Conny Dollbaum-Paulsen zieht nach sieben engagierten Jahren ein Fazit zu den von ihr gegründeten »Heilnetzen«.von Beate Küppers, erschienen in Ausgabe #40/2016
Die Idee entstand 2009, als Conny Dollbaum-Paulsen nach 16 Jahren Berufstätigkeit als Homöopathin, Therapeutin und Leiterin einer Heilpraktikerschule nicht länger Menschen ausbilden wollte, die keine Chance auf dem umkämpften Gesundheitsmarkt haben würden. Sie wollte Sinnvolleres tun – für die Welt, für Kolleginnen und für sich selbst. In einer Nacht träumte sie, am PC zu sitzen und eine heilpraktische Expertin für Irisdiagnose zu suchen. Im Traum saß sie vor einer ellenlangen, unbrauchbaren Google-Liste und dachte: Es müsste doch etwas geben, damit Menschen in ihrer Region die richtigen Therapeuten finden könnten. Aufwachend wusste sie: Das ist es! Der Name war auch schon mit geträumt: Heilnetz sollte das Ganze heißen. Am 15. Januar 2010 ging das erste Heilnetz für Ostwestfalen online. Der regionale Fokus sollte von Anfang an dazu beitragen, dass nicht nur ein virtuelles Netzwerk, sondern auch Kooperation, Respekt und ein interdisziplinäres Zusammenwirken von Ärztinnen, Coaches, Heilpraktikern, Psychotherapeutinnen, Beratern und Bioläden vor Ort gefördert werden. Der Begriff Gesundheit ist dabei in einem umfassenden Sinn zu verstehen. So informieren regelmäßige »Good News« nicht nur über besondere Methoden und Projekte, sondern auch über ganzheitliches Wirtschaften oder Gemeinschaftsbildung. Heilnetz-Portale sind werbefrei; sie finanzieren sich über die Beiträge der gelisteten Angebote und Läden. So sympathisch dieses Anliegen auch klingt – keine Bank wollte den Aufbau finanzieren. Erst ein privates Darlehen ermöglichte das erste Heilnetz. Nach der ersten Welle positiver Resonanz und der Gründung einer zweiten Plattform für den Raum Osnabrück im September 2011 entstand die Heilnetz GbR. »Wir waren zu dritt, voller Enthusiasmus und wollten ›Heilnetz Ostwestfalen-Lippe‹ rocken. Wir wollten das Ganze groß machen, reich werden und berühmt«, scherzt Conny Dollbaum-Paulsen. »So ganz hat das nicht geklappt, und so lösten wir die GbR Ende 2015 in Frieden auf.« Mittlerweile haben sich die Heilnetze dennoch bereits in sechs Regionen bewährt; drei weitere werden derzeit in ihrer Gründungsphase unterstützt. Trotz dieses Erfolgs steht für die Initiatorin nach sieben Jahren die große Frage im Raum: Braucht die Welt Heilnetze? Und wenn ja – warum? Adressportale zu alternativer Gesundheit und Fachredaktionen zum Thema Ganzheitlichkeit gibt es zahlreich. Wie müssen die Heilnetze beschaffen sein, damit sie wirklich hilfreich sind? Dazu sagt Conny Dollbaum-Paulsen: »Das Kostbarste an unseren Heilnetzen sind Regionalität und interdisziplinäres Arbeiten. Wir arbeiten gemeinsam an Projekten, die wir für wichtig halten. Uns geht es nicht vornehmlich um Marketing, sondern um die Inhalte.« Sie findet jedes Projekt sinnvoll, das kooperative Handlungsweisen an Orten etabliert, die in der Regel von Konkurrenz bestimmt werden. Menschen in Gesundheitsberufen seien Teil eines gigantischen Markts, in dem sie sich positionieren müssten. »Wir übernehmen Begriffe wie ›Alleinstellungsmerkmal‹, um die Einzigartigkeit eines Angebots zu betonen, weil wir denken, das müsste so sein, und weil viele ihren Lebensunterhalt mit alternativen Heilmethoden verdienen wollen. Dabei verlieren wir leicht aus den Augen, dass individuelle Gesundheit kein Ziel ist, dem wir losgelöst von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Kontexten folgen können.« Diese Verbindung herzustellen, also Gesundheit auch in einem kollektiven Zusammenhang zu sehen, ist ein wesentliches Anliegen der Heilnetze. »Viele der im Gesundheitsbereich tätigen Menschen wursteln allein vor sich hin. Eine Kultur des interdisziplinären Austauschs oder der gemeinsamen Visionsbildung entsteht erst sehr zaghaft. Wir üben uns darin, das Verständnis von Gesundheit weiter zu fassen, über unsere persönlichen Anliegen hinaus – und jeder Heilnetz-Abend, an dem wir uns wirklich zuhören, bestärkt mich darin«, sinniert Conny Dollbaum-Paulsen. Um die bestehenden Angebote mehr Menschen zugänglich zu machen, soll eine Art regionale Solidarversicherung entstehen, die sich aus Mitgliedsbeiträgen, ermäßigten Stundensätzen der Anbietenden und einem Spendenfonds finanziert. Eingebunden sind auch Beratungen und Veranstaltungen, die einen selbst- und weltverantwortlichen Umgang mit Gesundheit fördern. Das Wichtigste ist für Conny Dollbaum-Paulsen aber, »so wach und so humorvoll wie möglich auf uns, die wir im Gesundheitsbereich unterwegs sind, zu schauen und uns darin zu verbinden.«