Wer nach wie vor überzeugt ist, die Gesellschaften der westlichen Welt befänden sich auf einem begrüßens- werten Transformationspfad, der alle humanistischen und technischen Errungenschaften der vergangenen Jahrhunderte logisch fortschreibe, dem empfehle ich die Lektüre von Fabian Scheidlers starkem Buch »Das Ende der Megamaschine«. Scheidler beginnt seine »Geschichte einer scheiternden Zivilisation« mit dem Auftreten größerer politischer Machtstrukturen in den Stadtstaaten Mesopotamiens 2800 Jahre vor unserer Zeitrechnung und analysiert, wie sich in der Antike ein unheilvolles Zusammenspiel aus Militärgewalt, Bergbau und Metallurgie sowie einer auf Geld und Eigentum basierenden Ökonomie zusammenbraute: Die Regenten wollten ihre Söldner mit Silbermünzen bezahlen, zwangen die Bauern, dieses Zahlungsmittel zu akzeptieren und trieben Sklaven in den Menschen und Landschaften verschlingenden Bergbau sowie die wäldervernichtende Rüstungsproduktion. Indem sich politische und wirtschaftliche Macht- strukturen aufschaukeln, wird es im Verlauf der Geschichte immer dunkler – abgesehen von Phasen halbwegs intakter bäuerlich-handwerklicher Gesell- schaften, die sich selbst versorgen konnten und des- halb keinen Grund sahen, für Fürsten in den Krieg zu ziehen. In der konventionellen Geschichtsschreibung gelten diese als »dunkle« Zeiten. Scheidler erklärt anschaulich, wie sich im Morgengrauen der Neuzeit nach einer Periode eher schwacher Staatsgewalt erneut das Militär-Metall-Wirtschaftsmacht-Monster erhebt. Mit dem Absolutismus erhält es eine neue Di- mension, da der Geldbedarf der kriegführenden Herr- scher die gnadenlose Ausbeutung der Kolonien be- feuert und die ersten Aktiengesellschaften entstehen, die über mehr Mittel verfügen als Staaten. »Die Große Maschine muss, um fortzubestehen, expandieren, sowohl nach innen duch eine Ausweitung und Vertie- fung der Geldökonomie als auch nach außen durch die Integration neuer Territorien und ihrer Bewohner in das System«, erklärt Scheidler. Mit den Mitteln der Industrialisierung passierte in den letzten 200 Jahren genau das – und führte zum totalen Krieg bzw. zum totalen Raubbau. »Stopp!«, will man rufen. »Schluss mit allen Versuchen, die Megamaschine ein bisschen grüner zu machen! Wo ist der Sand, der ihr Getriebe anhalten lässt?« Wir haben es nicht mit ein paar Aus- wüchsen des Neoliberalismus zu tun, sondern mit viel grundlegenderen, lebensfeindlichen Strukturen. Zu allen Zeiten hat sich dagegen Widerstand geregt, zum Beispiel in den Bauernkriegen des 16. Jahrhunderts. Aber immer, wenn sich systemgefährdende selbstor- ganisierte, egalitäre Strukturen herauszubilden droh- ten, wehrte sich die Maschine vehement – ein Hinweis auf ihre Schwachstelle. Das Buch ist hart, aber es liest sich großartig. Es macht zornig – und genau deshalb gibt es Mut.
Das Ende der Megamaschine Geschichte einer scheiternden Zivilisation. Fabian Scheidler Promedia, 2015, 272 Seiten ISBN 978-3853713846 19,90 Euro