Buchtipps

Der Regenwurm ist immer der Gärtner (Buchbesprechung)

von Farah Lenser, erschienen in Ausgabe #35/2015
Photo

Amy Stewart, Autorin dieses wunderbaren Buchs über den Regenwurm, bezeichnet sich selbst als Gärtnerin, die sich für Regenwürmer interessiert, und nicht als Wissenschaftlerin. Doch was sie hier über ihre Beobachtungen zu Regenwürmern im Dialog mit Biologinnen, Botanikern und Wurmforschern zusam- mengetragen hat, unterscheidet sich nicht so sehr von der Forschungstätigkeit ihres großen Vorbilds Charles Darwin, der vor rund 150 Jahren einen Groß- teil seiner Forschungs- und Lebenszeit eben diesen erstaunlichen Geschöpfen widmete.
In seinem letzten Werk »Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer« aus dem Jahr 1881 beschreibt er den bis dahin und gemeinhin für einen Gartenschädling gehaltenen Regenwurm als Freund des Menschen. Seine Beobachtungen zeigten, dass »die gesamte Ackererde überall im Land viele Male durch die Darmkanäle der Würmer gegangen ist und dies auch noch viele Male tun wird.«
Wissenschaftler unserer Tage haben diese enorme Leistung der Regenwürmer weiter erforscht und bestätigen, dass Würmer durch ihre unermüdliche Verdauungstätigkeit die Erde mit Nährstoffen und Mi- kroorganismen anreichern und so substanziell verän- dern. Nach Darwins konservativer Schätzung bewegt eine gesunde Regenwurmpopulation im Lauf eines Jahres fast zwanzig Tonnen Erde pro halbem Hektar.
Hier war die Rede vom gemeinen Regenwurm, Lumbricus terrestris – doch mit Amy Stewart entde- cken wir zahlreiche Arten bis hin zum fast einen Meter langen australischen Riesenwurm und lernen nicht nur, dass Würmer die Fähigkeit haben, einen Teil ihres Körpers nachwachsen zu lassen, wenn ihnen dieser abgetrennt wurde, sondern auch, dass sie sich über hermaphroditische Geschlechtsöffnungen fortpflan- zen oder einige Arten sich gar selbst klonen.
Regenwürmer sind nicht nur ein Segen für die Landwirtschaft, sondern auch für die Archäologie. Das entdeckte Darwin in Stonehenge, als ihm gewahr wurde, dass Würmer Ruinen durch ununterbrochenes Begraben vor dem Verwittern an der Luft bewahren und so für die Nachwelt erhalten. Neuere Forschun- gen zeigen, dass sie auch Schadstoffe absorbieren können, was sie als Bioindikatoren und sogar zum Abbau von Giftstoffen interessant macht.
Amy Stewart hat nicht nur ein wissensreiches Buch über den Regenwurm geschrieben, sondern auch gezeigt, dass sich echte Forschung dadurch auszeichnet, dem Forschungsgegenstand mit Empathie zu begegnen – eine Haltung, die schon
Charles Darwin auszeich- nete. 

Der Regenwurm ist immer der Gärtner 
Amy Stewart
oekom, 2015,
256 Seiten
ISBN 978-3865817310
19,95 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #35

Photo
von Jochen Schilk

Befreit lernen (Buchbesprechung)

Von rechts bis links sind sich alle einig: Das Schulsystem bedarf der Reform. Peter Gray zeigt in »Befreit lernen« jedoch, warum die herkömmlichen Schulsysteme – egal, wie autoritär oder demokratisch sie gestimmt sein mögen – nie funktionieren werden: Der

Photo
von Daniel Dahm

Die Ökonomie verlebendigen!

Die Verbindung von Ökologie und Ökonomie schien mir immer offensichtlich. Die alten dualistischen Vorstellungen einer Trennung der Sphären des Menschen und jener der Natur sind artifiziell konstruiert. Sie wurden sozial erlernt, historisch zementiert und werden alltäglich

Photo
Gemeinschaftvon Marcus Andreas

Noch immer zwei Welten

Als Klimaschutzberater für das Bundesumweltministerium erkennt der vormalige Gemeinschaftsforscher Marcus Andreas die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit. Er fordert, dass die (nicht nur) in praktischem Klima­schutz erfahrenen Gemeinschaften und Ökodörfer auf Augenhöhe mit Entscheidungsträgern und der Verwaltung in den Dialog treten sollten.

Ausgabe #35
Vom Wert des Lebendigen

Cover OYA-Ausgabe 35
Neuigkeiten aus der Redaktion