In ihrem Buch »Halbinseln gegen den Strom« (2009) hatte die Volkswirtin, Historikerin und Aktivistin Friederike Habermann gezeigt, dass sich alltägliche Notwendigkeiten wie Ernährung oder Wohnen auch jenseits kapitalistischer Verwertungslogik organisieren lassen. Ihr neu erschienenes Werk »Ecommony« (ein Wortspiel aus »Commons« und »Economy«) geht einen Schritt weiter. In Anlehnung an Jeremy Rifkins Buch »Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft«, in dem dieser das »Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und den Rückzug des Kapitalismus« prophezeit, möchte die Autorin zeigen, dass die neuen Praktiken rund um eine »Commons-basierte Peer Production« das Leben verändern und die Grundwerte der kapitalistischen Gesellschaft – einschließlich ihrer Institutionen – obsolet machen werden. Die in der Praxis bereits sichtbaren Prinzipien neuen Wirtschaftens lauten: Teile, was du kannst. Trage bei, statt zu tauschen. Handle freiwillig und offen. Das gemeinsame Nutzen von Dingen, Techniken und Ressourcen im Alltag stellt das Konzept von Eigentum in Frage; Besitz ergibt sich stattdessen nur noch, indem etwas genutzt wird. Leserinnen und Leser erhalten neue Anregungen hinsichtlich einer commonsbasierten Transformation der Wirtschaft, eingebettet in Erkenntnisse aus feministischer Theorie, Commons- und Queer-Forschung der letzten zwei Jahrzehnte. Der verständlich geschriebene, wissenschaftlich fundierte Text ist als Zeitreise strukturiert, die von Commons-Praktiken im »Heute« erzählt, anschließend erklärt, wie »Gestern« die Konzepte von Arbeit, Eigentum und Geld entstanden sind und welche Erkenntnisse das »Morgen« und »Übermorgen« prägen werden. Im »Übermorgen« sieht Habermann die queertheoretische Idee, nach der zum Wohl aller die eine Identitätskategorie überwunden werden muss, die allen anderen als überlegen gilt und als Norm fungiert – aktuell der weiße, heterosexuelle, männliche Nutzenmaximierer –, ohne eine neue zu erschaffen. Identität sollte keinen Dualismen wie Natur–Technik, global–lokal mehr entspringen, was per definitionem andere ausschließt. Vielmehr sollte Identität im Fluss des Zusammenlebens immer neu entstehen. Anders zu wirtschaften, schaffe hierfür die strukturellen Voraussetzungen. Die Zeitreise ins »Übermorgen« suggeriert etwas mehr, als sie einlösen kann; das Kapitel liest sich in seinem Duktus ähnlich wie die vorangegangenen – hier wären mehr einordnende Kommentare oder tatsächliche Reflexionen über eine ferne Zukunft schön gewesen. Wie könnten beispielsweise Institutionen beschaffen sein, wenn Identitätsbildung fluide bleiben soll? Würden sie zu fließenden Gebilden, die regelmäßig nicht wiederzuerkennen sind? Dennoch ist die Lektüre für alle, die den aktuellen Stand der Commons Debatte verfolgen möchten, lohnenswert.
Ecommony UmCARE zum Miteinander. Friederike Habermann Ulrike Helmer Verlag, 2016 197 Seiten ISBN 978-3897413863 19,95 Euro