Permakultur

Reichhaltiges Wissen

Das Permakulturinstitut in Ghana hält Bildung für das ­effektivste Mittel, um den Hunger aus der Welt zu schaffen.von Anke Reule, erschienen in Ausgabe #41/2016
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© Jan Georg Fischer

Seit gut zehn Jahren entwickelt sich in Ghana ein Permakultur-Netzwerk mit einem zentralen Kontenpunkt im Ghana Permaculture Institut (GPI). In einem dreijährigen Projekt werden nun die Aktivitäten des Instituts von entwicklungspolitisch engagierten Verein Soned e. V. begleitet. Das Projekt entwickelt sich prächtig, die Aufwärmphase ist längst vorbei, und ein großes Ziel wird abgesteckt: In der 100 000-Einwohner-Stadt Techiman soll als Herzstück eines westafrikanischen Permakultur-Netzwerks das erste Ökodorf entstehen. Wer mit derart sicherem Schritt in die richtige Richtung schreitet, kann es sich wohl erlauben, den Blick noch auf weitere ambitionierte Ziele zu richten, die am scheinbar fernen Horizont warten: die »Sustainable Development Goals« (SDGs) – die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung der UNO.
Im September 2015 einigten sich die Vereinten Nationen auf einen Zukunftsvertrag und formulierten darin 17 globale Entwicklungsziele. Die SDGs sind ambitionierter und umfassender als die »Millennium Development Goals«, an die sie anschließen: Nicht nur, dass nun neben sozialen Fragen auch ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden – mit den neuen Zielen wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass es nicht nur um die Länder des globalen Südens geht. Als Hauptverursacher des Klimawandels und wegen ihres unersättlichen Ressourcenhungers gelten nun auch die wohlhabenden Nationen als »Entwicklungsländer«, die sich auf mehr Nachhaltigkeit umstellen müssen!
Da die Ziele völkerrechtlich nicht bindend sind, kann jedes Land seine eigenen Schwerpunkte setzen. Deutschland legt den Fokus unter anderem auf den zweiten Punkt der SDGs, der in der Kurzform lautet: »Den Hunger beenden und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern!« Hunger wird als eines der größten Hindernisse für die Entwicklung armer Länder sowie als Ursache für Vertreibung, Hoffnungslosigkeit und Gewalt betrachtet. Obwohl der globale Hunger insgesamt etwas verringert werden konnte – vor allem in Asien –, ist Afrika weiterhin der Kontinent mit den gravierendsten Missständen, sowohl hinsichtlich der Unter- als auch der Mangelernährung. Insofern ist es zu begrüßen, dass das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) die Sonder-initiative »EINEWELT ohne Hunger« gestartet hat, deren Prosa auch recht anmutig daherkommt: Ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Hunger sei die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft. Sie schaffe Einkommen und Beschäftigung und könne so die Versorgung der Menschen langfristig sichern; man müsse gemeinsam nachhaltige Strategien für die Erzeugung, Weiterverarbeitung und Vermarktung von Grundnahrungsmitteln entwickeln, ebenso wie Programme zur Stärkung der heimischen Verarbeitungswirtschaft; Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gegenüber Krisen und Klimawandel sollen erhöht werden. Auch die Bedeutung einer verbesserten Aus- und Weiterbildung wird betont – betriebswirtschaftliche und organisatorische Kenntnisse sollen dabei helfen, die Selbstorganisation von Kleinbauern in Verbänden und Erzeuger-vertriebsgemeinschaften zu fördern, so dass sie eine angemessene politische Stimme erhalten. Zur Umsetzung dieser Vorhaben wurden 13 »Grüne Innovationszentren« gegründet, die zumeist auf dem afrikanischen Kontinent verortet sind – so auch in Ghana.
Wer nun hofft, die Permakultur sei mit dem Ghana Permaculture Institute in der Entwicklungszusammenarbeit angekommen, liegt nicht ganz falsch – immerhin ist es das BMZ, welches das Projekt mit einer Fördersumme von gut 230 000 Euro unterstützt –, aber eben nicht als offizielles Leuchtturmprojekt »Grünes Innova­tionszentrum«. Gut so, möchte man fast meinen, denn der programmatische Ansatz hinter dieser Sonderinitiative wird z. B. von Oxfam in vielerlei Hinsicht kritisiert: Es würde zu sehr auf eine erhöhte Produktion gesetzt, statt dass ursächliche Faktoren wie ungerechte Landverteilung oder mangelndes Einkommen hinreichend berücksichtigt würden; ein zu technischer Ansatz stünde einer sozialen und ökologischen Neuausrichtung im Weg; indirekt würde vor allem ein Absatzmarkt für deutsche Unternehmen, die Agrartechnik, Saatgut und Düngemittel verkaufen, gefördert; ohnehin könne man nicht von systematischer Beteiligung der Zielgruppe sprechen. Insgesamt also eine ernüchternde Bilanz.
Wie sieht es nun also in unserem eigenen Permakultur-Innovationszentrum, dem GPI, aus? Zunächst: Anders als in den Nachbarländern Togo und Burkina Faso ist die Ernährungssituation in Ghana nicht als alarmierend einzustufen; gleichwohl sind Unter- und Mangelernährung nach wie vor verbreitete Phänomene, insbesondere bei der ländlichen Bevölkerung und im Norden des Landes, wo vor allem Heranwachsende und Frauen unter der Ernährungssituation leiden. Neben den angesprochenen Herausforderungen der Verfügbarkeit sind es aber auch unzureichende Kenntnisse, die einer ausgewogenen Ernährung im Weg stehen. Ernährungssicherheit heißt eben nicht nur, über genügend nährstoffreiche Lebensmittel guter Qualität zu verfügen, sondern auch über das notwendige Wissen darüber, welche der verfügbaren Lebensmittel zu einer gesunden Ernährung beitragen.

Workshops mit Wirkung
Das Ghana Permaculture Institute verbindet hier das Praktische mit dem Nützlichen und setzt auf Multifunktionalität. In Hinblick auf Nährstoffgehalt und Ertrag haben sich Moringa-Bäume und Austernpilze eine Favoritenstellung gesichert. Mit einer Vielzahl von Workshops zu Anbau und Anwendung sowie zum Aufbau von landwirtschaftlichen Kleinunternehmen wird eine zunehmende Zahl von Inter­essenten angesprochen, darunter Farmer mit Anbindung an den lokalen Markt oder Familien, die sich selbst versorgen wollen. Auch die allgemeiner gehaltenen Workshops zu Themen wie »gesunde Ernährung«, »ökologischer Anbau« oder »Ernährungssouveränität« sind gut besucht. Eng mit diesem Bildungsangebot ist die Arbeit der »Advocacies« verbunden. Diese vom GPI initiierten, eigenständigen Interessenvertretungen bestehen zu den Themenkomplexen »Sanitär und Hygiene«, »Ernährung« sowie »Buschfeuer«, letzteres eine gängige, aber schädliche Praxis der Brandrodung. Grundsätzlich sollen sie gegenüber Lokalpolitikern die Interessen der lokalen Bevölkerung vertreten. Ein erfreulicher Erfolg ist, dass sich im Rahmen der Advocacy »Ernährung« in der Region Brong Ahafo eine Gruppe von Frauen gegründet hat, die sich nun selbstorganisiert für mehr öffentliche Aufklärungs- und Informationsarbeit einsetzt. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit dem GPI sichert die Qualität der Bildungsarbeit und die dahintersteckende notwendige Motivation – auf beiden Seiten.
Das »Forum für Umwelt und Entwicklung«, das die Aktivitäten deutscher Nichtregierungsorganisationen in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung koordiniert, hat jüngst in einem Positionspapier zu zukunftsfähiger Landwirtschaft betont, dass Bildungsprogramme, die Wissen über ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und gute Ernährung verbreiten, eine wichtige Grundlage für eine echte Demokratisierung der Ernährungssysteme sind. Eben diese Arbeit ist eines der zentralen Anliegen des GPI. Mittlerweile haben eine Vielzahl von Workshops zu unterschiedlichsten, ökologisch relevanten Themen wie Saatgut, Ernährungssicherheit, Baumschulen, Kompost und Abfall stattgefunden, mit einer beeindruckenden Zahl von insgesamt über 1300 Teilnehmenden – das ist mehr als für das Projekt insgesamt geplant war. Dieser Erfolg spricht für sich und ist Ausdruck der an die Bedürfnisse lokaler Kleinerzeuger angepassten Herangehensweise. Die Kenntnisse aus diesem breitenwirksamen Workshop-Programm werden von den Teilnehmenden auch in entlegene Regionen Ghanas getragen.
Zum bedarfsorientierten Beratungs- und Weiterbildungsangebot des GPI gehört auch das Anlegen von Demonstrationsobjekten. Ob Viehzuchtgehege, Systeme zur Trockenzeitbewirtschaftung oder Solarbewässerung – in etwa 30 Gemeinden und Regionen laden Beispiele nachhaltiger Landwirtschaft mittlerweile zum Kennenlernen ein. So ist der Stolz der »Akumfi Ameyaw Senior High School« eine eigene Baumschule, die im Rahmen der »Agricultural and Environmental Studies« betreut und gepflegt wird.

Das Hungerproblem durch Bildung lösen
Daran zeigt sich, dass Hungerbekämpfung eine Querschnittsaufgabe ist, die sich auch an anderen Stellen der SDGs wieder-
findet – nicht zuletzt im Ziel 4, das »inklusive, gerechte und hochwertige Bildung und lebenslanges Lernen für jeden« anvisiert. Dieses erweiterte Verständnis einer Bildung, die über Primärschule und formale Ausbildung hinausgeht, sowie die Betonung von beruflicher Bildung für menschenwürdige Arbeit und von »Skills Development« – der Entwicklung von Fertigkeiten – zeigen, dass es nicht mehr nur um ein »Mehr« an Bildung geht, sondern auch um die Frage, auf welche Art diese angemessen ist. Nicht zuletzt die Einbeziehung der Bildung für nachhaltige Entwicklung – mit der nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch Kompetenzen und Handwerkszeug zur Gestaltung einer nachhaltigeren Welt vermittelt werden sollen – liest sich wie eine Bestätigung der Arbeit des GPI.
Ein entscheidender Erfolg für den Ausbau der Bildungsmaßnahmen ist die Fertigstellung des Schulungszentrums zu Beginn dieses Jahres. Nun können bis zu 50 Interessierte direkt auf dem Gelände des GPI beherbergt werden – ob als Kurzzeitgäste, als Studenten der Agrarstudiengänge, die hier ihr Pflichtpraktikum absolvieren, oder als Teilnehmerinnen eines thematischen Qualifizierungsprogramms. In Zukunft können auch hier Permakulturdesign-Kurse abgehalten werden, wie sie 2015 schon in Togo umgesetzt und im Mai für eine Gruppe aus Burkina Faso durchgeführt wurden. Anfragen aus dem Senegal, aus Gambia, Mali, Niger und Benin dürften nicht lange auf sich warten lassen.
Ein Kurs für Ökodorf-Design (EDE) ist für November angesetzt. Hier werden die Teilnehmenden Werkzeuge erhalten, mit denen sie ihre Gemeinschaften ökologisch, sozial, ökonomisch und kulturell nachhaltig gestalten können. Während einer anschließenden Konferenz können Nachhaltigkeitsaktivisten aus Westafrika mit politischen Entscheidungsträgerinnen und Vertretern verschiedener Wirtschaftssektoren internationale Netzwerke stärken, zudem wird der Erfahrungsaustausch der eigentlich Betroffenen angeregt: Bildungsprogramme und Innovationen sollen partizipativ entwickelt werden. So können alle relevanten Partner gemeinsam Entwicklungsstrategien erarbeiten. Damit würde auch das SDG Ziel 17 – »Partnerschaften, um die Ziele zu erreichen« – erfüllt werden. •


Anke Reule (37) ist gelernte Erziehungswissenschaftlerin und schreibt zu Themen der Nachhaltigkeit und Permakultur. Bei Soned e. V. arbeitet sie in der Projektentwicklung und im Inlandsbildungsbereich.

Das Projekt virtuell besuchen und unterstützen
www.soned.de/ausland/projekt-ghana – Wer spenden möchte, kann dies über
den Link tun oder auch über www.betterplace.org (Projekt 15834).

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