Das neue Gesetz wird eine große Chance bieten, in Bereichen, wo bislang deutlich zu wenig passiert, aktiv zu werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kommunen arbeiten diesbezüglich bereits konstruktiv zusammen, und die Erfahrungen im Kooperationsverbund sind eine gute Vorlage dafür.
Diese Entwicklung werden wir gerne verfolgen! Vielen Dank für das Gespräch.