Literatur

Verschwundene Arbeit (Buchbesprechung)

von Lara Mallien, erschienen in Ausgabe #33/2015
Photo

In vielen Diskussionen über eine Wirtschaft, die nicht mehr wächst, hört man das Schlagwort »Deindustrialisierung«. Dabei breitet sich oft das ungute Gefühl aus, niemand wisse so recht, wovon da die Rede sei. Ein Blick in das Buch »Verschwundene Arbeit« kann Abhilfe schaffen. Es ist spannend, dieses Lexikon von A wie Ameisler über F wie Feilenhauer, M wie Mühlenbauer, S wie Schwammstoffkrämer bis Z wie Zinngießer nicht nur mit historischem Interesse zu lesen, sondern mit der Frage, welche schon damals ausbeuterischen Tätigkeiten im Mottenschrank der Geschichte bleiben dürfen und welche vielleicht einen zukunftsfähigen Beruf in einer sich gesundschrumpfenden Ökonomie abgeben könnten. Möchten Sie zum Beispiel Siebmacherin werden und damit ein Gewerbe aus dem 13. Jahrhundert wiederbeleben? »Die Haarsieber flochten Siebböden aus Pferdehaaren, aber auch aus Draht und aus Holz, die zum Durchsieben von Farben, Mehl, Gries, Gips, Schießpulver, Gewürzen und Apothekenwaren sowie auch als Formen für Papiermacher dienten«, erklärt Rudi Palla. Haben Sie schon einmal über ein regional gefertigtes Küchensieb nachgedacht? Solche Gedankenexperimente rufen oft die klassische Ablehnungsfloskel »Wir können doch nicht ins Mittelalter zurück!« hervor. Ja, völlig richtig – beruhigen Sie diesen Gedanken wie einen kleinen Hund, der jetzt mal still unter dem Stuhl sitzen soll. Und dann lesen Sie weiter und erlauben sich versponnene Ideen: Verbinden Sie beispielsweise den Ölmüller, den Leimsieder, den Blechschmied oder welchen anderen Beruf auch immer Sie bemerkenswert finden, mit zukunftsfähigen Strategien, wie ökologischem Stoffstrom-Management, solidarischen Finanzierungsmodellen, Upcycling etc. Um das Dogma aufzubrechen, eine erstrebenswerte Zivilisation sei genau das, was wir heute in der westlichen Welt vorfinden, ist buntes Spielmaterial für visionäre Gedankenausflüge ­äußerst nützlich! ◆ LM

Verschwundene Arbeit
Das Buch der untergegangenen Berufe.
Rudi Palla
Brandstätter Verlag, Neuauflage 2014
272 Seiten
ISBN 978-3850338264
35,00 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #33

Photo
von Sabrina Blaesing

Geht es ohne Erziehung? (Buchbesprechung)

Die Frage, ob es auch ohne Erziehung gehe, stellt Eberhard Schulz, Sozialpädagoge und Theaterthera­peut, nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Leserinnen und Lesern. Für seinen »Versuch einer Verständigung« zieht er zahlreiche Geschichten und Zitate namhafter

Photo
von Matthias Fersterer

Villa Monte – Schule der Kinder (Buchbesprechung)

»Die Schule müsste der schönste Ort in jeder Stadt und in jedem Dorf sein.« – Das Zitat von Oscar Wilde ließ mich bei www.newslichter.de auf die »Villa Monte« und dieses besondere Buch aufmerksam werden. Ebenso wie Wildes Ausspruch könnte die

Photo
von Johanna Leinen

Der Mythos des verwöhnten ­Kindes (Buchbesprechung)

Zahlreiche Erziehungsbücher hat Alfie Kohn bereits veröffentlicht. Nun hat er es sich zur Aufgabe gemacht, der in fast allen Medien präsenten Forderung nach mehr Disziplin und weniger Kuschelkurs in der Erziehung auf den Zahn zu fühlen – und sie aufs Korn zu nehmen.

Ausgabe #33
Überlebenswichtig

Cover OYA-Ausgabe 33
Neuigkeiten aus der Redaktion