Buchtipps

Die ganze Wahrheit über alles (Buchbesprechung)

von Jan Moewes, erschienen in Ausgabe #38/2016
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»Die ganze Wahrheit über alles« ist ein dickes Buch, dem man das nicht ansieht. Niemand sollte versuchen, es von vorne bis hinten durchzulesen; dafür ist es nicht geschrieben. Durchlesen sollte man aber das Vorwort – und dann so lange, bis man es erkannt hat, dass dieses Buch ein Nachschlagewerk ist. Man kann immer wieder mal hineinschauen, wenn einen etwas interessiert, wenn einen etwas bedrückt oder wenn man etwas wirklich verstehen möchte. Wer gerne Pilze isst, sollte ein Bestimmungsbuch haben – Sven Böttchers und Mathias Bröckers’ Buch ist für Menschen, die gerne mehr Demokratie hätten oder sich gar demokratisch verhalten möchten. Sie lernen hier immer wieder dazu – weil zur Demokratie gehört, dass man weiß, wovon man spricht und um was es geht. In diesem Buch – das sagt schon der Titel – geht es um alles. Von Arbeit bis Zukunft gibt es 71 Suchbegriffe, die mit unserem aktuellen Leben zu tun haben; die drei längsten Einträge über jeweils sechs Seiten handeln von Demokratie, Geld und Medikamenten; die sechs kürzesten mit jeweils drei Sätzen von Musik, Patenten, Politik, Sex, Verantwortung und Werten. Fast immer gibt es Verweise auf die Anmerkungen, die ein weiteres Buch gefüllt hätten, wären sie nicht klein gedruckt.
Viel Material haben uns die beiden Autoren da in die Hand gegeben, um in diesen bewegten Zeiten zu verstehen, was um uns herum vorgeht. Es ist höchste Zeit, das wenigstens zu versuchen, wenn man an den Entscheidungen teilnehmen will, die wir sehr bald treffen müssen, weil daran kein Weg mehr vorbeigeht. Wer ein neues Auto kaufen will, informiert sich vorher – warum kümmern sich viele Menschen nicht dar­um, in welchem System sie zukünftig leben werden?
Dieses gut verständliche Buch ist mit viel Humor geschrieben, wo es eigentlich nichts zu lachen gibt. Es ist eine Aufklärungsschrift, die Ihre Fragen beantwortet, wenn diese mit dem bevorstehenden Wandel zu tun haben. Je mehr von uns davon wissen, desto lauter wird unsere Stimme, desto klarer unsere Ansicht und desto sicherer unser Tun. Sie sind nicht allein, wir sind 99 Prozent. Newton hat gesagt, dass die Wahrheit immer einfach ist – dieses Buch zeigt, dass man die Dinge auch einfach erklären kann.
Die Autoren richten sich vor allem an junge Menschen unter 25, weil sie es sind, die eventuell noch etwas bewegen können; sie werden als »Ihr« angesprochen. Alle darüber sind die alten Säcke, die den Karren haben rollen lassen, also »Wir«. Falls Sie Kinder, Enkel, junge Neffen oder Nichten haben, schenken Sie ihnen dieses Werk mit den Worten: »Dieses Buch wurde für dich geschrieben.« Und wenn Sie schlau sind, schauen Sie auch selbst mal hinein. Vielleicht kaufen Sie sich dann noch ein eigenes Exemplar dazu. ◆ 


Die ganze Wahrheit über alles
Wie wir unsere Zukunft doch noch retten können.
Sven Böttcher, Mathias Bröckers
Westend, 2016, 335 Seiten
18,00 Euro

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