Kapitel 2
Mit viel Geld und Streit beginnt das zweite Kapitel, das rund um ein betagtes Wasserschloss spielt. Darin wohnt als Mitglied einer kleinen Gemeinschaft die Geigerin Ulrike Schauer-Wystrik.
»Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung.« So lautet – zu einem Satz verdichtet – die Kernthese des neuen Buchs »Resonanz« von Hartmut Rosa. Es stellt gedanklich eine Art Fortsetzung seines 2005 erschienenen und vielbeachteten Werks mit dem Titel »Beschleunigung« dar. Darin hatte der Soziologe die These aufgestellt, dass die – historisch zunächst befreiende – Wirkung der modernen Beschleunigung in der aktuellen Spätmoderne nun in ihr Gegenteil umzuschlagen drohe. Beschleunigung führe zu allgemeiner Erschöpfung und fortschreitender Selbstentfremdung.
Nun entwickelt er aus der im Grunde einfachen Idee, dass »Resonanz ein menschliches Grundbedürfnis und eine Grundfähigkeit ist«, eine eigenständige Theorie, die den permanenten Steigerungszwang des Immer-mehr-und-immer-Schneller nicht nur diagnostiziert, sondern einen Ausweg daraus sucht. Hierfür analysiert Rosa im ersten Teil seines neuen Buchs die »Grundelemente menschlicher Weltbeziehungen«, die mit den konkret körperlichen Ebenen wie dem Atmen, Essen, Gehen und Lieben – für Rosa die basalen Resonanzsphären – beginnen.
Im zweiten Abschnitt identifiziert er darauf aufbauend unterschiedliche »Resonanz-Achsen«, die erlebt werden können: angefangen in Begegnungen mit anderen Menschen, mit der Natur, der Kunst, Musik und Religion bis hin zu erfüllender Arbeit oder sogar in Beziehungen zu Dingen. Allerdings sei Resonanz, so Rosa, ihrem Wesen nach stets unverfügbar sowie unkontrollierbar – etwa im Sinn echter Nähe, die auch nicht gezielt hergestellt werden, sondern nur entstehen kann.
Im dritten Teil des gut 800 Seiten starken Werks beschreibt er schließlich die Moderne als Geschichte einer Resonanzkatastrophe – zugleich aber auch als die Geschichte einer wachsenden Resonanzsensibilität, die, so hofft er im vierten und abschließenden Teil, in eine Postwachstumsgesellschaft übergehen und sich dabei nachhaltig stabilisieren könne.
Ein konkreter Baustein dafür könnte die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens sein, das es den Menschen – dank der Befreiung von existenziellen Ängsten – erlauben würde, sich auf eine resonanzsensible Lebensweise umzustellen. Allerdings reiche ein Bewusstseinswandel allein nicht aus, es brauche auch daraus resultierende tiefgreifende institutionelle Veränderungen, so etwa eine – bislang fehlende – Demokratisierung des Wirtschaftslebens.
Sein Text, so schreibt Rosa gleich zu Beginn, werde den »Lesern einige Ausdauer abverlangen«. Aber am Ende lässt sich sagen: So ist das nun mal mit großen Würfen – man muss sich Zeit für sie nehmen. ◆
Resonanz
Eine Soziologie der Weltbeziehung.
Hartmut Rosa
Suhrkamp, 2016
814 Seiten
34,95 Euro
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