Warum eigentlich genug Geld für alle da ist [Buchbesprechung]
von Leonie Sontheimer, erschienen in Ausgabe #40/2016
Wir haben ein Wachstumsproblem. Seit der Finanzkrise 2008 wird viel über die zerstörerischen Auswirkungen des wirtschaftlichen Wachstumsdogmas geredet. Doch woher rührt überhaupt der Zwang, immer mehr Produkte auf den Markt zu bringen, immer mehr konsumieren und wegwerfen zu müssen? In »Warum eigentlich genug Geld für alle da ist« geht Stefan Mekiffer zur Wurzel des Problems: zum Geld, genauer, zum Zins. Mekiffers These: Unser Umgang mit Geld ist von einer Geschichte der Knappheit geprägt. Diese Geschichte sei nur ausgedacht, doch sie habe sich in unserer Art und Weise zu wirtschaften, ja, zu leben, manifestiert und sitze tief in unseren Köpfen. Dabei sei eigentlich genug Geld für alle da. Gerade heute, wo das meiste Geld nur aus Ziffern auf Bildschirmen besteht, lässt sich schwer begreifen, was Geld eigentlich ist. Geld ist ein Versprechen. Geld kann sozusagen aus dem Nichts geschöpft werden. In dem Augenblick, in dem eine Bank einem Unternehmen einen Kredit mit einem Zinssatz von, sagen wir, einem Prozent gibt, entsteht Geld. Das Unternehmen muss mehr Geld erwirtschaften. Es muss wachsen. Im schlimmsten Fall nimmt es neue Kredite auf, um die alten Schulden zu begleichen. Um aus diesem zerstörerischen Strudel herauszukommen, bringt der Autor einen Vorschlag, der dem Postwachstumsökonomen Niko Paech zufolge heftige Diskussionen auslösen wird: Das »Freie Geld«, inspiriert von Silvio Gesell, ist Geld, das an Wert verliert. Liegt es auf einer Bank, wird es durch einen negativen Zins von Monat zu Monat weniger. Gieriges Anhäufen wird unattraktiv. Besser, man verleiht sein Geld an Menschen, die es gut gebrauchen können. Lustigerweise wäre das Freigeld, das weniger wird, nicht knapp. Jeder Bürger erhielte dann ein Grundeinkommen. Mekiffer schafft es, auf 250 Seiten ein sehr komplexes Thema aus vielen Blickwinkeln zu betrachten. Beispiele aus der Geschichte, philosophische Gedanken, kulturwissenschaftliche Studien, Analogien aus der Biologie und wirtschaftliches Know-how werden zu einem großen Gesamtbild zusammengewoben. Es kommt vor, dass einzelne Fäden sehr dünn sind. So hätte ich mir gewünscht, dass Mekiffer die zentrale Passage zum Freien Geld stärker ausgeschmückt hätte, da das Konzept so sehr unseren Gewohnheiten widerspricht. Dafür erklärt er aber an anderen Stellen alltägliche Mechanismen wie die Verschuldung eines Staats so bildhaft, dass man sie endlich versteht. Des Autors Talent, mit Metaphern und Analogien Zusammenhänge zu erklären, steigert die Freude am Lesen. Doch selbst wenn er nicht so begabt wäre, würde ich die Lektüre dieses Buchs empfehlen. Das Geldsystem betrifft uns alle und ist – wie Mekiffer selbst schreibt – »vielleicht die wichtigste politische Frage, die wir uns stellen können«. ◆
Warum eigentlich genug Geld für alle da ist Stefan Mekiffer Carl Hanser Verlag, 2016 304 Seiten 18,90 Euro